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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — 1.1857

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2. Heft
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Kreuser, ...: Briefe an eine edle Frau, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.18467#0028

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1857.

Driefe an eine edle Frau.

n.

Verehrteste! Sie haben richtig bcmerkt,
daß wir alles Stoffliche: Seide, Wolle, Stra-
min n. s. w. Jhnen getrost iiberlassen können,
und daß cs vorznglich anf den Geist an-
komme, in dem allcr Kirchenschmuck gearbei-
tet werden mnsse. Hier verhchle tch nicht, daß
ich mich etwas in Verlegcnheit befinde, nnd
zwar am meisten gcrade vor geistreichcn
Frauen; denn ich habe nie ein Geheimniß
daraus gemacht, daß unsere Zeit mich wenig
anficht, die geistesöde überall geistreich thut,
sogar bei der Langeweile in jeuxä'ssxrit sans
ssxrlt. Warum denn bin ich in Verlegenhcit?
Nicht als ob es des Geistes der Gelchr-
samkeit bedürfte, denn die jetzt geläufige Ge-
lehrsamkeit, sogar eineSProfessors um's liebe
Vrod, kann sich am Ende auch eine Frau er-
ringen; noch darnm, weil der Geist dicser
Dinge zu hoch ist, denn ich könnte Meisterin-
nen des Geistes anführen z. B. eine h. The-
resia, Mathilde, Adelheid, Hildegardis, Ros-
witha u. s. w. Ilm einfach zn reden, der noth-
wendige Geist ist in allen Kirchenkünsten:
Baukunst, Malerei, Bildnerei gestorben,
nicht minder in dcr Stickerei, muß also wie-
der von den Todten erwecktwcrden, uud einen
Lazarns erweckt nur Jcsus Christus.

Göthe sagt mit Recht: der Mensch lebt in
einergemeinsamen, auch Gedankcnatmoshhäre,
und ist sie verpestet, kann Niemand, auch nicht
dcr Gesündeste sich ihrer entschlagen. Wir
sind in diesem Falle. Den guten Frauen sagt
mau nach,daß sie an einerwnnderlichenKrank-
heit lciden, die Mode hcißt; allein wirMän-
ner leiden an ciner weit gefährlichern Zcit-
krankheit, die Glück- und Verstand-zerstörend,
t>ölkervernichtend, hohlköpfig, auflösend, am
Ende auch nichts ist als Mode und Assenwe-

sen. Diese Männermode heißt, erschrecken
Sie uicht, Aufklärung, die cbensalls aus
der Heimat dcr Francnmode zu nns gekom-
men ist. Zu den Zeiteu des vierzehnten Lud-
wigs war sie noch ein öffentliches Hofgeheim-
niß, und höchstens der Hoffriseur durfte als
sreier d. h. als starker Getst zu sagen wagen:
je 118 erois Iii Dieu Iii lloi. Die Aufklärung
ist jetzt in die untersten Schichten hinabgestte-
gen, die vor lauter Arbeit zum Denken nicht
einmal die Zeit, geschweige die Kraft, haben,
und der Commis, Comptoirbursche, Ecken-
steher, Klein- und Großschulmeister sammt
allen Anhäugseln sind jetzt starke Geister, die
keines Herrgottes mehr bedürfen. Das ist
dcrZeitgeist. Wie wcit er vorgeschritten
ist, lehren die brodlungernden Zeitungs-
bursche(Literaten) in den Tagesblättern, lehrt
die Angst der gewöhnlichcnMenschen, die stch
schämen, ein eigenes Selbst und einen Gott
zu habcn und zubekennen, lehren die Naturfor-
scher, selbst dic größten, welche die Schöpfung
durchwandeln und uicht den Muth haben, den
Namen Gottes zu nenne'n, lehren die bösen
vergangeuen Jahre — des Völkerwahnsinns,
der an keinen Gott noch Teufel glaubt, aber
beide selbst spielen will. Doch sort hievon!
Welcher ist nun dcr ncuere Getst? Antwort:
zersetzend, auflösend, jeder Vcreinignng und
Gemeinsamkeitwiderstrebend, unddieMensch-
heit von der Familie anbis zum Volksganzcn
ist doch nnr möglich durch Gcmeinschaft.
Sogar ein Stickverein sctzt Geistesgemein-
schaft voraus. Wir sind jetzt Alle geistreich
auf eigene Faust, Sondergeist ist viel da,
Gemeinschaftsgeist wcnig, das ist in wenigen
Worten unser Nnglück, das Unglück Deutsch-
lands, das Nnglück der Welt. Der Stick-
verein soll aber für die Kirche wirken, und
nuii frage ich, was ist die Kirch«? Jch ant-
worte: die Schöpfuug Christi, ihrer Natur

^irchcnschmuck. 18S7. u.

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