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Zeitschrift für christliche Kunst — 1.1888

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Sträter, Ludwig: Martin Schongauer
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https://doi.org/10.11588/diglit.3545#0104

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171

1888.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 5.

172

Schongauer.

|lle neueren
darin überein, dafs Martin Schon-
gauer der hervorragendste deutsche
Künstler des XV. Jahrhunderts auf
dem Gebiet der zeichnenden Künste gewesen
ist. Als solcher wurde er schon zu seinen Leb-
zeiten und im Anfang des XVI. Jahrhunderts be-
trachtet, wie aus den Berichten der Sachverstän-
digen und aus der häufigen Nachbildung nament-
lich seiner Kupferstiche in dem letzten Viertel
des XV. und dem ersten des XVI. Jahrhunderts
durch die hervorragendsten Künstler unzwei-
deutig hervorgeht. Wir wissen sogar aus dem
Berichte vonVasari, dafs M. Angelo sichveranlafst
fand, den grofsen Kupferstich Schongauers mit
dem heil. Antonius in Farbe zu setzen, welches
Gemälde sich noch jetzt in der Privatsammlung
zu Paris beim Baron Triqueti erhalten hat.

Allem Anscheine nach war der Ruf des
M. S. im XVII. und XVIII. Jahrhundert nicht ge-
wachsen, und es blieb unserer Zeit und strengerer
Kritik vorbehalten, in M. S. einen deutschen
Meister ersten Ranges zu verehren, dessen nach-
gelassene Kunstwerke eine stets wachsende
Verehrung in allen Kulturstaaten gefunden. Es
ist deshalb motivirt, wenn unsere Zeitschrift eine
Skizze des Lebens und der Kunstleistungen
dieses hervorragenden Meisters vorlegt.

In Betreff der Herkunft Martin Schongauers,
kurzweg Martin Schön, auch hübscher Martin,
sowie il buon Martino in den Werken früherer
Schriftsteller so benannt wegen seiner schönen
Kunstprodukte, wissen wir, dafs sein Vater aus
einer angesehenen Familie in Augsburg stammend,
sich in Colmar niederliefs, und dort 1445 das
Bürgerrecht erwarb. Aus diesem Datum hat man
den Schlufs gezogen, dafs M. S. nicht früher
als 1446 geboren sein könne, da in Archiven
von Colmar wohl von der Erwerbung des Bürger-
rechts seitens des Vaters, nicht aber des Sohnes
Erwähnung geschieht. Dieser Schlufs erscheint
mir nicht berechtigt, denn mit der Erwerbung
des Bürgerrechts seitens des Vaters ging dasselbe
doch wohl ohne Zweifel auf seine minorennen
Kinder über. Man ist deshalb wohl befugt
mit Harzern (in seinem Artikel über Zeitblom
in Naumann's Archiv 1860) das Jahr 1440 als
Geburtsjahr von M. S. anzunehmen. Mit dieser
Annahme schwinden denn auch die Bedenken, die

Martin

Mit Lichtdruck (Tafel IX).
Schriftsteller stimmen man gegen die Aussage L. Lombards erhoben hat,

der 1564 an Vasari schreibt, dass M. S. Schüler
des damals in Brüssel lebenden Rogier van der
Weyden gewesen sei. Nun ist es wahrscheinlich,
dafs M. S. zuerst Schüler des Malers Caspar
Isemann gewesen, der seit 1436 Bürger in Colmar
war. Als er etwa 19 Jahre alt war, ging er
auf die Wanderschaft nach Brüssel zu Rogier
van der Weyden, dessen Behandlungs- und An-
schauungsweise in mehreren seiner Werke un-
zweideutig zu erkennen ist, u. A. namentlich
in der Madonna der St. Martinskirche zu Colmar,
und in dem Kupferstich mit der Grablegung
(Bartsch 18). Auf der Reise nach Brüssel oder
auf der Rückkehr von dort scheint er auch
Köln berührt zu haben, wo er die Gemälde der
Meister Wilhelm und Stephan kennen lernte.
Von der Reise zurückgekehrt gründete er in seiner
Vaterstadt Colmar eine Maler- und Stecherwerk-
stätte, die zahlreich besucht wurde, was ihn aber
nicht hinderte, in benachbarten Städten für Kirchen
zu arbeiten. So erklärt es sich, dafs er in Breisach
im Elsafs starb am 2. Februar 1491.

Wenn wir nun nach seinen Gemälden fragen,
so ist die Anzahl derselben gegenwärtig sehr
klein, obschon wir wissen, dafs er während seines
ganzen Lebenslaufs mit Malen beschäftigt war;
denn sein Landsmann und Zeitgenosse Wimphe-
ling schreibt im Jahre 1505, dafs M. S.'s
Gemälde (depictae tabulae) nach Italien, Spanien,
Frankreich, England und anderen Ländern der
Welt verkauft wurden. Jetzt können wir kaum
ein Dutzend Tafelbilder als unzweifelhaft von
ihm gemalt anführen, und nur ein einziges, die
Madonna im Rosenhag der Kirche St. Martin
in Colmar ist urkundlich beglaubigt. In Wien,
Paris und München sind einzelne Bilder von
ihm, so wie im Museum von Colmar mehrere,
die auf Echtheit Anspruch machen können. In
der Londoner National - Galerie wird ihm der
„Tod Mariens" zugeschrieben. Dieses Bild stammt
aus der Sammlung Beaucousin in Paris. Nach
meiner Meinung ist es eine nicht bedeutende
Kopie nach dem Kupferstiche Bartsch 33 mit
einigen Variationen, und ist von späterem Datum.
Janitschek in einer vortrefflichen Abhandlung
über Martin Schön in Dohme's Geschichte der
deutschen Kunst hält die Grablegung im Museum
zu Colmar für echt, ich dagegen für eine Arbeit
 
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