Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Burkhardt, Johannes [Editor]
Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen (Band 8): Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Merseburg — Halle a. d. S., 1883

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.23937#0135

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Merseburg.

125

Büchern sind vielleicht noch einige da. Das eigenhändige Martyrologium Thiet-
raar’s, welches er auch im Chronikon erwähnt, gehört, allerdings seines ursprüng-
lichen kostbaren Einbandes beraubt, zu den werthvollsten Schätzen des Dom-Capitels.
Auch bewahrt letzteres noch eine prachtvolle Vulgata (altes und neues Testament)
in drei starken Bänden im grössten Folioformat. Der Schreiber nennt sich leider
nicht; aut der letzten Seite des 2. und 3. Bandes steht noch: iste liberattinet — das
folgende Wort aber ist durch Rasur völlig unkenntlich gemacht. Der saubere Text ist
mit prachtvollen Bildern in satten kräftigen Farbentönen geschmückt. Dieselben sind
der Mehrzahl nach Initialbuchstaben, grössere zu Anfang der einzelnen Bücher,
kleinere zu Anfang der einzelnen Capitel. Fig. 128 giebt von beiden eine Probe. Das
P, auf etwa 2/3 reduciert, ist mit tiefem nach dem schwarzen Grundstrich zu immer
dunkler abgestuften Blau umrahmt. Die durch diese Rahmung sich ziehende Perl-
schnür ist weiss aufgesetzt. Der Grund des P-bauches ist gold, die spiralförmigen
Ranken haben ein zartes nach dem äussern Rand zu dunkler werdendes Rosa, das
Blattwerk grünliche und bräunliche Töne. Der Schriftcharakter steht allerdings dem
Urtheil Schriftkundiger nach dem Ende des 12. Jahrh. näher als dem Anfang des-
selben, inzwischen ist man doch sehr versucht, diese Folianten für die von Bischof
Albuin beschafften beiden Testamente anzusehen. Die gleichmässigen Einbände,
die dieselben jetzt tragen, sind beträchtlich jünger, gleichwohl aber eine schätzens-
werthe Leistung des Kunsthandwerks. Sie sind aus gepresstem Leder gefertigt
mit fünf gefällig umzeiclmeten Metallbuckeln auf jedem Deckel und gleichmässig
verzierten Metallschlössern und Bändern. In Fig. 129 ist das Muster der letzteren,
das der Mittel- und das der Eckbuckelblätter in Originalgrösse abgebildet. Aelm-
liche Einbände kommen im Archiv des D. C. A. noch mehrfach vor, sie stammen
etwa aus der ersten Hälfte des 15. Jahrh. Von anderen Werthstücken, die
möglicherweise unter den aufgeführten mit berührt sind, sind noch Reliquien-
kästen bezw. deren Reste vorhanden, die in der sog. Gewandcapelle gezeigt
werden. Ziemlich gut erhalten ist ein Holzkasten von 0,31 m Länge, 0,17 m Breite
und 0,1 lm Höhe, welcher aussen mit bemalten Elfenbeinplatten überzogen, inwendig
roh mit weisser Kalk- oder Kreidefarbe angestrichen ist.1 Derselbe ist die Um-
arbeitung eines älteren Werks, von welchem ein Rest unter dem jetzt abhanden
gekommenen Schliessblech sich erhalten bat: ein Pferdekopf in dem Fragment
einer kreisförmigen doppellinigen Umrahmung. Mit Ausnahme der Stelle unter
dem Blechschild ist das Elfenbein abgeschabt und, behufs einer Neubemalung
der Flächen mit Rundbildern, geglättet. Die letzteren weisen auf die orientalischen
Radmuster gewebter Stoffe zurück, wie sie die romanische Epoche hindurch in
Italien gefertigt wurden. Sie sind mit phantastischen Thiergestalten versehen und
neben diesen finden sich zur weiteren Ausfüllung eine Art von Rosetten, von
Tupfen umgebene' Kreise in ziemlich unbeholfener oder unsorgfältiger Ausführung,
die man fast für einen Zusatz fremder Hand halten möchte. Aus der Behandlung
der Rückwand geht hervor, dass die Bemalung auf dem Kasten selbst vorgenommen
wurde, indem der schräge Zusammenstoss zweier Platten der Verkleidung auf die

1 Vgl. Heydemann in Lützow’s Zeitschrift für bildende Kunst, 1882, Heft G S. 175,

und Otte ebd. S. 283f., mit Abbildung eines Theils der Yordervvand.
 
Annotationen