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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — 1.1857

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4. Heft
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Laib, Friedrich: Praktische Fragen, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.18467#0064

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1857. Kii'ckemckmuck. Ä.M.

Prakiische Fragen.

i.

Ein Unternehmen, das, wie das unsrige,
cin Feld praklischer Thäligkcit anbauen will,
und zwar cin so lange brach gelegenes, wird
auf mancherlei Schwierigkeiten und Hinder-
nisse stoßcn, mancherlei Dedcnken und Fragen
anregen. Das erfahren Alle, welchc es sich
zur Aufgabe machen, dcn bisherigcn Kunst-
bestrcbungen etne erbauende und produktive
- Wirksamkeit zuzuweisen. Es ist leicht, An-
dere auf die Schönheiten der alten Kunst auf-
merksam zu machen und dafür zu begeistern.
Es ist sehr lohnend und ehrenvvll, die bisher
verborgenen oder unbeachteten Schätze alter
Kunstbildung aufzudecken und größere Kreise
der Gcsellschaft tn ihr Derständniß einzufüh-
ren. Wir dürfen es nicht läugnen, dem be-
geisterten Lobredncr uud Erklärer der tiefsm-
nigen Meisterwerke des Mittelalters fehlt es
nie an begeisterten Zuhörern; die Veröffent-
lichungen dieser Denkmale werden vom Publi-
kum mit Dank aufgenommen. Den bisheri-
gen Bcstrebungen eiuzelner und größcrer Ge-
sellschaften ist es geluugen, die Apathie, ja
stlntipathie, welche insbesondere den Erzeug-
nissen des Mittelalters gcgenüber herrschender
Ton war, zu überwinden. Statt derselben
fehen wir vielmehr jetzt Leute aller Farben
und Gesinnungen sich die Hand reichen, um
die Schöpfungen der altdeutschen Meister dem
Untergang zu entreißen und ihnen die gebüh-
rende Anerkennung der Wclt zu verschaffen.
Früher suchte man den Vorzug der „Bildung
und Aufklänmg" darin, die „mittelalterliche
Barbarei" zu vcrabscheuen und zur Bertil-
gung ihrer Wcrke beizutragen; jetzt verurtheilt
die öffentliche Meinnng den Zeistörer als Bar-
baren. So ist also selbst die Mode für die

Anerkennung der mittelalterlichcn Kunst ge-
wonnen.

Sobald man aber es versucht, diese Strö-
mung des Geschmacks aus der vagen diletti-
renden Richtung in eine ernstere produktive
Bahn zu lenken, d.h. sobald man seine Absicht
kund gibt, die Kunstwerke des Mittelalters
nicht blos als Kuriosiiäten anzustauncn, son-
dern nach ihrem Muster Neues zu bilden, aus
ihnen eine Schule selbstständigen Schaffens zu
entwickeln, so erfährt man mit Schrecken, wie
fest der alte Zopf noch steckt, und daß er nur
mit blutigcr Anstrengung sich ausrcißen laffen
will. Man will gerue die Kunstwerke unserer
Väter an Domen und in Museen bcwundern,
ja sie gcrne als Produkte einer in sich vollen-
deten uud uuübertroffenen Kunstregel anerken-
nen; dabei überläßt man aber dieAusstattung
unserer Heiligthümer mit unerschlltterlicher
Gemüthsruhe deu Einfällen eigenmäch iger
Künstler und gedankenloser Haudwerker. —
Dieselben, die vorber als die begeistertsten
Gothiker galten, so lang es sich blos um einen
pikantcn ConversationSstoff handelte, sehcn
wir außer sich gerathen, wenn man lhnen zu-
muihet, konsequeut fortzuschreiten und das,
was sie so musterschön finden, auch dem lieben
Gott und dem Schmuck scinesHauses zu gön-
nen, und daher die barocken, läppischen, un-
würdigen Machwerke, woniit das Heiligthum
verunziert ist, nach und nach durch würdigere
Bildungen zu verdiängen.

Woher kommt dieser sonderbare Widcr-
spruch? Woher dieser Schreckeu vor Schluß-
folgerungen, die dem praktischen Verstand so
nahe zu liegen scheinen?

Es wäre leicht, aus der Macht des Schlen-
drians, sowie aus den wohlberechnetcn Um-
trieben der Spekulation, welche das bisher
beherrschte Terrain um allen Preis zu be-
haupten sucht, eine Reihe von Ursachcn abzu-

Lirchknschmuck. 18S7. IV.

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