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1888. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST _ Nr. 2.
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vorgenommen, dafs es mitunter nicht unerheb-
liche Schwierigkeiten verursacht, sich ein Bild
der ersten Anlage zu schaffen. Die zierlichen,
kleinen, von sog. „Vorhängebögen" umrahmten
Fenster mufsten plumpen, weiten, viereckigen
Lichtöffnungen weichen, geschnitzte Consolen,
Schwellen und Gesimse, welche schadhaft ge-
worden, erhielten eine glatte Brettverschaalung,
bildliche Darstellungen in Wandfüllungen ver-
schwanden unter Mörtelputz, und schliefslich
wurde das Ganze mit einer steingrauen Oel-
farbe überdeckt, so dafs der wirkliche Charakter
des Holzhauses nicht mehr völlig gewahrt er-
schien. Wie auf so vielen Gebieten der- Kunst
und des Kunsthandwerkes sich unsere Zeit es
angelegen sein läfst, Zerstörtes und Verdorbenes
wieder herzustellen, so sollten auch die be-
redten Zeugen von Hildesheims künstlerischer
Vergangenheit nicht dem Schicksal des Ver-
falles und der Vergessenheit entgegengehen.
Seit dem Tage, wo das Knochenhauer Amt-
haus, die Perle aller Holzhäuser, nahe daran
war, dem verzehrenden Feuer zum Opfer zu
fallen, und nachdem das zum Tlieil eingeäscherte
Gebäude auf Kosten der Stadt in glänzender
Weise wiederhergestellt worden ist, hat der Sinn
und die Erkenntnifs für die Schönheit und den
Werth der alten Holzbauten Hildesheims in den
Kreisen seiner Bürgerschaft sich gehoben. P^s
zeigte sich dies im vorigen Jahre gelegentlich
des geplanten Abbruches eines überaus inter-
essanten, wenn auch nicht künstlerisch schönen,
jedoch für die äufsere Erscheinung der Haupt-
strafse der Stadt charakteristischen Hauses, der
Rathsweinschenke, zum Zwecke eines landläu-
figen Neubaues; glücklicherweise führten Ver-
handlungen der Stadtverwaltung mit dem Be-
sitzer dahin, dafs die alte, mit Schnitzwerk
überreich ausgestattete Front beim Neubau er-
halten und mit Farbenschmuck ausgestattet
wurde. Die erwähnten Vorgänge gaben den
Anstofs zur Bildung eines „Vereins zur Erhal-
tung der Kunstdenkmäler Hildesheims", dessen
Mitglieder allen Kreisen der Bürgerschaft an-
gehören, und dessen Vorstand zum gröfsten
Theil aus Künstlern und Kunstverständigen sich
zusammensetzt. Zur Aufgabe hat sich der Verein
gestellt, aus seinen durch Beiträge aufzubrin-
genden Mitteln und mit Unterstützung der Haus-
eigenthümer das Aeufsere bemerkenswerther
Holzbauten so wieder in Stand zu setzen, dafs
sowohl das Eigenartige der Konstruktion als
auch das Schnitzwerk genügend in die Erschei-
nung tritt, was nur durch das Zusammenwirken
verschiedener Farben zu erzielen ist.
Bei der Wiederherstellung von Gebäuden
dieser Gattung gilt es denn vor allen Dingen,
durch Abätzen, Abbrennen und Abschaben der
im Laufe der Jahrhunderte massenhaft aufge-
tragenen Oelfarbe, das wirklich alte und rich-
tige Ornament zu ermitteln. Weiterhin werden
versteckt gelegene Schnitzereien durch Abtra-
gung von Dachüberständen sichtbar gemacht,
und schlicht verputzte Flächen daraufhin unter-
sucht, ob sie nicht eine Umhüllung von künst-
lerisch werthvollem Bildwerk seien. Eine Nach-
forschung letzterer Art hat an einer bis dahin
kaum beachtenswerthen Hausfront eine Reihe
sehr schöner, und bis jetzt vereinzelt dastehen-
der Darstellungen aus Ovids Metamorphosen zu
Tage gefördert.
Nach Säuberung einer Hausfront von der
anhaftenden Farbe, sowie nach Ergänzung feh-
lender Schnitzarbeiten und Konstruktionstheile
wird das Holzwerk, welches meistens wegen
seines Alters gegen die Witterungseinflüsse zu
schützen ist, mit einem Oelfarbenanstrich ver-
sehen, der einen holzartigen Ton besitzt, als-
dann werden die geputzten Flächen in einem
entsprechenden hellen Ton dagegen abgesetzt,
schliefslich die Schnitzereien durch verschiedene
Farben unter sparsamer Verwendung des Gol-
des, hervorgehoben, welch' letzteres zumeist
dazu dient, Inschriften weithin leserlich zu
machen. Eine ganz besondere Sorgfalt wird
auf die Bemalung der Wappen gelegt, welche
stets nach genauen Angaben eines Heraldikers
erfolgt.
Auf diese Weise hat im verflossenen Jahre
eine stattliche Reihe Häuser ein ganz anderes
Ansehen bekommen. Es sind wiederhergestellt:
1) auf Kosten der Regierung 4 Kurien in der
Umgebung des Domhofes, durch die Kloster-
kammer in Hannover das Pfarrhaus zu St. Gode-
hard, 2) durch die Stadt der Erker am Rath-
hause und die Rathsweinschenke, 3) durch den
oben erwähnten Verein 8 Häuser, darunter das
imposante Wedekin'sche Haus am Rathhaus-
platze und eine sehr reizvolle Häusergruppe am
Andreaskirchplatze, 4) durch Private 7 Häuser,
darunter dasjenige zum „neuen Schaden", durch
Eigenart seiner der Renaissancezeit angehören-
den Schnitzwerke besonders beachtenswerth.
Nicht minder aber verdienen zwei Häuser aus
1888. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST _ Nr. 2.
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vorgenommen, dafs es mitunter nicht unerheb-
liche Schwierigkeiten verursacht, sich ein Bild
der ersten Anlage zu schaffen. Die zierlichen,
kleinen, von sog. „Vorhängebögen" umrahmten
Fenster mufsten plumpen, weiten, viereckigen
Lichtöffnungen weichen, geschnitzte Consolen,
Schwellen und Gesimse, welche schadhaft ge-
worden, erhielten eine glatte Brettverschaalung,
bildliche Darstellungen in Wandfüllungen ver-
schwanden unter Mörtelputz, und schliefslich
wurde das Ganze mit einer steingrauen Oel-
farbe überdeckt, so dafs der wirkliche Charakter
des Holzhauses nicht mehr völlig gewahrt er-
schien. Wie auf so vielen Gebieten der- Kunst
und des Kunsthandwerkes sich unsere Zeit es
angelegen sein läfst, Zerstörtes und Verdorbenes
wieder herzustellen, so sollten auch die be-
redten Zeugen von Hildesheims künstlerischer
Vergangenheit nicht dem Schicksal des Ver-
falles und der Vergessenheit entgegengehen.
Seit dem Tage, wo das Knochenhauer Amt-
haus, die Perle aller Holzhäuser, nahe daran
war, dem verzehrenden Feuer zum Opfer zu
fallen, und nachdem das zum Tlieil eingeäscherte
Gebäude auf Kosten der Stadt in glänzender
Weise wiederhergestellt worden ist, hat der Sinn
und die Erkenntnifs für die Schönheit und den
Werth der alten Holzbauten Hildesheims in den
Kreisen seiner Bürgerschaft sich gehoben. P^s
zeigte sich dies im vorigen Jahre gelegentlich
des geplanten Abbruches eines überaus inter-
essanten, wenn auch nicht künstlerisch schönen,
jedoch für die äufsere Erscheinung der Haupt-
strafse der Stadt charakteristischen Hauses, der
Rathsweinschenke, zum Zwecke eines landläu-
figen Neubaues; glücklicherweise führten Ver-
handlungen der Stadtverwaltung mit dem Be-
sitzer dahin, dafs die alte, mit Schnitzwerk
überreich ausgestattete Front beim Neubau er-
halten und mit Farbenschmuck ausgestattet
wurde. Die erwähnten Vorgänge gaben den
Anstofs zur Bildung eines „Vereins zur Erhal-
tung der Kunstdenkmäler Hildesheims", dessen
Mitglieder allen Kreisen der Bürgerschaft an-
gehören, und dessen Vorstand zum gröfsten
Theil aus Künstlern und Kunstverständigen sich
zusammensetzt. Zur Aufgabe hat sich der Verein
gestellt, aus seinen durch Beiträge aufzubrin-
genden Mitteln und mit Unterstützung der Haus-
eigenthümer das Aeufsere bemerkenswerther
Holzbauten so wieder in Stand zu setzen, dafs
sowohl das Eigenartige der Konstruktion als
auch das Schnitzwerk genügend in die Erschei-
nung tritt, was nur durch das Zusammenwirken
verschiedener Farben zu erzielen ist.
Bei der Wiederherstellung von Gebäuden
dieser Gattung gilt es denn vor allen Dingen,
durch Abätzen, Abbrennen und Abschaben der
im Laufe der Jahrhunderte massenhaft aufge-
tragenen Oelfarbe, das wirklich alte und rich-
tige Ornament zu ermitteln. Weiterhin werden
versteckt gelegene Schnitzereien durch Abtra-
gung von Dachüberständen sichtbar gemacht,
und schlicht verputzte Flächen daraufhin unter-
sucht, ob sie nicht eine Umhüllung von künst-
lerisch werthvollem Bildwerk seien. Eine Nach-
forschung letzterer Art hat an einer bis dahin
kaum beachtenswerthen Hausfront eine Reihe
sehr schöner, und bis jetzt vereinzelt dastehen-
der Darstellungen aus Ovids Metamorphosen zu
Tage gefördert.
Nach Säuberung einer Hausfront von der
anhaftenden Farbe, sowie nach Ergänzung feh-
lender Schnitzarbeiten und Konstruktionstheile
wird das Holzwerk, welches meistens wegen
seines Alters gegen die Witterungseinflüsse zu
schützen ist, mit einem Oelfarbenanstrich ver-
sehen, der einen holzartigen Ton besitzt, als-
dann werden die geputzten Flächen in einem
entsprechenden hellen Ton dagegen abgesetzt,
schliefslich die Schnitzereien durch verschiedene
Farben unter sparsamer Verwendung des Gol-
des, hervorgehoben, welch' letzteres zumeist
dazu dient, Inschriften weithin leserlich zu
machen. Eine ganz besondere Sorgfalt wird
auf die Bemalung der Wappen gelegt, welche
stets nach genauen Angaben eines Heraldikers
erfolgt.
Auf diese Weise hat im verflossenen Jahre
eine stattliche Reihe Häuser ein ganz anderes
Ansehen bekommen. Es sind wiederhergestellt:
1) auf Kosten der Regierung 4 Kurien in der
Umgebung des Domhofes, durch die Kloster-
kammer in Hannover das Pfarrhaus zu St. Gode-
hard, 2) durch die Stadt der Erker am Rath-
hause und die Rathsweinschenke, 3) durch den
oben erwähnten Verein 8 Häuser, darunter das
imposante Wedekin'sche Haus am Rathhaus-
platze und eine sehr reizvolle Häusergruppe am
Andreaskirchplatze, 4) durch Private 7 Häuser,
darunter dasjenige zum „neuen Schaden", durch
Eigenart seiner der Renaissancezeit angehören-
den Schnitzwerke besonders beachtenswerth.
Nicht minder aber verdienen zwei Häuser aus