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Zeitschrift für christliche Kunst — 1.1888

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445

1888. _ ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 12.

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gewundenen Samenknoten versehen. Breit und flott
behandelt, zählen sie zu den besten Arbeiten der Art
aus dem Ende des Mittelalters.

Im Querschiff wurde vor längerer Zeit schon in
dem Bogenfeld der Kreuzgangpforte ein treffliches
Wandbild blofsgelegt: drei Heilige von einem Lieb-
reiz in Zeichnung und Farbe, welcher dasselbe in die
beste Zeit der altkölnischen Schule (gegen Mitte des
XV. Jahrh.) verweist. In der Mitte tritt das Bild der
heil. Jungfrau mit dem Jesuskinde in dem Kleeblatt-
bogen gröfser hervor; zu ihrer Rechten steht die
heil. Helena mit dem sorgfältig durchgeführten Modell
der Münsterkirche, zur Linken der heil. Cassius, die
Fahne mit einköpfigem Adler in der Hand. Die
Tracht des letzteren stimmt mit der Gewandung der
ritterlichen Heiligen auf dem Kölner Dombild überein.
Auf der Nordseite lassen sich über dem Denkmal des
Erzbischofs Ruprecht (f 1480) einzelne Gestalten wie
Petrus und Paulus, sowie Widmungsinschriften und
Wappen im Allgemeinen erkennen; eine vollständige
Aufdeckung ist jedoch hier noch nicht erfolgt. Es sind
Arbeiten, die wohl der zweiten Hälfte des XV. Jahr-
hunderts angehören.

Ueber dem Lettner-Altar dieser Seite treten auf
der Wandfläche die Spuren eines grofsartigen Wand-
bildes hervor, wovon allerdings nur noch die reiche
Baldachin-Architektur in der Hauptsache erhalten ist.
Auf rothem Grund baut sich dreitheilig, grau in grau
gemalt und trefflich gezeichnet, eine thurmartige Be-
krönung auf. Die architektonischen Formen sind streng
gegliedert und noch frei von allen geschwungenen
Linien, so dafs dieselben wohl noch dem XIV. Jahrh.
angehören. In den unteren Theilen sind noch zahl-
reiche Figuren erkenntlich; auch Prophetengestalten in
Brustbild, die in eine gemalte Brustwehr eingezeichnet
sind. Das mächtige Bild scheint mit einer Lettner-
anlage im Zusammenhang gestanden zu haben. Im
Seitenschiff der Nordseite liefsen sich weiter die einzeln
aufgereihten Darstellungen der heil. Vierzehn-Nolh-
helfer in kleinem Mafsstabe unter geschwungenen Mafs-
werkbögen nachweisen. Die Figürchen stehen auf
zinnoberrothem Grunde und tragen vergoldete Heiligen-
scheine. Die entsprechende Wandfläche der Südseite
ist in noch gröfserer Ausdehnung bemalt, indem sich
bis zum Scheitel des Schildbogens hinauf die Malerei
ausdehnt. Hier ist es zuoberst wahrscheinlich eine
Darstellung des jüngsten Gerichtes. Darunter ist in
riesiger Körpergröfse der heil. Christophorus dargestellt,
dessen wallender, rother Mantel fast über die ganze
Fläche sich ausdehnt. In den unteren Theilen hat der
Künstler die Gelegenheit benutzt, die Wasserfläche
reich mit Meerunholden, Männern und Meernixen zu
beleben: sie ragen mit halbem Körper aus Blüthen-
kelchen auf und tummeln sich um ein prächtig ge-
zeichnetes, mit drei Reihen von Schildern phantastisch
geschmücktes Schiff, eine mittelalterliche Marine im
besten Sinne. Das Bild hat leider stark gelitten und

läfst sich bei seiner weitgehend durchgeführten Be-
handlung nur äufserst schwierig blofslegen. Es ist
eine Arbeit, welche der ersten Hälfte des XVI. Jahrh.
angehört und vielleicht mit jener Ausstattung zusam-
menhängt, der auch die in den Gewölben allenthalben
hervortretenden grünen Blüthenstengel und die Kon-
sekrationskreuze in der ganzen Kirche angehören.

Gerade gegenüber, in den unteren Theilen ist eine
Darstellung des heil. Christoph aus dem XIII. Jahrh.
zu Tag getreten, eine grofse, streng gezeichnete Figur,
deren Gewand mit ringförmigen Mustern geschmückt
ist. Hier, wie nebenan, sind auf dem feinen Putzgrund
eine Reihe inschriftlicher Spuren und zwar, merkwürdiger
Weise nicht in Mouumentalschrift, sondern flüchtig
ausgeführt in den Minuskeln der Urkundenschrift.

An derselben Wandfläche wurde gleichzeitig eine
aus der ersten Hälfte des XV. Jahrhundert stammende
Veronika - Darstellung blofsgelegt, welche das caput
cruentatum in grofser, majestätischer Auffassung zeigt.

Auf der Sargwand der Südseite endlich ist eine
dritte, grofsartige Darstellung des heil. Christophorus
zum Vorschein gekommen, welche eine ganz vorzüg-
liche Hand bekundet. Die überlebensgroße Gestalt ist
trefflich gezeichnet; namentlich weist der Kopf eine
so edle Bildung auf, dafs er ein wahres Christusideal
abgeben könnte. Bis ins Kleinste war die Darstellung
mit Liebe und trefflicher Naturwahrheit behandelt, wie
das Röhricht und die Wasserthiere am Fufs zeigen.
Auch hier ist die Figur hell behandelt und tritt leuch-
tend aus dem sattrothen Grunde hervor.

Der Zustand aller dieser Reste ist nun, wie in den
meisten Fällen, derart, dafs die Freude an dem Kunst-
werk durch die schweren, fast unheilbaren Beschä-
digungen arg beeinträchtigt sind. Indefs ist deren Auf-
findung immerhin von grofsem Werth in kunstwissen-
schaftlicher, wie in künstlerischer Hinsicht: geben sie
doch Nachricht über Umfang und Art der einstigen
Ausschmückung des Münsters und Fingerzeige zugleich
für die künftig einzuschlagenden Bahnen bei der ge-
planten Ausstattung. Aufnahmen, welche davon zu
fertigen sind, sollen vorweg die Erinnerung an die
einstige Bemalung bewahren; ob es möglich sein wird,
eins und das andere der Wandbilder selbst durch ver-
ständige Ergänzung zu erhalten, mufs nach sorgfältiger
Prüfung entschieden werden. Heute indefs ist schon
sicher, dafs alles in der Richtung aulgeboten werden
wird, und dafs keineswegs einer uniformen Ausstattung
zu lieb die ehrwürdigen Reste ohne weiteres ver-
schwinden sollen. Wo Spuren aus alter Zeit, wie
hier, eine so deutliche Sprache reden, darf eine Re-
stauration am wenigsten radikales Neumachen sich
zur Aufgabe stellen. Von der gröfsten Bedeutung
aber wird es unter allen Umständen bleiben, dafs die
Angelegenheit nicht nur durch Spruch entschieden,
sondern meisterlich gelöst wird. In der Hand des
Künstlers wird der befriedigende Ausgleich ruhen.

Mainz. Friedrich Schneider.
 
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