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Badische Fundberichte: amtl. Nachrichtenbl. für die ur- u. frühgeschichtl. Forschung Badens — 1.1925/​1928(1928)

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Heft 2
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Wahle, Ernst: Ein römisches Bildwerk aus dem Willstätter Walde: Bez.=A. Kehl
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https://doi.org/10.11588/diglit.27168#0052

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Die Höhe öes Fundstückes beträgt 23 em. Es handelt sich um öas sehr
priinitive Werk eines Steinmetzen, welcher seiner Äufgabe nicht gewachsen
war. Die Modellierung ist plump und nicht proportioniert. So hebt sich
das Kinn kaum vom Halse ab, und öie Ohren sitzen — nur nebensächlich be-
handelt — viel zu tief, nämlich in der Höhe öes Mundes. Ja, von oben
gesehen ist der Kops viel breiter als ties; von öer Aase bis zum Hinterhaupt
miht man 17 cm, währenö öie ganze Breite öagegen 20 cm beträgt.

Das Gesicht ist bartlos; öas Haar rahmt in einem öicken, öie Strähnen
schematisch wiedergebenden Wulst das ganze Gesicht bis zum unteren Ansatz
der Ohren ein. Das Fehlen eines Bartes, öie runden Formen und die
Fülle der Haare lassen eine weibliche Darstellung beabsichtigt erscheinen, und
in der Tat haben die Finder das Stück als 'einen Frauenkopf bezeichnet.
2lber nur das Mchtkönnen öes Steinmetzen ruft öiesen Eindruck hervor.
Denn einige Einzelheiten des Bildes bekunden uns, öah eine Darstellung öes
Gottes Merkur beabsichtigt war. Die beschriebene 2lrt der Moöellierung
des Haares hört mit einer eingerissenen Linie auf, welche, nur an öen schad-
haften Stellen öes Stückes aussetzend, kreisförmig Scheitel unö Hinterhaupt
einrahmt. Jnnerhalb dieses Kreises ist die Oberfläche glatt gearbeitet, bzw.
gleichmästig gekörnt, und aus ihr erheben sich zwei hornartigs 2lnsätze über
öer Stirn, welche zusammen mit dem genannten Kreise öen Flügelhut des
Gottes Merkur darstellen.

Trotz oder vielmehr gerade wegen der äuherst primitiven -Züge bildet
öas Fundstück eine wertvolle Bereicherung der römerzeitlichen Plastiken aus
Baden. Äls Vertreter der primitiven „bäuerlichen" Kunst veranschaulicht
es ihren grosten Abstand von dem hohen, vorwiegend in den Stäöten gepfleg-
ten Kunstwollen. Man beöauert, nur einen Teil öer ganzen Figur zu be-
sitzen, und sucht sich unwillkürlich ein Bild davon zu machen, wie die ungeübte
Hand eines biederen, sonst nur ländliche Steinbauten aufsührenden Stein-
metzen in öer Wiedergabe der ganzen menschlichen Gestalt sich versucht.
Mag dabei auch etwas entstehen, was den Ehrentitel eines Kunstwerkes
nicht verdient, weil öie sonst nur Werksteine zuschlagende unö Mauern er-
bauende Hand ihrer Aufgabe nicht gerecht wuröe — als ein Heugnis öer
Ansprüche der bäuerlichen Bevölkerung des Zehntlanöes und öes Eindrin-
gens römischer Borstellungen in sie ist dec neue Fund öoch von Bedeutung.
Das Dahinleben des Landvolkes in grostenteils primitiven Verhältnissen zu
derselben Zeit, da in den grösteren Siedelungen sich ein viel reicheres Leben
entsaltete, welches nicht selten aus das slache Land ausstrahlte — öie Er-
kenntnis dieses Aebeneinanders durch die heimatliche Archäologie als
historische Wissenschaft kann nur gelöst werden, wenn die so unscheinbaren
Funde von der Art der neuen Plastik aus dem Willstätter Walöe in öem-
selben Maste Beachtung sinden, wie die dem Auge wohlgefallenöen Zeug-
nisse der sog. „hohen Kunft". Die einen sind für öie Geschichte nicht minder
wertvvll als die anderen.

Wichtig sür die Beantwortung der Frage, ob öas Bildwerk einst an der
Stelle seiner Ausfindung gestanden hat, odec ob der Kops von anderswoher
dahin verschleppt worden sein sollte, ist öie Tatsache, dah in der unmittel>
baren Aachbarschaft der Fundstelle „in etwa 30 cm Tiese gröhere Bruch-
steinstücke, die scheints von Mauerwerk Herstammen, gefunöen worden sind,
ebenso einige Hufeisen von kleinerer Form. Die Steinstücke sind (von den
Finöern) in Bertiefungen eingegraben worden." Eine sachmännische stlnter-
suchung der Fundstelle steht noch aus. Es ist möglich, öah öiese Reste von
öem Sockel des Bildwerkes herrühren' vielleicht war das Standbild in
einem Tempelchen oder einer Aische ausgestellt. Ferner öenkt man an eine
Llmfassungsmauer öes Heiligtumes. Bei öer älnvollstänöigkeit unserer
Kenntnis dieser Dinge ist öie Aufklärung öes Sachverhaltes an öer Fund-
stelle öringend zu wünschen. Denn so stattlich auch schon öie Menge der
römerzeitlichen Bildwerke in unserem Lande ist — über öie Arten ihrer
Aufstellung sehlen uns die Zeugnisse noch so gut wie ganz. Vielleicht erklärt
sich das oben beschriebene, der Aatur nicht gerecht weröende Berhältnis der

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