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Zeitschrift für christliche Kunst — 1.1888

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Schnütgen, Alexander: Vier gestickte spätgothische Ornamentborten
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https://doi.org/10.11588/diglit.3545#0172

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285

1888. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.

286

Vier gestickte spätgothische Ornamentborten.

Mit Lichtdruck (Tafel XV).

'us dem spätem Mittelalter hat sich
eine ganz aufserordentlich grofse
Anzahl von Figurenstickereien
zur Ausstattung von Kirchenge-
wändern erhalten. Sehr viele von ihnen sind
handwerksmäßig und schablonenhaft herge-
stellt und schon aus diesem Grunde nicht
geeignet, als Vorbilder für neue Arbeiten zu
dienen. Die besten aber von jenen zeichnen
sich durch eine derartige Delikatesse in der
Zeichnung und Durchführung aus, dafs ihre
Nachbildung eine überaus kunstfertige Hand
und unbeschränkte Zeit, also grofse Geldmittel
erfordert. Da diese Vorbedingungen höchst
selten vorhanden sind, so kann die Nachahmung
dieser Kunstwerke nur ganz ausnahmsweise er-
strebt resp. empfohlen werden. Auf eine minder
subtile Technik, namentlich auf die Applikations-
stickerei, wird daher in der Regel zu rekurriren
sein, wenn auch figürliche Darstellungen in den
Schmuck der Kirchengewänder aufgenommen
werden sollen. Eine gute Zeichnung ist hier
unerläfsliche Bedingung neben der hinreichen-
den Uebung und Handfertigkeit. Da aber letztere
bei denjenigen, welche die kirchliche Stickerei
nicht berufsmäfsig treiben, höchst selten vor-
handen ist, und die beschränkten Mittel vielfach
den Verzicht auf diese Art des Schmuckes ver-
langen, so sind gute Vorlagen, die sich in dem
Formenkreise des Ornamentes bewegen, also
auf geometrische oder vegetabilische Motive
beschränken, von besonderer Wichtigkeit, weil
von erheblichem praktischen Nutzen. Leider
begegnen wir solchen äufserst selten aus der
romanischen, auch nicht häufig aus der gothi-
schen Periode, und manche von diesen sind
in ihrer technischen Behandlung nicht einfach
genug, um unbedenklich für die Nachahmung
empfohlen werden zu können. Erst die Re-
naissance hat dadurch, dafs sie die Applikations-
manier in den Kreis der ornamentalen Stickerei
als bevorzugte Technik eingeführt hat, zunächst
in Italien und Spanien, später auch in Deutsch-
land, eine grofse Anzahl formschöner und doch
leicht ausführbarer Motive geliefert. Diese
brauchen nur in die Formensprache der Gothik,
von der sie ohnehin noch beherrscht sind, über-
setzt zu werden, um für die Ausstattung von
Paramenten, wenn diese im mittelalterlichen

Stile geschmückt sein sollen, vorzügliche Vor-
lagen zu bieten. Diese Uebersetzung erfordert
allerdings eine geübte und sichere Hand; es
wird daher mit in den umfassenden Kreis der
Aufgaben unserer Zeitschrift gehören, auch in
dieser Beziehung sich nützlich zu machen.

Für diesmal beschränkt sie sich darauf, von
vier alten ornamentalen Kaselstäben, die
sich im Diöcesan-Museum zu Münster befinden,
eine gute photographische Abbildung zu bieten.
Die Zeichnung ist so klar, dafs sie einer be-
sonderen Erklärung nicht bedarf, Färbung und
Technik aber werden aus der Lichtdrucktafel
um so verständlicher und zuverlässiger sich er-
geben, wenn eine kurze Beschreibung hinzutritt.

Die Breitenmafse variiren zwischen 12'/2
und 16 cm, und von jedem Stabe ist ein
für die Kenntnifs des Rapports (insoweit bei
einer Stickerei davon die Rede sein kann) hin-
reichend grofses Stück aufgenommen worden.
Die drei ersten Borten haben miteinander ge-
mein, dafs der Grundstoff aus Leinen und Seide
gewebt ist und das aufgestickte Ornament von
dem blauen (1), violetten (2), rothen (3) Fond
unmittelbar sich abhebt. Bei 1 ist dieses, ohne
dafs der Stoff mit Leinen hinterlegt wäre,
einfach in jenen eingetragen; bei 2 ist diese
Leinenunterlage vorhanden, nicht minder bei 3,
welches noch dazu aus Leinen ausgeschnittene
und applizirte Ornamente zeigt. Bei 4 ist
(in mühsamer Technik) der ganze Leinengrund
bestickt bis auf diejenigen Theile, welche durch
das gestickte Dessin bedeckt werden.

Bei 1 werden die Hauptrankenzüge durch
nebeneinander gelegte mit Ueberfangstich be-
festigte Goldfäden gebildet, welche auch die Um-
risse der Blätter und Blumen bilden, sowohl der
nach Aufsen abzweigenden, wie der im Innern
sich entfaltenden. Die Ausfüllung von diesen
wird durch lose im Stilstich, wie schraffirt, ein-
getragenen Seidenfäden bewirkt von abwech-
selnd gelblicher, bläulicher, röthlicher, grünlicher
Färbung. Da auch die ganz kleinen Ranken, die
vornehmlich den Zweck haben, den Grund auch
in seinen kleinen Lücken zu beleben, farbig
gehalten sind, so ist die Wirkung eine vorzüg-
liche. Nichts würde hindern, in die lang ge-
zogenen Ovale (eine Figur, aber auch) ein Sym-
bol resp. Monogramm aufzunehmen.
 
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