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Zeitschrift für christliche Kunst — 1.1888

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Beissel, Stephan; Stummel, Friedrich: Die Farbengebung bei Ausmalung der Kirchen, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3545#0101

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165

1888.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 5.

166

mit Weifs gemischte Farbe. In den Gesimsen
und Kapitalen trug ein schwarzblauer Grund
das vergoldete Blattwerk. Er umsäumte auch
die Schlufssteine, welche bunte Figuren ent-
hielten oder mit vergoldetem Laubwerk geziert
waren. Gewölbekappen und Wände blieben
weifs getüncht. Nur auf einzelnen Flächen hat
man unbedeutende Spuren von Wandmalereien
entdeckt, welche die Stelle von Erinnerungs-
steinen oder Votivbildern vertraten. Als es sich
um einen neuen Anstrich handelte, wurde vor-
geschlagen, hellere graue Töne an die Stelle
der alten, angeblich zu dunkelen zu setzen, statt
des schwarzblauen Hintergrundes dem Blattwerk
einen solchen von hellrother Farbe zu geben,
und ähnliche vorgebliche Verbesserungen zu
unternehmen. Zur Probe sind in der That
einzelne Säulen und Gesimse nach der ge-
wünschten neuen Art angestrichen worden. Alle
einigten sich aber bald dahin, dafs der kräftige
alte Ton die wesentlichen Bautheile am schönsten
aus und neben den weifsen Wandflächen her-
vorwachsen lasse. Heute ist das Innere mit
den einfachsten Mitteln, aber im engsten An-
schlufs an das Alte in gelungener Weise würdig
hergestellt.

Die um das Jahr 1532dekorirte Sakristei der
vorgenannten Victorskirche zeigt, wie das
eben beschriebene System zu reicherer Wirkung
entwickelt werden kann. Ihre Gewölberippen sind
in demselben grauen Ton gehalten, der auch
in der Kirche für die Hauptglieder in Anwen-
dung kam. Sie schneiden sich in buntbemalten
Schlufssteinen und enden auf der Mauer in
einem aufgemalten Viereck, das einen grofsen
Haustein nachahmt, aus dem die Rippen sich
herauslösen. Aus den Ecken der Gewölbe-
kappen steigt Rankwerk mit Blumen auf.')

Einen weiteren Schritt auf dieser Bahn
macht die um 1450 ausgemalte Kapelle des
Herzogs von Burgund in Antwerpen.
Die Seitenflächen, womit ihre bunten Rippen
aus den Kappen hervortreten, erhielten rothe
Farbe, dann folgt eine dunkelblaue Kehle und
ein vergoldeter Birnstab. Aehnlich sind die
Schlufssteine behandelt. Gewölbe und Wand-
flächen tragen auf weifsem Grund feines goldenes
Rankenwerk, worin einige bunte Wappen hängen.
Ein bis auf Manneshöhe reichender, in bunten

') Nähere Nachrichten in Beisse] „Geschichte der
Ausstattung der Kirche des heil. Victor zu Xanten"
S. 105.

Farben gemalter Teppich versieht die Stelle eines
kräftigen Sockels.2)

Das glänzendste Beispiel rein dekorativer
Polychromie findet sich in der Pariser Sa inte
Chapelle, jenem Juwel der französischen
Gothik. Ueber ihre blauen Gewölbekappen sind
goldene Sterne gestreut; in den Gurten und
Rippen sind die Stäbe golden, die schrägen
Flächen roth, die Hohlkehlen blau. Alle Wand-
flächen hat der Baumeister in grofse Fenster
verwandelt, in deren Verglasung Blau vor-
herrscht. Pfosten und Mafswerk hat man mit
violettem Caput mortuum, den äussersten Fen-
sterstab grün angestrichen, beide Farben aber
mit Gold gemustert. Von den drei verbundenen
Diensten, welche je zwei Fenster scheiden und
bis zum Gewölbe aufsteigen, haben die beiden
äufsern einen goldenen Grund, während der
mittlere entweder roth oder blau grundirt und
reich ornamentirt ist. Unter den Fenstern ziehen
sich zierliche Blendarkaden hin, deren vergol-
dete Säulchen und Bogen oben blaue Flächen
umsäumen, tiefer nach unten dagegen ein roth,
violett, gelb und grün zusammengesetztes Tep-
pichmuster einschliefsen. Die Flächen und die
tragenden Glieder sind also hier so voneinander
geschieden, dafs erstere durchgängig blau, letztere
golden und roth gefärbt erscheinen.

Die Maler unterscheiden warme und kalte
Farben. Zu den warmen rechnen sie: Roth,
Orange, Gelb, zu den kalten dagegen: Blau.
Grün gehört, jenachdem Gelb oder Blau, —
Violett, jenachdem Roth oder Blau vorwiegt, zu
den warmen oder kalten Tönen. Grün und Violett
haben die Aufgabe, zwischen den Hauptfarben als
vermittelnde und beruhigende Uebergänge be-
scheiden sich einzuordnen.

Diese Farben sind nun in der Sainte Cha-
pelle so vertheilt, dafs in den Flächen die
kalten, in den tragenden Gliedern die warmen
vorherrschen. Ueberdies stehen in den warmen
Farben Roth und Gold sich fast immer so
gegenüber, dafs sie abwechseln, wie die alten
Heraldiker es verlangten. Das Gold wird auch
bei Blau und Grün als Trennungsglied und
innere Zierfarbe verwandt.

In Deutschland besafs man ein sehr lehr-
reiches, freilich viel einfacheres Beispiel solcher

2) Die grofse Publikation „Notice sur la chapelle
de Bourgogne a Anvers" bietet trotz ihrer reich aus-
geführten Farbenlafeln keine befriedigende Anschauung
von dem wirklichen Aussehen der Kapelle.
 
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