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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — 1.1857

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https://doi.org/10.11588/diglit.18467#0014

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sinen auszuüben, die Alles, was die Salben-
händler Jcrusalems Kostbares hatten, einkauf-
ten, um damit den Leichnam Jesu zu salben;
es galt diese Pflichtübung als ein Erweis des
Glaubens an den sakramentalen Frohnleich-
! nam Jesu, sowie als ein Zeichen opferwilltger
Liebe zu ihm. Die christliche Ltebe aber kennt
weder in ihrer tnnern Absicht, noch in ihrer
äußerlichen Erscheinung Trug und Heuchelei;
denn der blose Schein ist dem allwissenden
Gott ein Gräuel. Was immer also für die
Kirche verwendet wurde, war ächt, wahr,
dauerhaft.

Wir sahen ein Meßgewand aus blauem
Setdenstoffe von ungewöhnlicher Stärke: es
war die Kasel, mit welcher der aus den Käm-
pfen zwischen Katser Hetnrich IV. und dcm
Papste Gregor VII. bekannte Bischof Benno
von Osnabrück im Jahre 1083 begraben
wurde, und die, wenn wir uns recht erinnern,
bis 1148 mit ihm im Grabe ruhte.

Ntcht blos thre Dauerhaftigkeit, sondern
auch dte glänzenbe Farbe bewahrte die Kasel,
mit welcher der große Erzbischof Willigis von
Mainz im Jahre 1011 ins Grab stieg, und
dic tn der Stephanskirche daselbst noch ge-
braucht wird.

Die Meßkasel des seligen Albertus Mag-
nus, Bischofs von Regensburg, blieb sogar
vom Jahrc 1288 bis Anfang dieses Jahrhun-
derts, wo sie mit den Gebetnen des Seligen
erhoben wurde, das Leichentuch der sterblichen
Ueberreste; gleichwohl bewahrt sie noch die
! kostbaren Figur-Sttckereicn im Plattstich.

Jn gegenwärtigcr Zeit befindet sich die We-
berei und die höhcre Stickkunst für Kirchen-
stoffe mit ganz wenigen, und dazu viel ange-
feindeten Ausnahmen in den Händen der
Spekulation, welche ihre fadcnscheinigen Pro-
dukte mit Schetn und Flitter ausstattet, um
das Auge des Unkundigen zu bestecheu. We-
nige Jahre reichen hin, den glänzcndcn Effekt
zu zerstören und den gänzlichen Mangcl aller
Aechthcit und Solidttät vor Aller Augen blos
zu legen. Neben der schlechten Qualität des
verwendeten Materials ist überdies die Tech-

nik der Weberei so niedrig, daß dte Produkte
derselben blos mit Hülfe eines steifen, panzer-
artigen Zwischenfutters ihre klägliche Eristenz
um Einiges zu verlängern vermögen. Und
als ob die unter dem Namen „Lyoner Stoffe"
bekannten oder besser berüchtigtcn, auch in
Deutschland in Unmasse verfertigten Webereien
noch ntcht schlecht genug wären, ist man in
neuerer Zeit sogar soweit gekommen, die Stoffe
für die heiligen Gewänder einschließlich der
Bordenverzierung in Farbendruck auszufüh-
ren. Tiefer kann man nicht wohlherabsteigen.

Auch nach einer andern Richtung hin sind
Klagen berechtigt. Da und dort ist die Gebe-
freudigkeit nicht erloschen, aber sie erhebt sich
nur mit matten Schwingen. Die Jünger Jesu
und die heiligen Frauen, welche dem Herrn ein
ehrenvolles Begräbntß bereiteten, konnten es
nicht über sich gewinnen, eine bei den Juden
geltende Bestimmung zu erfüllen, nach welcher
die Leichname der Hingerichteten blos in ver-
altete, zum Einhüllen der Gesetzesrollen ge-
brauchte Leinwand eingewtckelt werden
durften. Darum meldet der Evangelist aus-
drücklich, daß Joseph von Arimathäa und seine
Genossen reine, neue Leinwand für den
Herrn bereit hielten. Daß diese Anschauung
für alle Zeiten maßgebend sein sollte, möchte
sich von selbst empfehlen.

Die heiltgen Gewänder des MittelalterS
bestanden zum größstcn Theile aus mehrfarbi-
gem Gewebc mit mancherlet Figuren aus der
Pflanzen- und Thierwelt geziert; selbst die
Sammtstoffe waren häufig mit derartigen
Mustern versehen. Bei dem Krcuze der Ca-
sula (Meßgewand), dem Stabe des Chorman-
tels und der Dalmatik (Gewand des Diakons)
waren Figurenszenerien und Blumenornamen-
tation sogar stehende Regel. Hievon haben
wir nach zwei Setten hin zu reden. Für's
Erste waren die Muster alle streng im Styl
gchalten und stimmten darin mit dem Bau der
Kirche vollständig überetn. Wie in der An-
lage des Kircheubaues und den Bauformen,
so war auch dort mit dem Beginn der selbst-
ständigen Seidenfabrikation des Abendlandes
 
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