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Zeitschrift für christliche Kunst — 1.1888

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151

1888.

ZEITSCHRIFT KÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.

15-2

dies das Denkmal des Bischofs von Scherenberg, im Dom
zu Würzburg, ein vortreffliches, herrliches Werk, noch
ganz in gothischem Styl gehalten. (Es kostete 250 fl.)

Der Vermittlung des Würzburger Bischofs Lorenz
v. Bibra, der das Denkmal seines Vorgängers bei
Riemenschneider bestellt hatte, dem er sehr gewogen
war, wird es wohl zuzuschreiben sein, dafs Riemen-
schneider im Jahre 1499 vom Bischöfe von Bamberg
Grofs von Trokau, den ehrenvollen Auftrag erhielt, ein
prächtiges Grabmal für Kaiser Heinrich II. und seine
Gemahlin Kunigunde im Dom zu Bamberg zu fertigen.
Dieses Werk, erst 1513 fertig gestellt, dürfte wohl
als das hervorragendste des Künstlers bezeichnet werden.
Schon Waagen (Kunstwerke und Künstler in Deutschland,
Leipzig 1843, I. 84) sagt darüber: „Das Ganze gehört
ohne Zweifel zu den vorzüglichsten Werken, welche die
deutsche Skulptur in dieser Zeit hervorgebracht hat."

Hervorragende Kunstwerke sind noch die beiden
Fliigelaltäre in der St. Jakobskirche zu Rothenburg,
der Altar mit dem Tode Maria und der sogen. Blut-
altar, von denen der erstere 1495 und der zweite 1500
in Auftrag gegeben wurde.

Diesen beiden Altarwerken schliefst sich würdig an das
in der Kirche zu Detwang (bei Rothenburg) befindliche,
mit einer herrlichen Mittelgruppe der Kreuzigung.

Alle diese Arbeiten zeugen noch von treuer Be-
wahrung der überkommenen künstlerischen Tradition.
Erst bei dem Grabstein des 1519 verstorbenen Fürst-
bischofs Lorenz von Bibra, das dem Scherenberg'schen
in der ganzen reichen Anlage verwandt ist, sind die
architektonischen Formen die einer spielenden Früh-
renaissance mit der unentbehrlichen Zuthat nackter
Engelchen. Dagegen ist das zur selben Zeit entstandene
Denkmal des 15 lü verstorbenen berühmten Trithemius
noch gothisch gehalten, sowie derselbe Charakter auch
noch dem ausgezeichneten Hochrelief Riemenschneiders,
das in der ehemaligen Klosterkirche zu Maidbrunn
sich findet und dem Jahre 1525 angehört, an-
haftet. Dagegen wechseln auf dem anmuthigen Schnitz-
werk, das Riemenschneider für die Wallfahrtskirche
der hl. Jungfrau auf dem Kirchberge bei Volkach
1521 anfertigte, einem schönen Marienstandbild, von
musizirenden Engeln umgeben und von einem ovalen
Kranze weifser Rosen mit fünf runden Medaillon-Reliefs
umschlossen, nackte Engel mit bekleideten ab, wobei
es aber keinem Zweifel unterliegt, dafs die letzteren
künstlerisch unvergleichlich höher stehen. Riemen-
schneider gehört eben trotz solcher renaissancistischen
Allüren noch ganz und voll der alten Kunst an.

In Baden schreibt Weber mit Bestimmtheit das
vortreffliche Grabmal der Gräfin Dorothea von Wert-
heim (j" 1503) im Chore der Kirche zu Grünsfeld
Riemenschneider zu.

Im Museum zu Darmstadt findet sich eine Kreuzigungs-
gruppe, die zu den besten Werken des Künstlers gehört.

Eine seiner schönsten Madonnenfiguren, früher in einer
Stiftskurie zu Würzburg, besitzt das Städel'sche Institut zu
Frankfurt, und einen interessanten Annaaltar, den Riemen-
schneider ursprünglich wohl für die Kapelle der hl. Anna
in Rothenburg gefertigt hatte, der Dom zu Limburg.

Endlich besitzt auch Württemberg zwei der be-
deutendsten Meisterwerke Riemenschneiders, die beiden
F"lügelaltäre in der sogen. Hergottskirche zu Creglingen
(nicht weit von Rothenburg), und in der Kilianskirche
zu Heilbronn. (Beide Orte gehörten früher zum Bis-
thum Würzburg.) Auf der Rückseite der Hauptfigur
des erstem Altars, der die Himmelfahrt Maria darstellt,
findet sich die Zahl 1487 eingeschrieben, welches Jahr
daher von Weber als das der Entstehung dieses vor-
züglichen Werkes angesehen wird. Das mag für das
F'igurenwerk richtig sein, für den architektonischen,

nicht weniger schönen Aufbau trifft dies, wie uns
scheint, nicht zu. Die in demselben allenthalben auftre-
tenden gewundenen und ausspringenden Fialen kommen
in solcher Entwicklung unseres Wissens erst gegen
1500 vor. Sowie beim Blutaltar in Rothenburg Riemen-
schneider nur das Figurenwerk übernommen hatte,
während ein Rothenburger Meister den Schrein selbst
und die Ornamente zu liefern hatte, so kann es auch
ganz wohl beim Creglinger Altar der Fall gewesen sein,
und es läfst sich darum leicht annehmen, was bei mittel-
alterlichen Altären ja so häufig vorkommt, dafs das
Altarwerk nicht auf einmal angefertigt worden ist,
sondern dafs zuerst der Schrein mit seinen Flügeln
aufgestellt worden ist und dafs erst 10 oder 15 Jahre
später der Aufsatz über dem Schrein angefertigt wurde.

In glänzender Weise wetteifert mit diesem Creg-
linger Altar der Heilbrunner. Beide gehören ohne
Zweifel zu den schönsten Schnitzaltären, die wir über-
haupt in Deutschland haben. Im Altarschrein zu Heil-
bronn stehen 5 herrliche Figuren, in der Mitte Maria.
Weber sagt darüber: „Diese Figuren sind grofsartig
entworfen und mit hoher Meisterschaft durchgeführt."
Die auf den Flügeln befindlichen 4. Reliefdarstellungen,
Geburt des Herrn, Auferstehung, Ausgiefsung des
hl. Geistes und Tod Maria sind ebenso meisterhaft.
Ueber das ganze Werk ist, um nochmals mit Weber
zu reden, „eine Schönheit Kraft und Lebensfülle aus-
gegossen, dafs es zu den Meisterschöpfungen zu rechnen
ist, mit denen die nordische Kunst sich würdig der
gleichzeitigen italienischen anreihen kann."

Zu unserer Freude berichtigt dadurch Weber selbst
in etwa eine Aeufserung in der Einleitung zu seiner
Monographie S. 1, wo er sagt: „Was nun die Be-
schaffenheit der plastischen Werke der deutschen Kunst
angeht, so mufs man sagen, dafs der nordischen
Kunst in dieser Periode jene Gröfse und Würde der
Formen mangelt, welche die italienische sich anzueignen
wufste." Wir wollen der letzteren gern manche Vor-
züge lassen, aber nach unserer Ueberzeugung kann die
nordische Skulptur, wenigstens die religiöse, mit der
italienischen sowohl was die Hauptsache, die Grofs-
artigkeit der Auffassung und den geistigen Gehalt be-
trifft, als auch bezüglich der Technik durchaus rivali-
siren, und wir stehen nicht an, darin der nordischen
für diese Zeit sogar den Vorzug zu geben.

Bezüglich der im Kensington-Museum befindlichen
Riemenschneider'schen Gruppe, die Weber nach Bode
als „Ehepaar" bezeichnet, ist zu bemerken, dafs die-
selbe unzweifelhaft zu einer Darstellung der hl. Sipp-
schaft gehörte und als St. Anna und Joachim aufzufassen
ist, wie Bode im spätem Texte zu jener Abbildung
(Geschichte der Plastik S. 16H) auch berichtigt.

Für die hoffentlich bald schon nothwendig werdende
3. Auflage der Weber'schen Monographie über Riemen-
schneider sprechen wir den dringenden Wunsch aus,
dafs die kleinen Holzschnitt-Abbildungen der Riemen-
schneider'schen Altäre zu Rothenburg und Creglingen
durch möglichst grofse Photographien ersetzt werden
mögen, sowie ja auch die erste Auflage diese Altäre in
photographischer, allerdings sehr kleiner Abbildung
gebracht hatte. Hoffentlich wird uns der Herr Ver-
fasser dann auch mit guten Nachbildungen der Riemen-
schneider'schen Altarwerke zu Bibra, Münnerstadt und
namentlich des Hochaltars zu Heilbronu erfreuen, den
er als. das „schönste Werk des Künstlers und als eines
der herrlichsten Werke deutscher Kunst" bezeichnet.

Wir scheiden von der interessanten Arbeit Webers
mit dem lebhaften Wunsche, dafs der Herr Verfasser
die deutsche Kunstgeschichte noch' mit weitern Spezial-
forschungen ähnlicher Art bereichern möge.

Frankfurt. Geistl. Rath E. F. A. M ü n z e n b e r g e r.
 
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