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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 2.1920/​1921

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für eine Anstrengung der Phantasie dazu gehört, um
aus sich heraus und nur im Vertrauen auf das verwandte
Genie einiger mittelalterlicher und neuerer Maler von
der festgewurzelten Anschauung der naturalistischen
Welt zu solch abstrakter Raum- und Körpervorstellung
zu gelangen: und alles Raunen von Naivität und
Absichtlichkeit mu| verstummen. Hier ist nichts Willkür,
sondern strenge Notwendigkeit; um so strenger, je
exzentrischer die Linie von der Natur abweidrt und
je rätselhafter der Zwiespalt von Raum und Einzelform
klafft. Der Geist erschuf sich sein sinnliches Gewand,
und dieser ist kein Geist der Versöhnung, sondern
der bitteren Feindschaft gegen Lieblosigkeit und
Gemeinheit.
Man kann die Blätter der »Hölle« nidrt rein artistisch
werten. Dazu steht ein viel, zu herber Ernst, eine
ethisdie Rücksichtslosigkeit ohne Gnade hinter ihnen.
Aber es mu| immer wieder betont werden, da| hier
nidrt die Absidrt, nicht das soziale Pathos wirkt,
sondern die grolle und mächtige Form. Das ist
eine Selbstverständlichkeit bei jedem Kunstwerk. Das
Besondere an Beckmanns Lithographien ist — weshalb
sie auch aus der reinen Strichtechnik und nicht aus
malerischen Licht- und Schattenmassen erwachsen
mußten — die unbedingte Deckung von ethischer
Tendenz und grapirischer Form; sodalj man kaum
von dieser allein spredren kann, ohne in das Gebiet
der geistigen Absidrt überzugreifen. Auch das bedeutet
eine Gemeinschaft mit den Tafeln der altdeutschen
Maler, die in erster Linie ein gottgefälliges Werk
erschufen, und denen das künstlerische Mittel dazu
von selber in Stift und Pinsel einflolj.
PAUL F. SCHMIDT.
RAHL, FEUERBACH, TRUBNER UND ANDERE
ZEITGENÖSSISCHE MEISTER AUS HEIDEL-
BERGER PRIVATBESITZ. Hoffentlidr wird es immer
mehr iiblidr werden, private Kunstsdrähe durch Aus-
stellungen von Zeit zu Zeit der Allgemeinheit zu
ersdrlie^en. Neben dem berechtigten Bcsiherstolz treibt
zu solchem Mitgenieljenlassen gewilj das dem sozialen
Zuge unserer Tage entwachsende Gefühl, dalj die
Schöpfungen der Kunst lebten Endes allen gehören.
Oft kommen bei solchen Veranstaltungen Arbeiten
berühmter Meister zum Vorschein, die man nicht oder
nur aus Schwarz -Weilj -Abbildungen kennt, und die das
längstvertraute Charakterbild durdr einen neuen, über-
raschenden Zug ergänzen, denn der Privatsammler
mit feinem Instinkt erwirbt Werke echter Künstler
mitunter lange, bevor die Allgemeinheit ihren Ruhm
verkündet. Frühwerke finden sich in solchen Samm-
lungen, die das Woher erkennen lassen, und das
Wohin des Weges, den der Meister schreiten wird,

schon weisen. Fast noch wichtiger, auch für die Kunsf-
forschung, aber ist, da£ Ausstellungen aus Privalbcsilj,
wenn ihrem Veranstalter Spürsinn und Weitblick eignen,
nicht selten das Schaffen halb oder ganz vergessener
Künstler wieder ans Licht ziehen, Bescheidener, deren
Schaffen vor Mit- und Nachwelt durch Genien oder
auch Tagesberühmtheiten verdunkelt wurde, vielleidrt
Eigenwillig-Starker, deren Gestaltungen, von wenigen
geliebt, von keinem Späteren gekannt, sich verstreuten
und des Geschlechtes harrten, das sie verstehen kann.
Dr. Lohmeier, der Konservator der Heidelberger
Städtischen Sammlungen, ist eine Persönlichkeit mit
solchem Spürsinn, zudem der beste Kenner Heidelberger
Kunst, die, wie die vorjährige Ausstellung bewies, vor
allem im Zeitalter der Romantik fruchtbar war. Audi
die jetzige Veranstaltung ist bedeutsam. Sie bringt
weniger Überraschungen, aber wichtige Ergänzungen
und des Beachtenswerten genug.
Die ausgestelltenWerke K a r 1R a h 1 s sind mit Ausnahme
zweier Bildnisse aus dem Besih des Oberbürgermeisters
Walz und des von Geheimrat Erb gestifteten Heidel-
Porträts erst vor kurzem durch Vermächtnis Frl. Burians,
der Enkelin des Künstlers, als Grundstock eines „Rahl-
Museums“ in das Eigentum der Stadt übergegangen.
Karl Rahl selbst hielt sich auf seinen Reisen wohl audi
gelegentlich in Heidelberg auf. Schaupläh« seines Wirkens
aber waren vor allem München und Wien, wo er geboren
ward, an der Akademie lehrte und starb. Dodi stammte
sein Vater, von dem nodi die Rede sein wird, aus
Hoffenheim bei Heidelberg, das so von der Familie
als eigentliche Heimatstadt betrachtet ward. Karl Rahl
ist vorwiegend als Akademiker bekannt, der auch
Monumentalkompositionen — der pompöse Vorhang
der Wiener Hofoper stammt u. a. von ihm — im Geiste
Wilhelm von Kaulbachs zu entwerfen liebte. Hier
tritt er uns als Bildnismaler gegenüber, der individuelles
Sein scharf und kräftig erfaßt und vorzüglidi das
eigentlich Malerische in der Ersdieinung eines Mensdren
darzustellen versteht. Eine Mandolinenspielerin mit den
Zügen seines ersten Modells bleibt noch in der romantisch-
sentimentalen Zeitstimmung befangen. Ganz anders das
Bildnis des zweiten Modells, einer sinnlich-rassigen Jüdin.
Hier ist der Übergang von dem ursprünglidr bevorzugten
kühlen, meist sehr dunklen Blau zu dem warmen, ins
Rot oder Gelb spielenden Braun des Hintergrunds
bereits vollzogen. Die Wandlung erfolgte wohl in
Paris: Das mitgestiftete Bildnis Rahls von der Hand
seines Freundes Ricard bezeugt, dalj der Wiener Künstler
die freiere, malerischere Auffassung an der Seine
kennen lernte. Gleich den an Daumiers Bildnis-Kunst
geschulten Franzosen jener Tage liebte auch Rahl, in
das die Bildfläche füllende tiefe Dunkel — meist
Schwarz — und Halbdunkel Gesicht und Hände als

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