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Zeitschrift für christliche Kunst — 1.1888

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Effmann, Wilhelm: Die alte Jakobikapelle zu Gielsdorf bei Bonn
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https://doi.org/10.11588/diglit.3545#0124

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205

1888.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 6.

206

oben fuhrt, zugänglich vom Schiffe der Kirche,
eine in seiner Ostmauer ausgesparte, sehr enge
und unbequeme Wendeltreppe. Die schmalen
schiefsschartenartigen Fensteröffnungen der bei-
den mittleren Geschosse widersprechen nicht
der geschichtlichen Ueberlieferung, dafs der
Oberbau des Thurmes als Gefängnifs für Ver-
brecher benutzt worden sei. „Capella (sc.
turris) in Gielstorff, quae ab ante, ut antiqua
monumenta referunt, erat receptabulum delin-
quentium", so heifst es nämlich im Kirchenbuch
Nr. IV. von Lessenich. Mit diesem Zwecke
könnte dann auch die auf der Nordseite des
Thurmes sichtbare, gegenwärtig vermauerte Thür-
öffnung in Zusammenhang gestanden haben. Das
oberste Geschofs, welches als Glockenstube dient,
zeigt auf jeder der 4 Seiten eine Fensteröffnung
in der bekannten, an der Münsterkirche zu Essen
in Deutschland zuerst nachgewiesenen Form.
Die Mittelsäule, auf welche sich mittels eines
Kämpferstücks die unter dem gemeinsamen Bogen
zusammengefaßten kleineren Bögen stützen, hat
eckblattlose Basis und Würfelkapitell. (Fig. 6.)
Das Aeufsere des Thurmes, welcher in einem
Pyramidendache seinen Abschlufs findet, ist in
einfachen Formen gehalten. Der obere Theil
wird durch eine Lisenen- und Bogen-Architektur
belebt, der untere besitzt dagegen keinerlei Aus-
bildung. Auch das Fangschiff weist nur schmuck-
lose Facaden auf. Besonders in die Augen
fällt hier die grofse Höhe des Sockels: derselbe
reicht bis zur halben Höhe der Schiffsmauer
empor. Ein Blick auf den Querschnitt zeigt,
dafs es konstruktive Momente sind, welche zu
dieser Anordnung geführt haben. Durch die
Gurtbogenvorlage, durch die innere Nischen-
anlage und die Höherführung der Plinthe im
Aeufseren ist ein nach der Stützlinie geformtes
Widerlager gewonnen worden: ein Beleg dafür,
wie früh man auch in Deutschland an die Lösung
des Problems einer rationellen Gewölbetechnik
herangetreten ist. Denn der Frühzeit der Bau-
kunst in deutschen Landen gehört unsere Jakobi-
kapelle sicher an. Wenn man auch Bedenken
trägt, sie mit dem Verfasser des Eingangs ge-
nannten Werkes dem X. Jahrhundert zuzuschrei-
ben, so sprechen doch ausreichende Gründe für
die Entstehung des Bauwerkes im XI. Jahrhundert.
Es eignen dieser Zeit die erwähnten Detailformen
nicht minder, wie das System des innern Auf-
baues. Letzteres ähnelt dem der von Quast dem
XI. Jahrhundert zugewiesenen Stephanskapelle

(dem sogen, alten Dom) zu Regensburg. ') Auch
in dem Westjoche der wenn nicht dem X., so
doch sicher dem XL Jahrhundert angehörigen
Krypta der Benediktinerkirche zu M.-Gladbach
begegnet uns eine ähnliche Gliederung der
Wandflächen. 2) Das Gleiche ist der Fall in
dem der Zeit um 1040 zugeschriebenen Chor-
quadrat der Stiftskirche zu Surburg, dessen alter-
thümliche Fassung nach dem Ausdruck von Adler
wie ein embryonischer Keim zu dem herrlichen
Gewölbesystem von Speier uns entgegentritt.3)

Die geringen Abmessungen der Kapelle —
sie hatte im Schiffe nur eine innere Länge von
6,87 m, bei einer Breite von 4,20 m — machte
einen Erweiterungsbau nöthig, dem, wie bereits
erwähnt, die ehemalige Choranordnung zum Opfer
fiel.4) Derselbe ist in unseren Grundrissen durch
den helleren Ton hervorgehoben. Er ist flach
gedeckt und mit 5 Rundbogenfenstern versehen.
Das Fehlen eines jeden architektonischen
Schmuckes wird ersetzt durch die Gemälde, mit
welchen die inneren Wandflächen dieses Chor-
raumes ausgestattet sind. Dieselben sind auf
rothbraunem Grunde ausgeführt und stellen
Scenen aus dem Martyrium der hl. Margaretha
und dem Leben des Heilandes dar.

Die Darstellungen beginnen 1,80 m über dem
Fufsboden und reichen bis zur Decke. Rechts
und links sind dieselben in 3 Reihen überein-
ander gestellt, 'welche durch grünliche Bänder
von 10 cm Breite von einander geschieden
werden. Durch ebensolche Bänder in senkrechter
Richtung werden auf diese Weise die Wand-
flächen in einzelne Felder zerlegt, welche gegen
85 cm breit und 75 cm hoch sind. An den Wan-
dungen des Chorschlufses sind die beiden unteren.
Reihen zu einer einzigen von 1,60 m Höhe zu-
sammengezogen und ist auf den so gewonnenen
gröfseren Flächen die Kreuztragung, die Kreu-

') v. Quast „Reihenfolge und Charakteristik der
vorzüglichsten Bauwerke des Mittelalters in Regensburg".
Berlin 1852.

2) „Organ für christliche Kunst," Jahrg. 1859 Nr. 22
bis 2-1: „Die ehemalige Benediktiner-Abtei zum hl. Veit
in M.-Gladbach." Ferner: F. Bock „Rheinlands
Baudenkmale", Abteikirche zu M.-Gladbach. S. G.

3) F. Adler „Frühromanische Baukunst im Elsafs".
Berlin 1879. S. 9, 10. Abbildung: Blatt 3, Fig. VII
und VIII.

*) (Capella) ad majorem Dei gloriam nee non
ad honorem s. Jacobi apostoli exstrucla vel potius
reaedificata et extensa, heifst es in dem erwähnten
Kirchenbuche IV von Lessenich.
 
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