47
188S.
ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST
Nr. 1.
48
ein Bild gemalt hat. (Vgl. W. Schmidt, M. Schon-
gauer S. 28 in Dohme „Kunst und Künstler" I.)
Bei der vom Verfasser im ganzen bewiesenen
Objektivität will ich wegen einzelner Sonderbar-
keiten mit ihm nicht allzusehr rechten. Dahin
gehören u. a. die Deuteleien S. 20, Alinea 8,
9 und 10 und der Versuch, den tiefen Ernst des
Christuskopfes der Predella damit zu erklären,
dafs letztere für einen Marienaltar bestimmt
gewesen sei, an welchem das strenge Antlitz
des Sohnes für die holdselige Milde der Mutter
Gottes als Folie habe dienen müssen (S. 6).
Den richtigen und sachgemäßen Erklärungs-
grund gibt er später selbst S. 18 und 20.
Die äufserst sorgfältig von einer nicht ge-
nannten Kunstanstalt ausgeführten Lichtdruck-
tafeln lassen die kunstgeschichtlich hohe Be-
deutung der Gemälde deutlich erkennen.
Viersen. Aldenkirchen.
Von Münzenberger's höchst opfer- und verdienst-
vollem Altarwerk („Zur Kenntnifs und Würdigung
der mittelalterlichen AltäreDeutschlands",
Frankfurt a. M., Kommissionsverlag von A. Fösser
Xachf., Folio) sind bereits 5 Lieferungen von je
24 Seiten und 10 Lichtdrucktafeln ä G Mark erschienen.
In ihnen hat der Verfasser den christlichen Altar und
seine einzelnen Theile in ihrer Entwickelung von der
altchristlichen Periode bis ungefähr an den Schlufs
des Mittelalters in Deutschland verfolgt, vornehmlich von
der Absicht geleitet, auf die neuen Altarbauten einen
heilsamen Einflufs auszuüben durch Hervorhebung der
Vorzüge, welche den alten eigen sind im Aufbau, in
der Ausstattung, in der Bemalung. Um das bezügliche
Material vollständig und genau kennen zu lernen, hat
der Verfasser keine Mühen und Opfer gescheut. Seiner
ohnehin schon Ubermäfsig besetzlen Zeit hat er die for-
cirtestenTouren abgerungen, auf denen er innerhalb der
weiten Grenzen des alten deutschen Reiches, namentlich
in den vorwiegend protestantischen Kreisen Mittel-und
Norddeutschlands persönlich Nachforschungen angestellt
hat. Staunenswerth sind die Resultate, die er ihnen
verdankt, in dem er weit über 2000 mittelalterliche
Altäre aufgesucht, ungefähr ein Drittel derselben
photographisch hat abbilden lassen, selbstverständlich
unter ganz enormen Kosten. Die Früchte seiner zum
Theil höchst überraschenden Beobachtungen und
Studien bietet er in dem gründlichen Text, die besten
der photographischen Aufnahmen in den meistens ganz
vortrefflichen Lichtdrucktafeln. Beide ergänzen sich
vorzüglich und bieten nicht nur den Archäologen,
sondern auch allen sonstigen Interessenten, namentlich
den Geistlichen und den ausübenden Künstlern einereiche
und durchaus zuverlässige Quelle der Belehrung und
die besten Anhaltspunkte für die Neuschöpfungen auf
diesem der Reform so überaus bedürftigen Gebiete.
— In zwei weiteren Lieferungen will der Verfasser
die Entwickelungsgeschichte zum Abschlüsse bringen.
An sie soll eine Zusammenstellung und kurze Beschrei-
bung sämmtlicher noch vorhandener Altäre sich an-
schliessen unter Berücksichtigung ihrer Art, Zeit, Meisler
u. s. w., also eine ungemeine Bereicherung des bezüg-
lichen Wissensschatzes. — Den Schlufs des.Werkes soll
eine Zusammenfassung der Resultate bilden, die sich
in kunsthistorischer, stilistischer, liturgischer, ikono-
graphischer, legendarischer Beziehung ergeben, also
eine höchst dankbare Bekrönung des verdienstlichen
Unternehmens. ., ,
An merk
Die Initiale A S. 1 ist dein Kodex 1G3 der
Kölner Dombibliothek entnommen, die in ihren
Anfängen bis in die Zeit des ersten Erzbischofs
von Köln Hildebold (785—819) zurückreicht und be-
kanntlich durch folgenden Artikel des Friedensvertrages
mit Hessen-Darmstadt vom 3. September 18GG wieder-
gewonnen wurde: „Die vor dem Jahre 1794 in der
kölnischen Dombibliothek befindlich gewesenen, zur
Zeit in dem grofsherzoglichen Museum und der grofs-
herzoglichen Bibliothek aufbewahrten Bücher, Hand-
schriften und Inventartenstücke werden der Regierung
Sr. Majestät des Königs für das Domkapitel zur
Verfügung gestellt." Sie umfafst 218 Bände, die
durch Jaffe und Wattenbach eine sorgfältige Katalo-
gisirung erfahren haben (Ecclesiae Metropolitanae
Coloniensis Codices manuscripti. Berolini 1874).
Mehrere Codices, besonders des X. bis XII. Jahrhun-
derts, sind mit herrlichen Miniaturen ausgestattet, von
denen bisher nur einzelne veröffentlicht sind, so dafs
unsere Zeitschrift ihnen noch manche Perle zu ent-
nehmen hat. Aufserdem liegt in ihnen geborgen ein
nur wenig bekannter und noch weniger benutzter höchst
kostbarer Schatz von Initialen des IX. bis XIV.
u n o- e 11.
Jahrhunderts, der allmählich in unserer Zeitschrift ver-
öffentlicht werden soll, indem jedes He ft wenigstens
eine derselben bringen wird, und zwar auf Grund
photographischer Aufnahme, also der zuverlässigsten
Nachbildung. Der vorliegende Grofsbuchstabe, der
den prachtvoll geschriebenen Pergamentkodex in Folio
mit „Josephi Anliquitatum libri XIV—XX" eröffnet,
bezeichnet den Höhepunkt der Pflanzenornamentik in
der Kalligraphie um die Mitte des XII. Jahrhunderts.
Den Grund bildet ein stumpfes Grün, ein kräftiges
Roth den Kern der trotz des dichten Rankengeflechtes
stark markirten Balken, sowie die Umsäumung der
Ranken und der fein slilisirten Blätter, die sich von
dem blauen Grunde der sie umgebenden Voluten vor-
züglich abheben. — So eröffnet die in Zeichnung wie
in Färbung mustergültige Initiale unsere Serie von
Beiträgen zur Geschichte der mittelalter-
lichen Buch-Ornamentik und damit zum vor-
bildlichen Material für die Ausstattung von Gedenk-
blättern, Adressen und dergl., welche durch die fest-
lichen Veranlassungen und Veranstaltungen unserer
Tage so oft verlangt und so selten in befriedigender
Weise ausgeführt werden,
188S.
ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST
Nr. 1.
48
ein Bild gemalt hat. (Vgl. W. Schmidt, M. Schon-
gauer S. 28 in Dohme „Kunst und Künstler" I.)
Bei der vom Verfasser im ganzen bewiesenen
Objektivität will ich wegen einzelner Sonderbar-
keiten mit ihm nicht allzusehr rechten. Dahin
gehören u. a. die Deuteleien S. 20, Alinea 8,
9 und 10 und der Versuch, den tiefen Ernst des
Christuskopfes der Predella damit zu erklären,
dafs letztere für einen Marienaltar bestimmt
gewesen sei, an welchem das strenge Antlitz
des Sohnes für die holdselige Milde der Mutter
Gottes als Folie habe dienen müssen (S. 6).
Den richtigen und sachgemäßen Erklärungs-
grund gibt er später selbst S. 18 und 20.
Die äufserst sorgfältig von einer nicht ge-
nannten Kunstanstalt ausgeführten Lichtdruck-
tafeln lassen die kunstgeschichtlich hohe Be-
deutung der Gemälde deutlich erkennen.
Viersen. Aldenkirchen.
Von Münzenberger's höchst opfer- und verdienst-
vollem Altarwerk („Zur Kenntnifs und Würdigung
der mittelalterlichen AltäreDeutschlands",
Frankfurt a. M., Kommissionsverlag von A. Fösser
Xachf., Folio) sind bereits 5 Lieferungen von je
24 Seiten und 10 Lichtdrucktafeln ä G Mark erschienen.
In ihnen hat der Verfasser den christlichen Altar und
seine einzelnen Theile in ihrer Entwickelung von der
altchristlichen Periode bis ungefähr an den Schlufs
des Mittelalters in Deutschland verfolgt, vornehmlich von
der Absicht geleitet, auf die neuen Altarbauten einen
heilsamen Einflufs auszuüben durch Hervorhebung der
Vorzüge, welche den alten eigen sind im Aufbau, in
der Ausstattung, in der Bemalung. Um das bezügliche
Material vollständig und genau kennen zu lernen, hat
der Verfasser keine Mühen und Opfer gescheut. Seiner
ohnehin schon Ubermäfsig besetzlen Zeit hat er die for-
cirtestenTouren abgerungen, auf denen er innerhalb der
weiten Grenzen des alten deutschen Reiches, namentlich
in den vorwiegend protestantischen Kreisen Mittel-und
Norddeutschlands persönlich Nachforschungen angestellt
hat. Staunenswerth sind die Resultate, die er ihnen
verdankt, in dem er weit über 2000 mittelalterliche
Altäre aufgesucht, ungefähr ein Drittel derselben
photographisch hat abbilden lassen, selbstverständlich
unter ganz enormen Kosten. Die Früchte seiner zum
Theil höchst überraschenden Beobachtungen und
Studien bietet er in dem gründlichen Text, die besten
der photographischen Aufnahmen in den meistens ganz
vortrefflichen Lichtdrucktafeln. Beide ergänzen sich
vorzüglich und bieten nicht nur den Archäologen,
sondern auch allen sonstigen Interessenten, namentlich
den Geistlichen und den ausübenden Künstlern einereiche
und durchaus zuverlässige Quelle der Belehrung und
die besten Anhaltspunkte für die Neuschöpfungen auf
diesem der Reform so überaus bedürftigen Gebiete.
— In zwei weiteren Lieferungen will der Verfasser
die Entwickelungsgeschichte zum Abschlüsse bringen.
An sie soll eine Zusammenstellung und kurze Beschrei-
bung sämmtlicher noch vorhandener Altäre sich an-
schliessen unter Berücksichtigung ihrer Art, Zeit, Meisler
u. s. w., also eine ungemeine Bereicherung des bezüg-
lichen Wissensschatzes. — Den Schlufs des.Werkes soll
eine Zusammenfassung der Resultate bilden, die sich
in kunsthistorischer, stilistischer, liturgischer, ikono-
graphischer, legendarischer Beziehung ergeben, also
eine höchst dankbare Bekrönung des verdienstlichen
Unternehmens. ., ,
An merk
Die Initiale A S. 1 ist dein Kodex 1G3 der
Kölner Dombibliothek entnommen, die in ihren
Anfängen bis in die Zeit des ersten Erzbischofs
von Köln Hildebold (785—819) zurückreicht und be-
kanntlich durch folgenden Artikel des Friedensvertrages
mit Hessen-Darmstadt vom 3. September 18GG wieder-
gewonnen wurde: „Die vor dem Jahre 1794 in der
kölnischen Dombibliothek befindlich gewesenen, zur
Zeit in dem grofsherzoglichen Museum und der grofs-
herzoglichen Bibliothek aufbewahrten Bücher, Hand-
schriften und Inventartenstücke werden der Regierung
Sr. Majestät des Königs für das Domkapitel zur
Verfügung gestellt." Sie umfafst 218 Bände, die
durch Jaffe und Wattenbach eine sorgfältige Katalo-
gisirung erfahren haben (Ecclesiae Metropolitanae
Coloniensis Codices manuscripti. Berolini 1874).
Mehrere Codices, besonders des X. bis XII. Jahrhun-
derts, sind mit herrlichen Miniaturen ausgestattet, von
denen bisher nur einzelne veröffentlicht sind, so dafs
unsere Zeitschrift ihnen noch manche Perle zu ent-
nehmen hat. Aufserdem liegt in ihnen geborgen ein
nur wenig bekannter und noch weniger benutzter höchst
kostbarer Schatz von Initialen des IX. bis XIV.
u n o- e 11.
Jahrhunderts, der allmählich in unserer Zeitschrift ver-
öffentlicht werden soll, indem jedes He ft wenigstens
eine derselben bringen wird, und zwar auf Grund
photographischer Aufnahme, also der zuverlässigsten
Nachbildung. Der vorliegende Grofsbuchstabe, der
den prachtvoll geschriebenen Pergamentkodex in Folio
mit „Josephi Anliquitatum libri XIV—XX" eröffnet,
bezeichnet den Höhepunkt der Pflanzenornamentik in
der Kalligraphie um die Mitte des XII. Jahrhunderts.
Den Grund bildet ein stumpfes Grün, ein kräftiges
Roth den Kern der trotz des dichten Rankengeflechtes
stark markirten Balken, sowie die Umsäumung der
Ranken und der fein slilisirten Blätter, die sich von
dem blauen Grunde der sie umgebenden Voluten vor-
züglich abheben. — So eröffnet die in Zeichnung wie
in Färbung mustergültige Initiale unsere Serie von
Beiträgen zur Geschichte der mittelalter-
lichen Buch-Ornamentik und damit zum vor-
bildlichen Material für die Ausstattung von Gedenk-
blättern, Adressen und dergl., welche durch die fest-
lichen Veranlassungen und Veranstaltungen unserer
Tage so oft verlangt und so selten in befriedigender
Weise ausgeführt werden,