1 60
Ich war bereits ein Jüngling, mußte dem Vater oſt beiſtehen in
ſeinem traurigen Geſchäfte und hatte so schon die Unglücklichen gesehen,
welche die Menſchheit aus ihrem Bunde stieß und welche gekcttet wie wil-
de Thiere dennoch furchtbarer wie diese waren. sg t
Der Abend dämmerte; mein Vater kehrte zurück von der Wanderung
die Schlöſſer und Riegel der Gefongenen zu untersuchen; er hing den un-
geheuren Schlüſſelbund über sein Vette, und setzte ſich schweigend in den
tinflerſten Winkel der Stube. Meine Mutter sah besorgt zu ihm empor,
er hatte den Abendgruß vergeſſen, etwas Bedeutendes mußte geschehen
ſein. Aber noch ehe ſie eine Frage thun konnte, hob der Vater das nie-
dergeſunkene Haupt empor und sprach: Der Steinsarg wird wieder bes-
wohnt. Ein Schauer durchzuckte uns bei diesen Worten. Der Steivsarg
war ein unterirdiſches Gefängniß, das nur menschliche Grauſamkeit er-
finden konnte; eine verpeſtete Grabeshöhle, aus der wir die dort Eigen
kehrten oft nur nach wenigen Wochen als Leichen hinaustrugen. Von
den Mauern und der Decke fielen auf den Gefangenen kalte eiſize Tropfen
nieder, die ſich am Boden zu einem stehenden Schlamme sammelten.
Um der Körperqual noch Seelenfolter beizufügen, hatte der Ervaner dem
Gefängniß die Form eines Sarges gegeben. ; 112183 h
Wer? bebte es von den Lippen meiner Mutter. ~ Der Vater
ſchwieg Wer? wiederholte ſie dringender. ~ Roger Baco, anlwortcete
endlich der Vater. –~ Unmöglich, rief die Multet mit furchtbarem Schreck
der Edle, welcher rein vor Gott und Menschen wandelt. –~ Schweig Tenny
entgegnete der Vater furchtsam und leise, geſlern iſt ein Schreiben von
Rom eingelangt! Der Unglüuckliche hat es gewagt, den Pabſt selbſt des
Fehles zu beſchuldigen, und in einem offenen Schreiben die Unwissenheit
und Sittenverdrrbniß der Mönche gerügt; ſein Schiclſal hat er selbſt vcr-
ſchuldet. ~~ ,„„Frevle nicht,“ erwiederte meine Matter mit ciner Hihe,
die ihrer Sanftmuth fremd war, ,gan dem Manne, von dem noch kein
Unglücklicher ohne Troſt, kein Darbender ohne Halfe ging.“ Haſt Du vers
geſſen, was er Dir, was er mir gethan? Hat er nicht mir den Gatten,
Deinem Sohne den Valer erhalten? Als der Raubmörder, welcher vor
drei Jahren gerichtet warde, Dich mit einem scharfen Steine verwundete,
als ich damals von allen Menſchen verlaſſsen, troſilos an Deinem Lager
ſaß und mir die Nachricht ward, die Aectzte hätten Dich rettungslos auf-
gegeben; zu jener Zeit wo nur Gott meine Thräanen sah, meine Gebete
hörte, erſchien er mir , sprach Troſt in meine Seele und heilte den Gattea.
Und ich ſollte nicht den Mann ehren, der mir Dich chu n [. r
n ..ŸŸeÉccco . e . jj Jortsepung folgte).
.. Herausgegeben Und Yedrudt Von Des Augu.ſt Oßwald in Heidelberg, s
Redigirt nnter Verantwortlichkeit vo G. Weben.
,:
Ich war bereits ein Jüngling, mußte dem Vater oſt beiſtehen in
ſeinem traurigen Geſchäfte und hatte so schon die Unglücklichen gesehen,
welche die Menſchheit aus ihrem Bunde stieß und welche gekcttet wie wil-
de Thiere dennoch furchtbarer wie diese waren. sg t
Der Abend dämmerte; mein Vater kehrte zurück von der Wanderung
die Schlöſſer und Riegel der Gefongenen zu untersuchen; er hing den un-
geheuren Schlüſſelbund über sein Vette, und setzte ſich schweigend in den
tinflerſten Winkel der Stube. Meine Mutter sah besorgt zu ihm empor,
er hatte den Abendgruß vergeſſen, etwas Bedeutendes mußte geschehen
ſein. Aber noch ehe ſie eine Frage thun konnte, hob der Vater das nie-
dergeſunkene Haupt empor und sprach: Der Steinsarg wird wieder bes-
wohnt. Ein Schauer durchzuckte uns bei diesen Worten. Der Steivsarg
war ein unterirdiſches Gefängniß, das nur menschliche Grauſamkeit er-
finden konnte; eine verpeſtete Grabeshöhle, aus der wir die dort Eigen
kehrten oft nur nach wenigen Wochen als Leichen hinaustrugen. Von
den Mauern und der Decke fielen auf den Gefangenen kalte eiſize Tropfen
nieder, die ſich am Boden zu einem stehenden Schlamme sammelten.
Um der Körperqual noch Seelenfolter beizufügen, hatte der Ervaner dem
Gefängniß die Form eines Sarges gegeben. ; 112183 h
Wer? bebte es von den Lippen meiner Mutter. ~ Der Vater
ſchwieg Wer? wiederholte ſie dringender. ~ Roger Baco, anlwortcete
endlich der Vater. –~ Unmöglich, rief die Multet mit furchtbarem Schreck
der Edle, welcher rein vor Gott und Menschen wandelt. –~ Schweig Tenny
entgegnete der Vater furchtsam und leise, geſlern iſt ein Schreiben von
Rom eingelangt! Der Unglüuckliche hat es gewagt, den Pabſt selbſt des
Fehles zu beſchuldigen, und in einem offenen Schreiben die Unwissenheit
und Sittenverdrrbniß der Mönche gerügt; ſein Schiclſal hat er selbſt vcr-
ſchuldet. ~~ ,„„Frevle nicht,“ erwiederte meine Matter mit ciner Hihe,
die ihrer Sanftmuth fremd war, ,gan dem Manne, von dem noch kein
Unglücklicher ohne Troſt, kein Darbender ohne Halfe ging.“ Haſt Du vers
geſſen, was er Dir, was er mir gethan? Hat er nicht mir den Gatten,
Deinem Sohne den Valer erhalten? Als der Raubmörder, welcher vor
drei Jahren gerichtet warde, Dich mit einem scharfen Steine verwundete,
als ich damals von allen Menſchen verlaſſsen, troſilos an Deinem Lager
ſaß und mir die Nachricht ward, die Aectzte hätten Dich rettungslos auf-
gegeben; zu jener Zeit wo nur Gott meine Thräanen sah, meine Gebete
hörte, erſchien er mir , sprach Troſt in meine Seele und heilte den Gattea.
Und ich ſollte nicht den Mann ehren, der mir Dich chu n [. r
n ..ŸŸeÉccco . e . jj Jortsepung folgte).
.. Herausgegeben Und Yedrudt Von Des Augu.ſt Oßwald in Heidelberg, s
Redigirt nnter Verantwortlichkeit vo G. Weben.
,: