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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — 1.1857

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9. Heft
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Werke der Kunststickerei aus dem 18. Jahrhundert
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Sighart, Joachim: Alte Paramente in Andechs
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https://doi.org/10.11588/diglit.18467#0165

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bole, Figure», Engel Im Plcittstich bedecken
j die Grundstoffe, unter andern ein Lamm, ganz
aus Perlen gestickt. Besondere Aufmerksam-
! keit erregen die Antipendien mit ihrem ganz
figurativ durchgefübrten Jnhalt. Dtc Figuren
sind auf weißem Damast, der durch unterlegte ^
Leinwand verstärkt ist, gestickt. Was beson-
ders Lob verdient ist, daß auch die Fleischpar-
tien, Gesichter, Füße und Hände nicht gemalt,
sondern mit der Nadel ausgearbeitet sind. Es
ist dieß um so mehr hervorzuhebcn, als man
nicht selten neueren Stickereien und Webereien
mit ölgemalten Gesichtern nnd Händen be-
gegnet, cine Geschmacklosigkett, die gewiß ntr-
gends mehr Eingang finden wird, wenn sich
die edlen Stickertnncn einmal überzeugt haben,
wie der Versuch, Gesichter und Hände im
Plattstich zu malen, sich bald mit glücklichen
Ersolgen belohnt. Die Malerei im edelsten
Stoff, der Seide, brancht beim Oelguast we-
der um Farb.mpracht noch um Dauerhaftig-
keit betteln zu gehen.

Die Antipendien, von denen die vier größe-
ren, gegen 10 Fuß lang und 4 breit, zum
Hochaltar, die sechs kleineren zu den Seiten-
altären gehören, enthalten Figuren und histo-
rische Darstellungen mit landschastlichem Hin-
tergrund. 90 Jahre lang soll daran gearbeitet
wvrden seyn. Dte Jahreszahl 1726, die man
auf einem Antipendium liest, läßt es leicht
begreifen, daß man in Composition und Or-
namentation dem in jener Zeit herrschendcn
Zopfgeschmacke begegnet. Doch sind die Car-
tons, nach welchen die Klosterfrauen ihre Ar-
beit ausführten, Werke eines tüchtigen Ma-
lers, originell und würdig.

Folgendes sind die Darstellui gen auf den
Antipendien: 1) die heilige Nrsula empfängt
die Martyrerkrone am Ufer des Rheins. 2)
Jesus mit den fünf klugen und fünf thorichten !
Jungfrauen. 3) Das kanaanäische Weib vor ^
dem Hetlande, der mit seinen Jüngern eben !
aus einer hochthürmigen Stadt hergezogen.
4) Die Samariterin am Jakobsbrunncn. Jm
Hintergrunde die Stadt und die einkaufenden
Jünger. 5) Die Flucht nach Egypten. 6) Der

heiligeAugustinus am Meeresstrandc, im Ge-
spräch mit cinem Knaben, der das Meer in
ein Grübchen schöpfen will. 7) Abraham, der
seinen Sohn zu schlachten im Begrtffe ist. 8)
Tobias zieht den Fisch an's Land. 9) Jakob
^ ringt mit dem Engel. 10) Hagar in der
Wüste. Ein Engel zeigt ihr die Quelle, die
ihrem schlummernden Knaben das Leben er-
halten soll.

Me Paramente in Andcchs.

Derjenige Ort, welcher das ganze Mittel-
alter hindurch in Bayern den größten Reich-
thum an Heiligthümern bcsessen, ist unstreitig
die alte Klosterkirche zu Andechs, die noch
am hohem Berge nächst den Ufern des reizen-
den Ammersees (8 Stunden von München)
weithtn prangt. Alles, was die in das
graueste Lllterthum hinaufreichende Familie
der Grafen von Andechs von heiligcn Gegcn-
ständen und Reliquien trgendwo erbeuten und
gewinnen konnte, hat sie hieher geschenkt.
Was die Söhne dieses Geschlechtes und der
sie erbenden Wittclsbacher aus Rom und aus
den Kreuzzügen mitgebracht, das legten sie
hier in Llndacht nieder. Und anch der Adel
und die Bürgerschaft der bcnachbarten Orte
waren gewöhnt, thre Hetligthümer dem Klo-
ster zu Andechs zu überlassen. So kam es,
daß gegen das Ende des Mittelalters eine
solche Fülle von Heiligthümern hier aufgc-
häuft war, von dcren jedes in goldene oder
silberne Gefäße verschlossen war, wie vielleicht
an wcnigen Orten Deutschlands. Daher hieß
der Berg auch der heilige Berg aussckließlich,
daher war er auch das Ziel zahlloser Pilgcr-
züge und überreicher Schenkungen. Obwohl
! nun die Neuzeit auch hier aufgeräumt und die
! Säkularisation fast alles Gold und Silber
einzusäckeln verstand, so hat sie sich doch noch
eine Menge von Relignien erhalten, die ent-
wedcr zu jener Sturmzeit verborgen wurden
oder von welchen man nur die Goldgefäße
weggab, um sie dann in einfache werthlose
 
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