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Zeitschrift für christliche Kunst — 1.1888

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Liell, Joseph: Der hl. Christophorus in der romanischen Kirche zu Niedermendig
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https://doi.org/10.11588/diglit.3545#0231

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390

1888.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 11.

400

braun auf weifsem Grunde gemalt sind, und
einem die Säulen überspannenden Bogen, den
ein Zahnschnitt in schwarzbraun auf weifsem
Grande verziert. Die Spannung des Bogens
beträgt 0,85 m; eine Untersuchung der Wand
in diesem Abstände nach links ergab eine zweite
Säule, und einen zweiten Heiligen dazwischen;
eine Untersuchung nach rechts täuschte jedoch
die Erwartung. Es kam ein grofses Teppich-
muster zum Vorschein, das links von einem
rothen, gelben und grauen Streifen eingefafst
zu sein schien. Die Entfernung der Tünche
nach oben gab Anfangs keine weitere Auf-
klärung; nach rechts wurde wieder ein grauer
und rother Streifen blofsgelegt, dann weiterhin
eine Säule und Gewandstücke, also wieder eine
Heiligenfigur; nach unten kam allmählig ein
Saum zum Vorschein, an dem sich sonderbarer
Weise die zwei bis dahin räthselhaften schwarzen
von rothen Kreissegmenten unterbrochenen
Flecken anschlössen. Das Ganze nahm sich
aus, als sollten es Füfse einer menschlichen
Figur sein, einer Figur, die dann vielleicht bis
an die Decke der Kirche reichen wird. Nach-
dem ein Gerüst aufgeschlagen und ein Tag lang
unverdrossen gearbeitet war, stand die mensch-
liche Figur vollständig von der Tünche befreit
da: es ist das Bild des heil. Christophorus, das
die Illustration dem Leser vergegenwärtigt.

Vor allem sei darauf hingewiesen, dafs der
Künstler in ganz geschickter Weise die Raum-
verhältnisse ausgenutzt hat, um seinen sechs
Meter grofsen Christophorus anzubringen. Er
hat überdies ein Bild geschaffen, das in mehr-
facher Beziehung unsere Beachtung verdient.
Wenn nämlich schon die wahrhaft riesige Gröfse
unserem Christophorus unter allen ähnlichen
Bildern eine der ersten Stellen anweist, so
macht ihn die Auffassung, die der Künstler im
Bilde wiedergegeben hat, geradezu zu einem
ikonographischen Unikum. Auf allen mir be-
kannten Christophorus - Bildern herrscht das
Streben, den Heiligen möglichst historisch rea-
listisch darzustellen: in der Abteikirche Maria
Laach z. B. ist er aufgefafst, wie er seines Berufes
waltet und das Jesukind durch die Wogen trägt.
Mit kurz geschürztem und im Winde flatterndem
Rocke steht der Heilige mit nackten Beinen im
Wasser, die hochgeschwollenen Muskeln, der
gebogene Rücken und die gerunzelte Stirn
drücken mit unverkennbarer Naturwahrheit aus,

dafs eine grofse Last auf seinen Schultern ruht.
Eine derartige Auffassung ist unserem Künstler
fremd: er stellt den Christophorus als Idealfigur
dar, gerade aufrecht stehend und ohne jede
Spur von Belastung, in einer Kleidung die den
Fürsten des XII. und XIII. Jahrhunderts eigen-
thümlich war. Die Füfse bedecken purpurrothe
Strümpfe und reich verzierte Schuhe — eine
Andeutung des Wassers fehlt —; den Leib um-
hüllt eine buntgemusterte Tunika von Goldstoff,
die ein Gürtel um die Lenden zusammenhält;
um die Schultern legt sich ein Purpurmantel
mit Hermelinkragen und Hermelinfutter, der
von einer grofsen Agraffe auf der Brust gehalten
wird. In der rechten Hand hält Christophorus
einen Baumstamm, der unten in eine dreitheilige
Wurzel ausläuft, der oben zwei rothe Blätter
und eine mächtige Knospe aufweist. Auf seiner
linken Schulter sitzt das Jesuskind, unterstützt
von der Hand des Heiligen. Es legt ihm seine
Rechte auf den Kopf zum Zeichen, dafs es ihn
tauft; die Linke hält es etwas erhoben. Wie-
wohl sein Körper im Verhältnifs zu dem Riesen
der eines Kindes ist, so ist jedoch sein Kopf
der eines Mannes, und damit das Mannesalter
aufser allen Zweifel gestellt sei, hat der Künstler
seinem „Jesuskinde" einen Vollbart gegeben!
Er hat so in ganz geschickter Weise im Bilde
ausgedrückt, was der Dichter mit folgenden
Worten sagen will:

„jung als Mensche, als Gott so alt".

Verleiht diese eigenthümliche und höchst
originelle Auffassung unserem Christophorus
schon einen hohen Werth, so wird derselbe
durch das hohe Alter, das man für ihn in An-
spruch nehmen mufs, noch gesteigert. Unser
Bild stammt aus dem XIII. Jahrhundert, ist
demnach, wenn nicht das älteste, so doch eine
von den ältesten Darstellungen, die vom heil.
Christophorus bekannt sind. Eine nähere Be-
gründung dieser Datirung halte ich mir für einen
späteren Aufsatz vor, worin ich über die übrigen
Malereien, die blofsgelegt oder noch blofs zu
legen sind, Mittheilung zu machen gedenke.

Schliefslich erwähne noch, dafs unser Bild
nicht an der Aufsenwand oder in der Vorhalle
der Kirche angebracht ist, sondern im Haupt-
schiffe an der an's Chor anstofsenden Wand,
an einer Stelle also, welche ihm sonst wohl
nirgends angewiesen ist. (Forts, folgt.)

Niedermendig. H. F. Jos. Li eil.
 
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