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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 2.1920/​1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.41961#0330

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belohnt werden, wenn die deutschen Verleger, denen
die Veranstaltung von Ubersehungen obliegt, von dem
Irrtum genesen würden, in Holland bestände lediglidr
eine Kultur des erzählerischen oder dramatischen, besten-
falls genießerisch-akademisdren Unterhaltungskönnens.
IM HAAG F. M. HUEBNER
HOLLÄNDISCHE AUSSTELLUNG IN BERLIN.
Die erste Tat der »Kornscheuer«, dieser jungen, auf
europäische Kunstgemeinschaff eingestellten Organi-
sation, ist eine Ausstellung holländischer Bilder in der
Nationalgalerie (Kronprinzen-Palais), deren Leiter
dadurch, daß er seine Räume für soldre Zwecke zur
Verfügung stellt, einen guten Blick für die Forderungen
unsrer Ubergangsepoche beweist. Diese erste, mit einiger
Spannung erwartete LIbersidrt ist ein Ereignis in
Berlin: es steifen Künstler eines stammverwandten
Landes aus als künstlerisdre Repräsentanten dieses
Landes, das mit den Deufsdien nie in Hader gelegen;
den regen Wirtschaftlidren Austauschbeziehungen zwischen
beiden Ländern werden nun audr geistig-kiinsflerisdie
Austausdrmöglidrkeifen an die Seife geseßt. Das Be-
wußtsein dieser einfadren Tatsache ist sehr angenehm,
indessen handelt es sidr zwar um eine freudig zu be-
grüßende, aber keineswegs um eine auffallende oder
außerordenfiidre Sadre, wie ja überhaupt die Kommuni-
kation unter den „Geistigen“ Europas und der Welt
nichts anderes ist als ein naturgeseßliches, nicht aber
ein besonders erstaunliches Erfolgen. DieTafsadre dieser
Veranstaltung besagt dodr nur, daß der Wille zu
geisfig-künsflerisdrer Verbrüderung bei den Künstlern
unsres Nadrbarlandes da ist, zugleich die Erkenntnis
der Notwendigkeit und des Nußens sofdierVerbrüderung.
Die Ausstellung auch als kiinstlerisdres Ereignis zu
bezeidrnen, — künstlerische Werte müssen uns, die wir
in allererster Linie geistig interessiert sind, natürlich
viel widitiger sein, als kulturpolitisdre oder wie man
sie bezeichnen will — bin idr troß allen guten Willens
leider nidrt in der Lage. Es gibt zwei, drei, vier, fünf
Stücke, die wichtig genug sind, um sie sehen zu müssen,
hingegen rnadrt es bei allem LIbrigen, was sidrer redit
schön und audr wohl interessant ist, wenig LInterschied,
ob man es sah oder nidrt sah. Persönlich muß ich
erst einmal bekennen: idr habe den Eindruck, daß dies
hier in der Mehrzahl nicht die Künstler sind, die das
neue geistige Wollen Hollands repräsentieren, oder,
wenn sie es wirklidr sein sollten, können nur wenige
der hier ersdrienenen Werke repräsentativ sein! Als
Deutsdrer ist man leider Gottes viel zu wenig über
die neuesten Kunstbestrebungen Hollands orientiert.

als daß man an Hand von Beispielen den positiven
Beweis für eine soldre Behauptung erbringen könnte,
aber dodr sind im Verlauf der leßfen Jahre, wenn
auch nur sporadisch, so dodr in einigermaßen genügen-
der Anzahl Werke bekannt geworden, aus deren Kenntnis
man mindestens einen gewissen Instinkt für das dortige
Wollen und Vollbringen sich hat erwerben können.
Bei dieser heutigen, an ein bestimmtes Kunstereignis
gebundenen Gelegenheit kann allerdings nur über das
gesprochen werden, was uns tatsächlich hier vor Augen ist.
Der allgemeine Eindruck dieser Veranstaltung ist der:
diese Holländer sdreinen gar keine Farbigkeit im Blut
zu haben, sie scheinen in farblidrer Hinsicht fast erblich
belastet oder sich dem Zwange ihrer geographischen
Situation einfach nidrt entwinden zu können! Bei den
weitaus Meisten ist es das Trübe, Graue, Bräunliche
eines unbefreifen Seelenlebens, das den farblidren
Charakter ihrer Bilder bestimmt und uns geradezu
deprimiert; immer wieder gibt es gebrodrene, gemischte
Farbentöne. Das Kompositorisdre ihrer Bildanlage,
das irgendwie (aber sehr deutlidr) mit Proporfions-
geseßlidrkeiten arbeitet, die von denen deutsdrer Künstler
abweichen, entsdrädigf schließlich audr nidrt für den
fehlenden Farbensinn, es interessiert wohl, aber ergreift
kaum. Audr Thorn Prikker und der ihm nahestehende
Jan Toorop machen hier nidrt froh, erscheinen mit
allzusehr gedanklidr belasteten und konstruierten Bildern.
Allerdings sind Ausnahmen da, also solche Leute, die
wirklich farbig zu denken vermögen, ja solche, die es
müssen infolge ihrer Anlage, infolge ihrer Erlebnisse,
aber es ist die kleinste Minderheit, eine Minderheit
von zwei, höchstens drei Nanren. Hierher redrne idr
z. B. den P. Alma mit einem äußerst hellen und ein-
fadren Arbeiferbilde, das mir sehr typische »holländisdre«
Elemente zu enthalten scheint, oder Kees van Dongen
nrif einer Orientalin in besonders kultivierten leudrtenden
Tönen (leider sieht man nur dies einzige Bild von ihm),
oder Th. van Doesburg und Leo Gesfel, — diese alle
sind hell und zart in ihrem Farbgefühl, wenn sie audr
immer nodr irgendwie kreidig bleiben. Das Pure und
Elementare der »Farbentraunrkraft« bridrt nur in einem
einzigen Werk hervor, es trägt den Namen der Jacoba
van Heenrskerck. Eine breite Komposition mit roten
und blauen und grünen und violetten Schwingungs-
fornren auf gelbem und ockergelbem Grund, nrif sedrs
symmetrisch verteilten weißen Segeldreiecken, frei und
hymnisch und voll vom Überschwang einer Bejahung
des Seins und der eigenen Seele zugleich, die aus
Meeresafenr und kosmischer Inbrunst gewonnen scheint.
Daß eine Erscheinung wie die Heenrskerck gerade in
Holland nröglidr ist, kann ein dreifaches beweisen:

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