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Zeitschrift für christliche Kunst — 1.1888

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Beissel, Stephan: Das Karolingische Evangelienbuch des Aachener Münsters
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https://doi.org/10.11588/diglit.3545#0042

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1888. — ZEITSCHRIFT KÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr.

58

Die erste Haupteigenthümlichkeit desselben
bestellt darin, dafs die Rogationstage vor
Christi Himmelfahrt noch fehlen, eine
Litaneiprozession aber angegeben ist für
den 25. April, an dem damals noch nicht
das Fest des hl. Markus gefeiert wurde.
Ein beachtenswerther Beschlufs des
Aachener Konzils von 836 besagt: „Man
brachte die Frage über die Abbetung der
Allerheiligenlitanei und die Rogationstage
zur Besprechung. Einstimmig wurde von
Allen für gut befunden und beschlossen,
am 25. April jene Feier (die Prozession
und Abbetung der Litanei) nach Römischer
Sitte und nach dem Gebrauche unserer
Kirche nicht zu unterlassen."

Der Aachener Comes bietet also eine
Erläuterung zu dem Kanon jenes Konzils
und zeigt, dafs in der Karolingischen
Pfalzkapelle die Bittprozession nicht, wie
dies in der Gallikanischen Kirche Sitte
war, vor Christi Himmelfahrt, sondern am
25. April abgehalten wurde. Später ge-
wann der noch heute geltende Gebrauch
allgemeine Geltung, sowohl an dem Tage,
welchen man dem hl. Markus widmete,
als auch vor Christi Himmelfahrt solche
feierliche Bittgänge zu veranstalten.

Weitere Eigenthümlichkeiten des Comes
der „Karolingischen Handschrift" von
Aachen sind, dafs am Dienstage der
Charwoche die Leidensgeschichte nach
Markus noch nicht gelesen wird; die Sonn-
tage nach Pfingsten in vier Abtheilungen
gesondert, nicht nur nach dem Pfingst-
fest, sondern auch nach den Festen der
Apostelfürsten, des hl. Laurentius und des
hl. Cyprian gezählt werden, so dafs man
zuerst 2 Sonntage nach dem ersten, dann
aber fi, 5 und 7 nach den drei folgenden
Festen erhält; endlich steht die Vigil des
Weihnachtsfestes nicht am Anfange, son-
dern am Ende des Comes, der also mit
dem Evangelium der Christmesse beginnt.
Weiterhin fehlen in unserer Handschrift
noch folgende, in den liturgischen Kodices
des 10. und 11. Jahrhunderts verzeichneten
Heiligenfeste: Kreuzerfindung (3. Mai],

Vitus, Modestus und Crescenz (15. Juni),
Jakobus (25.Juli), Bartholomäus (24. August),
die Vigil und das Fest des hl. Matthäus
(2d. und 21. September), Mauritius (22. Sep-
tember), Remigius (1. Oktober), die Ueber-
tragung der hl. Petronella (8. Oktober),
Gereon (10. Oktober), die Vigil und das
Fest des Evangelisten Lukas sowie der
Apostel Simon und Judas (17., 18., 27. und
28. Oktober), Vigil und Fest Allerheiligen
sowie Thomas (21. Dezember). Die erst in
der zweiten Hälfte des Mittelalters in die Ka-
lendarien eingefügten nichtrömischen oder
spätem Heiligen fehlen natürlich sämmtlich.
Freilich finden sich diese Eigenthüm-
lichkeiten in den meisten Comes-Verzeich-
nissen der Karolingischen und in den
altern der Ottonischen Zeit. Man stöfst
aber bei genauerer Untersuchung in jedem
Comes auf besondere Merkmale. Auf-
fallender Weise zeigt sich nun, dafs der
Comes der Karolingischen Handschrift des
Aachener Stiftes fast wörtlich mit dem
von Liuthar dem Kaiser Otto I. (oder III. ?)
geschenkten Kodex derselben Kirche über-
einstimmt, obgleich in letzterm kleinere,
auf spätere Zeit deutende Aenderungen
sich finden. Beispielsweise läfst der Otto-
nische Kodex oft die im andern Kodex
regelmäfsig angegebenen römischen Sta-
tionen aus, bietet er Evangelien für die
Sonntage nach den Quatembertagen, nennt
er das Fest Maria Himmelfahrt nicht mehr,
wie es früher Sitte war, „pausatio", sondern
„assumptio". Beide schon mit Rücksicht
auf ihren Text in auffallender Weise über-
einkommenden Handschriften gleichen sich
ebenso in den Aeufserlichkeiten. Die ältere
hat 0,300 m Blatthöhe, 0,217 Breite,
0,195 Texthöhe, 0,115 Breite ohne die
Anfangsbuchstaben und bei 0,010 Linien-
abstand 21 Zeilen auf- jeder Seite. In
der jüngeren, deren Schrift freilich'kleiner
und regelmäfsigcr ist, stellen sich die
Verhältnisse fast ebenso: Blatthöhe 0,305,
Breite 0,240, Texthöhe 0,195, Breite 0,120
ohne Initialien, Linienabstand 0,009<—0,011
bei 20 Zeilen auf jeder Seite.
 
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