Aber bald darauf kam der Krieg, und noch be-
vor Bentai diesen Brief von seinem Vater bekom-
men hatte, war er schon nach Japan abgereist.
Der Kursus für Offiziere, der gleich beim Aus-
bruch des Krieges eingerichtet wurde, dauerte
nur ein halbes Jahr und vor einem Monat war der
Leutnant in Oberst Hatuses Bataillon eingestellt:
„Ihre Familie, Fürst“ — sagte der Oberst, er
neigte sich tief vorwärts und sprach sehr leise;
seine Hände waren offen zur Begrüßung —
— „Ihre Familie nennt man in Japan immer mit
großer Ehre . . Ich bin stolz und glücklich, daß
ich Sie in mein Bataillen bekommen habe.“ —•
Er richtete sich auf, und die beiden Männer
standen eine Sekunde schweigend und maßen
einander mit den Augen; abwägend.
„Sie sind bei Kapitän Hoksai, dritte Kompag-
nie, eingestellt •—■ Leutnant!“ sagte Hatuse kurz
danach. •— „Melden Sie sich bei ihm zum Dienst!“
— Er nickte und machte eine Bewegung mit der
Hand. Bentai machte Kehrt und ging aus dem
Zelt — er holte tief und freudig Atem draußen,
er fühlte, daß der Chef ihn gern hatte.
Die Brigade, zu der sein Bataillon gehörte,
rückte vorwärts auf dem rechten Flügel der Armee
r
Kurokis. Der kleine Leutnant wurde mager und
braun, mit schwarzen Strichen unter Augen,
Mund und Kinnladen, von den langen Märschen
in der Sommersonne der Mandschurei. Seine
Muskeln wurden gespannt — wie geladen fand
er. Und die Füße waren schon wochenlang ohne
Haut gewesen. Es ging sich wie auf Feuer und
Dornen darauf — aber Müdigkeit fühlte er
nicht —.
Ein Abend — sie hatten einen kleinen unbe-
deutenden Kampf gegen einige Ochotnikis geführt
— von drei Uhr morgens bis Mittag, dann die
Feinde bis zum Abend verfolgt. Jetzt hatten sie
Halt gemacht und Wachtposten aufgestellt.
Bentais Abteilung stand zuerst. Es war unge-
fähr elf Uhr.
Bentai hatte den Posten ihre Instruktionen ge-
geben und ging jetzt zurück zu seiner Abteilung,
die hinter einem Hügel aufgestellt war. Sie hat-
ten ein Kochloch gegraben. Das Feuer flammte
auf unter dem großen Zehnmannskessel, der ganz
voll Reis und Wasser war. Die Soldaten lagen
auf dem Bauch und sahen mit blanken Augen auf
den großen Kessel. Der Leutnant lächelte, er
fühlte die Kraft seines Körpers und freute sich
darüber, seine Augen sahen auf das spielende
Feuer.
Der Aufwärter kroch noch näher an den Kes-
sel, um zuerst für seinen Leutnant was bekom-
men zu können.
Fürst Bentai ging noch einmal die Runde durch
die Posten. Mit dem unruhigen Eifer junger
Offiziere.
Von den Vedetten hörte man kurze halblaute
Rufe, wie zwei Stücke Holz, hart gegen einander
geschmettert.
Das Essen war fertig. Der Aufwärter kam,
unter Verbeugungen, zu Bentai mit der kleinen
Schale aus Zinn. Einen Strauß Blumen hatte er
auf die Erde gelegt — der Tisch. Die Blumen
waren kaum zu sehen, so dunkel waren sie,.aber
ihr Duft schwängerte die Luft.
Als der Reis verspeist war, mußten die Posten
abgelöst werden, daß auch sie zum Essen kom-
men konnten. Dabei verging die Zeit. Es wurde
gegen zwei Uhr, ehe Bentai mit seinem neuen
Rundgang fertig war.
Die Luft fing schon an grau zu werden; all-
mählig schwand auch das Grau und das Dunkel
wurde bräunlich-lila.
Es war bald Zeit, daß eine neue Abteilung
heranrücken sollte, um Bentai abzulösen. Der
Morgen war kalt. Er freute sich, nachher ein bis-
chen schlafen zu können. Er war in voller Akti-
vität seit gestern morgen drei Uhr. Dreiundzwan-
zig Stunden, dachte Bentai, und einen Augenblick
war er stolz über sich. —
Ein Adjutant kam herangesaust.
„Der Chef?“ — rief er und sein Pferd sprang
unruhig und wild über das nur zur Hälfte ge-
löschte Kochloch.
Bentai zeigte —:
„Der Oberst ist da! Hinter den Bäumen!“ —
Hatuse lag schlafend, sein Mantel über sich
ausgebreitet. Der Adjutant sprang vom Pferd und
ging zu ihm hin.
„Herr Oberst!“ — sagte er laut und ehrfürch-
tig, um seinen Chef zu wecken.
Hatuse riß den Mantel fort, und setzte sich auf-
recht.
Fünf Minuten nachher standen die Kompagnien
zum Abmarsch fertig.
Das Bataillon sollte gegen ein Dorf vorrücken,
das „etwas“ weiter lag, sagte der Oberst mit sei-
ner vollen Stimme. Er saß schon im Sattel und
es sah aus, als dachte er vorläufig nicht so bald
wieder abzusteigen.
„Die dritte Kompagnie geht zuerst!“ — kom-
mandierte Hatuse; er sammelte die Zügel in der
rechten Hand — „die Kompagnie besorgt Siche-
rung in Front.“
Leutnant Bentais Abteilung bekam die beson-
dere Anstrengung, an der Spitze zu gehen. Es sei
keine Zeit zur Ablösung, bemerkte der Kapitän.
Die Mannschaft schleifte die Füße hinter sich, sie
hatte gar nicht geschlafen. Es wäre doch die erste
Abteilung an der Reihe.
Der Gemeine 42, ein großer Witzmacher, sagte
mit komisch verzerrtem Gesicht:
„Natürlich, die Langen können sie nicht brau-
chen, dann müssen wir Kleinen ran. Wenn es gilt,
sind wir groß genug.“ — Dieser Witz wurde sehr
anerkannt, eine ganze Viertelstunde wurde ge-
lacht. Alle waren erheitert.
Aber Bentai hatte schon längst vergessen, daß
er müde und schläfrig war. Er schäumte vor
Diensteifer. Seine Knie zitterten, er ging, als
tanzte er. In Spannung kommandierte er mit
halblauter, beinahe flüsternder, scharfer Stimme.
„Ein bischen schneller vorwärts!“ — zischte er
und ahnte nicht, daß der Weg unter seine Füße
verrann.
Die Morgendämmerung lag wie ein hellgrüner
Schleier über dem Land. Unter dem Hügel, wo
sie heute Nacht gestanden hatten, war ein riesen-
großes Hirsenfeld. Kleine Patrouillen wurden nach
rechts und links ausgesandt.
Es war ein gefahrvoller Marsch durch die
hohe Hirse. Man konnte nicht wissen, was viel-
leicht da versteckt lag: — eine feindliche Abtei-
lung, vielleicht eine ganze Kompagnie!
Die Plänkler, die zuerst gingen, hielten den
Daumen auf dem Hahn, obgleich es verboten war,
weil es oft vorkam, daß ein Schuß auf die Weise
losging.
Alle holten sie Atem, tief, erleichtert, als sie
durch das Feld waren. Sie fühlten selbst, daß sie
ruhiger wurden, aber die Nervensaiten zitterten.
Immer ging der Marsch vorwärts. Meile auf
Meile.
Die Sonne glühte über den Köpfen wie Schwe-
felbrand. Bentai hielt seine Linke auf dem Säbel-
griff, um seinen Leib hing in einem Riemen das
Fernrohr und die Karte hielt er in der Rechten.
Gegen Mittag machten sie Halt um ein bischen
zu essen. Eine Stunde wurde dazu gegeben,
Mannschaft und Offiziere, alle, alle schmissen sie
sich auf die Erde, gleich wo sie Halt gemacht hat-
ten. Der Bataillonschef ritt herum und plauderte
mit den Soldaten.
„Bleibt nur ruhig liegen!“ — rief er schon von
weitem den Soldaten zu, als er kam. Er ritt her-
um, das Gesicht vor Hitze hochrot, der Schweiß
floß in Strömen herunter.
„Es geht ein bischen schnell, aber wir haben
Order uns zu beeilen. Und selbstverständlich
werden wir nicht müde, wenn wir vorwärts
müssen, nicht?
Beeilt euch jetzt mit dem Essen. Und ruht
euch aus für die nächsten sechs Stunden, in der
Zeit, die euch noch übrig bleibt.“
Es sollte ein Witz sein, das konnten die Solda-
ten auf dem Gesicht des Chefs sehen, und deshalb
amüsierten sie sich auch königlich.
So ritt er lächelnd und nickend hinüber zur
nächsten Kompagnie.
Das Bataillon rückte weiter vorwärts. Ben-
tais Kompagnie immer zuerst. Die Mannschaft
ging mit halbgeschlossenen Augen, und ließ die
Füße sich von selber bewegen. Bentai trug einen
Tornister, der einem hinkenden Soldaten gehörte.
Ab und zu berührte einer seinen Arm, einen
Augenblick. Er nickte —: es waren die Leute,
die nicht mehr konnten, die mußten auf den Kran-
kenwagen warten, der zuletzt im Zuge kam. So
allmählich waren ein Dutzend Männer der Abtei-
lung fort.
Der Oberstleutnant kam einmal zum Wagen
hin.
Er ritt ein bischen nebenan und starrte auf die
Kranken. Sie hatten die Köpfe wie aufgehängt
am Kragen. Er brummte ein bischen — eigentlich
hatte er die Absicht auszuschimpfen, aber wenn
man recht bedachte: — ein Dutzend Mann, es war
nichts, wenn man wußte, wie schwer diese letz-
ten Tage für die Leute gewesen waren.
Gegen fünf wurde ein kleiner Halt gemacht.
Nur zwanzig Minuten sagte der Oberstleutnant —:
weil das Flußwasser so schön war. Eigentlich
hätten sie das doch nicht nötig auszuruhen, oder
wie? Und er zeigte seine weißen Zähne und er-
reichte, daß die Leute eine Sekunde glaubten, sie
wären doch nicht so grenzenlos müde. Da das
Bataillon wieder vorwärts mußte, wurde Bentai
immer zuerst kommandiert.
„Ja, Leutnant, ich muß Sie wieder an die
Spitze setzen. Wir müssen einen Offizier in Front
haben durch dieses Terrain. Das ist nicht anders.
Sind Sie müde?“
Und Bentai hob den Kopf — er war doch ein
bischen auf die Brust gefallen —:
„Nein, gar nicht!“ — lächelte er — „nicht eine
Spur müde!“
Er ging weiter, und schwang die Karte in sei-
ner rechten Hand, ganz klebrig vor Schweiß und
Staub. Der Daumen hatte auf die Karten einen
schwarzen Stempel gedruckt.
„Ein bischen schneller vorwärts!“ sagte er,
mit der Empfindung, daß die Worte ganz stau-
big waren.
„Schneller!“ wiederholte er, und mußte sich
selbst in den Gaumen spucken, um eine Schmutz-
lage wegspülen zu können.
Die Füße gingen von selber, ganz mechanisch.
Er versuchte ab und zu aut seine Uhr zu gucken,
aber die Leute sahen ihn dabei so sehnsuchtsvoll
an, daß er es nicht mehr vermochte. Die Stun-
den krochen. Es war wie hunderte von Minuten
in jeder. Oder waren die Sekunden in der Hitze
geschwollen?
Jedesmal wenn Bentai einen Schritt machte,
lief ein heftiges Stechen durch seine Hüften.
Ein paarmal amüsierte er sich damit, auszu-
rechnen wie lange er jetzt nicht geschlafen oder
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vor Bentai diesen Brief von seinem Vater bekom-
men hatte, war er schon nach Japan abgereist.
Der Kursus für Offiziere, der gleich beim Aus-
bruch des Krieges eingerichtet wurde, dauerte
nur ein halbes Jahr und vor einem Monat war der
Leutnant in Oberst Hatuses Bataillon eingestellt:
„Ihre Familie, Fürst“ — sagte der Oberst, er
neigte sich tief vorwärts und sprach sehr leise;
seine Hände waren offen zur Begrüßung —
— „Ihre Familie nennt man in Japan immer mit
großer Ehre . . Ich bin stolz und glücklich, daß
ich Sie in mein Bataillen bekommen habe.“ —•
Er richtete sich auf, und die beiden Männer
standen eine Sekunde schweigend und maßen
einander mit den Augen; abwägend.
„Sie sind bei Kapitän Hoksai, dritte Kompag-
nie, eingestellt •—■ Leutnant!“ sagte Hatuse kurz
danach. •— „Melden Sie sich bei ihm zum Dienst!“
— Er nickte und machte eine Bewegung mit der
Hand. Bentai machte Kehrt und ging aus dem
Zelt — er holte tief und freudig Atem draußen,
er fühlte, daß der Chef ihn gern hatte.
Die Brigade, zu der sein Bataillon gehörte,
rückte vorwärts auf dem rechten Flügel der Armee
r
Kurokis. Der kleine Leutnant wurde mager und
braun, mit schwarzen Strichen unter Augen,
Mund und Kinnladen, von den langen Märschen
in der Sommersonne der Mandschurei. Seine
Muskeln wurden gespannt — wie geladen fand
er. Und die Füße waren schon wochenlang ohne
Haut gewesen. Es ging sich wie auf Feuer und
Dornen darauf — aber Müdigkeit fühlte er
nicht —.
Ein Abend — sie hatten einen kleinen unbe-
deutenden Kampf gegen einige Ochotnikis geführt
— von drei Uhr morgens bis Mittag, dann die
Feinde bis zum Abend verfolgt. Jetzt hatten sie
Halt gemacht und Wachtposten aufgestellt.
Bentais Abteilung stand zuerst. Es war unge-
fähr elf Uhr.
Bentai hatte den Posten ihre Instruktionen ge-
geben und ging jetzt zurück zu seiner Abteilung,
die hinter einem Hügel aufgestellt war. Sie hat-
ten ein Kochloch gegraben. Das Feuer flammte
auf unter dem großen Zehnmannskessel, der ganz
voll Reis und Wasser war. Die Soldaten lagen
auf dem Bauch und sahen mit blanken Augen auf
den großen Kessel. Der Leutnant lächelte, er
fühlte die Kraft seines Körpers und freute sich
darüber, seine Augen sahen auf das spielende
Feuer.
Der Aufwärter kroch noch näher an den Kes-
sel, um zuerst für seinen Leutnant was bekom-
men zu können.
Fürst Bentai ging noch einmal die Runde durch
die Posten. Mit dem unruhigen Eifer junger
Offiziere.
Von den Vedetten hörte man kurze halblaute
Rufe, wie zwei Stücke Holz, hart gegen einander
geschmettert.
Das Essen war fertig. Der Aufwärter kam,
unter Verbeugungen, zu Bentai mit der kleinen
Schale aus Zinn. Einen Strauß Blumen hatte er
auf die Erde gelegt — der Tisch. Die Blumen
waren kaum zu sehen, so dunkel waren sie,.aber
ihr Duft schwängerte die Luft.
Als der Reis verspeist war, mußten die Posten
abgelöst werden, daß auch sie zum Essen kom-
men konnten. Dabei verging die Zeit. Es wurde
gegen zwei Uhr, ehe Bentai mit seinem neuen
Rundgang fertig war.
Die Luft fing schon an grau zu werden; all-
mählig schwand auch das Grau und das Dunkel
wurde bräunlich-lila.
Es war bald Zeit, daß eine neue Abteilung
heranrücken sollte, um Bentai abzulösen. Der
Morgen war kalt. Er freute sich, nachher ein bis-
chen schlafen zu können. Er war in voller Akti-
vität seit gestern morgen drei Uhr. Dreiundzwan-
zig Stunden, dachte Bentai, und einen Augenblick
war er stolz über sich. —
Ein Adjutant kam herangesaust.
„Der Chef?“ — rief er und sein Pferd sprang
unruhig und wild über das nur zur Hälfte ge-
löschte Kochloch.
Bentai zeigte —:
„Der Oberst ist da! Hinter den Bäumen!“ —
Hatuse lag schlafend, sein Mantel über sich
ausgebreitet. Der Adjutant sprang vom Pferd und
ging zu ihm hin.
„Herr Oberst!“ — sagte er laut und ehrfürch-
tig, um seinen Chef zu wecken.
Hatuse riß den Mantel fort, und setzte sich auf-
recht.
Fünf Minuten nachher standen die Kompagnien
zum Abmarsch fertig.
Das Bataillon sollte gegen ein Dorf vorrücken,
das „etwas“ weiter lag, sagte der Oberst mit sei-
ner vollen Stimme. Er saß schon im Sattel und
es sah aus, als dachte er vorläufig nicht so bald
wieder abzusteigen.
„Die dritte Kompagnie geht zuerst!“ — kom-
mandierte Hatuse; er sammelte die Zügel in der
rechten Hand — „die Kompagnie besorgt Siche-
rung in Front.“
Leutnant Bentais Abteilung bekam die beson-
dere Anstrengung, an der Spitze zu gehen. Es sei
keine Zeit zur Ablösung, bemerkte der Kapitän.
Die Mannschaft schleifte die Füße hinter sich, sie
hatte gar nicht geschlafen. Es wäre doch die erste
Abteilung an der Reihe.
Der Gemeine 42, ein großer Witzmacher, sagte
mit komisch verzerrtem Gesicht:
„Natürlich, die Langen können sie nicht brau-
chen, dann müssen wir Kleinen ran. Wenn es gilt,
sind wir groß genug.“ — Dieser Witz wurde sehr
anerkannt, eine ganze Viertelstunde wurde ge-
lacht. Alle waren erheitert.
Aber Bentai hatte schon längst vergessen, daß
er müde und schläfrig war. Er schäumte vor
Diensteifer. Seine Knie zitterten, er ging, als
tanzte er. In Spannung kommandierte er mit
halblauter, beinahe flüsternder, scharfer Stimme.
„Ein bischen schneller vorwärts!“ — zischte er
und ahnte nicht, daß der Weg unter seine Füße
verrann.
Die Morgendämmerung lag wie ein hellgrüner
Schleier über dem Land. Unter dem Hügel, wo
sie heute Nacht gestanden hatten, war ein riesen-
großes Hirsenfeld. Kleine Patrouillen wurden nach
rechts und links ausgesandt.
Es war ein gefahrvoller Marsch durch die
hohe Hirse. Man konnte nicht wissen, was viel-
leicht da versteckt lag: — eine feindliche Abtei-
lung, vielleicht eine ganze Kompagnie!
Die Plänkler, die zuerst gingen, hielten den
Daumen auf dem Hahn, obgleich es verboten war,
weil es oft vorkam, daß ein Schuß auf die Weise
losging.
Alle holten sie Atem, tief, erleichtert, als sie
durch das Feld waren. Sie fühlten selbst, daß sie
ruhiger wurden, aber die Nervensaiten zitterten.
Immer ging der Marsch vorwärts. Meile auf
Meile.
Die Sonne glühte über den Köpfen wie Schwe-
felbrand. Bentai hielt seine Linke auf dem Säbel-
griff, um seinen Leib hing in einem Riemen das
Fernrohr und die Karte hielt er in der Rechten.
Gegen Mittag machten sie Halt um ein bischen
zu essen. Eine Stunde wurde dazu gegeben,
Mannschaft und Offiziere, alle, alle schmissen sie
sich auf die Erde, gleich wo sie Halt gemacht hat-
ten. Der Bataillonschef ritt herum und plauderte
mit den Soldaten.
„Bleibt nur ruhig liegen!“ — rief er schon von
weitem den Soldaten zu, als er kam. Er ritt her-
um, das Gesicht vor Hitze hochrot, der Schweiß
floß in Strömen herunter.
„Es geht ein bischen schnell, aber wir haben
Order uns zu beeilen. Und selbstverständlich
werden wir nicht müde, wenn wir vorwärts
müssen, nicht?
Beeilt euch jetzt mit dem Essen. Und ruht
euch aus für die nächsten sechs Stunden, in der
Zeit, die euch noch übrig bleibt.“
Es sollte ein Witz sein, das konnten die Solda-
ten auf dem Gesicht des Chefs sehen, und deshalb
amüsierten sie sich auch königlich.
So ritt er lächelnd und nickend hinüber zur
nächsten Kompagnie.
Das Bataillon rückte weiter vorwärts. Ben-
tais Kompagnie immer zuerst. Die Mannschaft
ging mit halbgeschlossenen Augen, und ließ die
Füße sich von selber bewegen. Bentai trug einen
Tornister, der einem hinkenden Soldaten gehörte.
Ab und zu berührte einer seinen Arm, einen
Augenblick. Er nickte —: es waren die Leute,
die nicht mehr konnten, die mußten auf den Kran-
kenwagen warten, der zuletzt im Zuge kam. So
allmählich waren ein Dutzend Männer der Abtei-
lung fort.
Der Oberstleutnant kam einmal zum Wagen
hin.
Er ritt ein bischen nebenan und starrte auf die
Kranken. Sie hatten die Köpfe wie aufgehängt
am Kragen. Er brummte ein bischen — eigentlich
hatte er die Absicht auszuschimpfen, aber wenn
man recht bedachte: — ein Dutzend Mann, es war
nichts, wenn man wußte, wie schwer diese letz-
ten Tage für die Leute gewesen waren.
Gegen fünf wurde ein kleiner Halt gemacht.
Nur zwanzig Minuten sagte der Oberstleutnant —:
weil das Flußwasser so schön war. Eigentlich
hätten sie das doch nicht nötig auszuruhen, oder
wie? Und er zeigte seine weißen Zähne und er-
reichte, daß die Leute eine Sekunde glaubten, sie
wären doch nicht so grenzenlos müde. Da das
Bataillon wieder vorwärts mußte, wurde Bentai
immer zuerst kommandiert.
„Ja, Leutnant, ich muß Sie wieder an die
Spitze setzen. Wir müssen einen Offizier in Front
haben durch dieses Terrain. Das ist nicht anders.
Sind Sie müde?“
Und Bentai hob den Kopf — er war doch ein
bischen auf die Brust gefallen —:
„Nein, gar nicht!“ — lächelte er — „nicht eine
Spur müde!“
Er ging weiter, und schwang die Karte in sei-
ner rechten Hand, ganz klebrig vor Schweiß und
Staub. Der Daumen hatte auf die Karten einen
schwarzen Stempel gedruckt.
„Ein bischen schneller vorwärts!“ sagte er,
mit der Empfindung, daß die Worte ganz stau-
big waren.
„Schneller!“ wiederholte er, und mußte sich
selbst in den Gaumen spucken, um eine Schmutz-
lage wegspülen zu können.
Die Füße gingen von selber, ganz mechanisch.
Er versuchte ab und zu aut seine Uhr zu gucken,
aber die Leute sahen ihn dabei so sehnsuchtsvoll
an, daß er es nicht mehr vermochte. Die Stun-
den krochen. Es war wie hunderte von Minuten
in jeder. Oder waren die Sekunden in der Hitze
geschwollen?
Jedesmal wenn Bentai einen Schritt machte,
lief ein heftiges Stechen durch seine Hüften.
Ein paarmal amüsierte er sich damit, auszu-
rechnen wie lange er jetzt nicht geschlafen oder
148