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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 13.1915

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Heft 5
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Scheffler, Karl: Die Maler 1870 und 1914
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https://doi.org/10.11588/diglit.4714#0217

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DIE MALER 1870 UND 19 14

VON •

KARL SCHEFFLER

Denkt man darüber nach, wie der grosse Krieg
dieser Tage auf die deutsche, auf die euro-
päische Malerei wirken wird, so blickt man unwill-
kürlich nach Vergleichen aus und verweilt zunächst
bei dem Krieg von 1870/71. Man versucht fest-
zustellen, inwiefern die Verhältnisse damals und
heute übereinstimmen und wieweit sie verschieden
sind; man bemüht sich bereits objektiv zu wertende
Erfahrungen der Kunstgeschichte, die noch den
Reiz der Frische haben, auf die vor uns liegenden
Aufgaben anzuwenden und Mutmaassungen damit
logisch zu stützen.

Stellen wir zunächst die Thatsachen fest. Um
1870 und in den Folgejahren gab es eine offizielle
akademische Malerei und es gab zugleich eine ab-
seits stehende Kunst. Das war gleicherweise so
in Deutschland wie in Frankreich. Die Vertreter
der guten Malerei waren fast ausschliesslich die
Inoffiziellen; diese klassischen Sezessionisten, wie
man sie nennen könnte, sind hüben und drüben die
eigentlich geschichtsbildenden Kräfte geworden,
ihre Kunst ist heute noch lebendig wie am ersten
Tag, während die Künste der Akademiker schon

beinahe in Vergessenheit geraten sind. Die leben-
dige Kunst und die herrschende Kunst waren um
1870 zwei ganz verschiedene Dinge. Niemals ist
das Verständnis für das Wesen guter Malerei auf
Seiten der Akademiker und ihres Publikums elender
gewesen als in jenerZeit, niemalsaberimneunzehnten
Jahrhundert war auch die Triebkraft der offiziell
nicht anerkannten Malerei reicher und lebendiger.
Es ist nun festzustellen, dass jene schlechte Schul-
kunst, die sich eben damals als „Kunst für Alle"
neu konstituierte und die modern zu sein glaubte,
wenn sie photographisch getreu, sentimentalnüchtern
oder mit theatralischer Aufmachung das Wirk-
liche abmalte, begierig das aktuelle Kriegsmotiv
der Zeit ergriff dass sie kriegerische Episoden-
malereien und Illustrationen der Zeitgeschichte die
Fülle hervorbrachte, vom Bild kleinen Umfangs bis
zum Panoramenformat, dass die wahrhaft schöpfe-
rischen Talente aber, im Gegensatz hierzu, ausnahme-
los Werke schufen, von denen ein der Geschichte
Unkundiger nicht einmal die Thatsache des Krieges
ablesen könnte. Nicht nur das Motiv von Krieg und
Schlacht fehlt in ihren Bildern, sondern auch der

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