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Zeitschrift für christliche Kunst — 1.1888

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331

1883.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 9.

332

dafs diese Bilderbibel „dem deutschen Hause und
Volke" dargeboten werde. Da aber der „Luthertext" und
die „Fufsnoten der Halle'schen Probebibel, welche ja
den künftigen deutschen revidierten Lutherlext markirt",
beigegeben werden, ist das Werk für den katholischen
Theil des deutschen Volkes natürlich unbrauchbar.

Daz hohe liet von der maget. Symbolik der
mittelalterlichen Skulpturen der goldenen Pforte
an der Marienkirche zu Freiberg in Sachsen, er-
läutert von Richard Freiherr von Mansberg
mit sieben Lichtdrucktafeln nach Original-Aufnahmen.
IX und 80 Seiten, gr. 4°. Dresden, \V. Honmann.
1888. Preis 15 Mark.
Zum Lobe des schönen Buches kann man nichts
Besseres sagen, als dafs es in Ausstattung und Inhalt
seines Gegenstandes würdig erscheint, und das ist viel,
weil ja die goldene Pforte als eines der schönsten
Kunstwerke des deutschen Vaterlandes gilt. Der Ver-
fasser sucht die Erklärung der schon oft, leider nicht
glücklich erläuterten Bildwerke der Pforte vorzüglich
durch Zurückgehen auf drei deutsche Dichtungen zu
ermitteln, die ungefähr zur Zeit ihrer Entstehung ver-
breitet waren, Werner's Marienleben, Walther's von der
Vogelweide Lieder und Conrad's von Würzburg goldene
Schmiede. An der Hand dieser Meisterwerke gelangt
er nicht nur zu einer überraschend klaren Lösung vieler
Räthsel, deren sich so manche beim Studium der
Bildwerke jenes Kirchenportals darbieten, sondern
auch zu einer so warmen und ansprechenden Vortrags-
weise, dafs seine Arbeit zu einem Buche wird, das
Herz und Gemüth ebenso anregt, als es den Verstand
befriedigt. Die acht grofsen, in den Pfeilernischen
der Portalvvange stehenden Statuen, von denen je
zwei gegenüberstehende sich entsprechen, deutet er
als Daniel und Aaron, als Königin von Saba und Davids
königliche Gemahlin Bethsabe, David und Salomon,
Johannes den Täufer und Nahum. Vielleicht wird man
in der zweiten Königin eher Abigail zu erkennen haben,
einmal weil auch diese als Vorbild Maria's genannt
wird, dann weil die unter ihren Füfsen ausgemeifselten
Trauben an die Geschenke erinnern, welche sie nach
1. Könige 25, 18 dem David anbot.

Versinnbilden diese acht Statuen die Verheifsung
des durch Maria erschienenen Heiles, dann bietet das
Tympanon die Erscheinung des Heiles in der Dar-
stellung der Epiphanie. Die letzte Frucht des Heiles
findet der Verfasser in den vier Archivollen, worin
nach seiner Erklärung Engel, Apostel, Propheten und
Märtyrer die von ihrem Sohne gekrönte Gottesmutter
loben. Wir möchten lieber die Gesammtheit der in diesen
vier Reihen ausgemeifselten Figuren als eine Darstellung
des Gerichts auslegen, also in den vierzehn in der
zweiten und dritten Archivolte auf Thronen sitzenden
mit Nimbus versehenen Gestalten nach Lukas 22, 30
Apostel und Evangelisten erblicken. Propheten werden
in der mittelalterlichen Kunst ohne Nimbus gebildet
und fanden bei diesem Portal, wie erwähnt, an den
Portahvangen Platz. Die in der äufsersten Archivolte
aus ihren Gräbern erstehenden, nackten Gestalten,
ohne Nimbus wären dann nicht Märtyrer, sondern
Auserwählte, und würden den beiden Personen zugesellt
werden müssen, welche der im Scheitel schwebende
Engel mit seinen Händen ergreift, um sie vor den

Heiland zu bringen, der, weil ihm der Vater alles Ge-
richt übertrug, sie zugleich mit seiner Mutter nach Aus-
weis des Buches des Lebens krönen will. Die kleine
Figur, die ein Engel Gott dem Vater bringt, dürfte an
Weisheit 3. 1 erinnern: „Der Gerechten Seelen sind in
der Hand Gottes und nicht wird sie berühren die
Qual des Todes." Man sieht, dafs eine endgültige
Entscheidung über den Sinn dieser inhaltreichen Portal-
skulpturen schwer zu erreichen ist. Freiherr von Mans-
berg hat aber ihr Verständnifs wesentlich gefördert
und, was wir noch höher anschlagen, durch seine kräf-
tigen, begeisterten Worte weitern Kreisen den Weg ge-
zeigt, der aus der „beklagenswerthen Einseitigkeit"
herausführt, welche die edle Kunst verurtheilt, „nichts
Anderes mehr (zu zeigen), als den ganzen Jammer theo-
retischer und praktischer Verthierung des Menschen,
die trivialste Mühsal des Daseins oder die Langweilig-
keit des stets materieller sich zuspitzenden täglichen
Lebens". Neue Lebenskraft erwartet er für die deutsche
Kunst mit Recht nur vom Eingehen in die Vorbilder
ihrer christlich-germanischen Vergangenheit. Wer seine
Arbeit liest, wird an sich selbst erfahren, wie wahr
die goldenen Worte des Verfassers sind : „Die kultur-
historische Vertiefung in die poetische Heroenzeit
unseres Volkes zahlt gern und mit wucherischen Zinsen
die auf sie verwendete Mühe zurück."

Steph. B eis sei, S. J.

Von dem Sp. 117 besprochenen Thurmbuch
sind jetzt die 3. und 4. Lieferung erschienen. Auf-
fassung und Ausführung der dargestellten Bauten ver-
dienen gleiches Lob wie die der vorhergehenden
Lieferungen. Es wäre indessen wünschenwerth, dafs
die Renaissance- und Barokformen nicht mit denen
des Mittelalters auf gleiche Stufe gestellt würden, zu-
mal es sich dabei doch sehr häufig nur um die den
golhischen Bauten aufgezwungenen Helme handelt, und
diese haben für unsere Zeit ein nur untergeordnetes
Interesse. Auch möchten wir wünschen, dafs nicht so
viele, schon in anderen Werken publizirte Zeich-
nungen reproduzirt würden (in den beiden vor-
liegenden Lieferungen ist annähernd die Hälfte der
Zeichnungen anderen Werken entnommen). Es fehlt
uns wahrlich nicht an Bauwerken, die durch Kon-
struktion und Fonnemeichthum sich auszeichnen, ohne
bisher in weiteren Kreisen bekannt zu sein. Vor allen
möchten wir den Backsteinbauten eine Stelle im Thurm-
buche angewiesen sehen. L. von Fisenne.

Die Geschichte der deutschen Kunst von den
frühesten Zeiten bis zur Gegenwart von Wilhelm
Lübke (vergl. Sp. 80)
ist bereits bis zur 7. Lieferung gediehen, in der die
romanische Kunst ihren Abschlufs findet und „die früh-
golhische Baukunst" (VII. Kapitel) behandelt zu wer-
! den beginnt. Die Klarheit und Anschaulichkeit, mit
welcher der Verfasser die Entwickelung der Baukunst
wie der Bildnerei und Malerei in der früh- und spät-
romanischen Epoche darlegt, in knappem Ueberblicke,
aber doch verhältnifsmäfsig vollständig und gründlich,
ist sehr geeignet, über diese so bedeutungsvolle Kunst-
Periode ohne allzu grofse Anstrengungen, solide Kennt-
nisse zu verschaffen, und die zahlreichen meistens guten
Illustrationen erleichtern das Studium sehr wesentlich-

(7.
 
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