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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — 1.1857

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1. Heft
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Bock, Fr.: Technische Erklärung der Beilagen, [1]
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Lewald, August: Jerusalem, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.18467#0019

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10

nicht in Wolle. Nur wo die Mittel gar nicht
zu erschwingen sind, darfman ausnahmswetse
ciner Stickerei in Wollc sür den Altai sgcirauch
das Wort reden.

3. Wir geben hier das Muster
einer Pnlla. Die Palla, womit der Kelch
während des heil. Opfers bedeckt wird, soll
nach den kirchlichen Vestimmungen ganz oon
Leinwand sehn. Dicse Vorschrift wird zwar
in gegenwärtiger Zeit nicht überall beachtet,
sofern die Palla in den meisten Fällen aus
demselben Stoffe, wte daS Meßgewand, ver-
fertigt wird; wtr gehen aber bei nnseremMu-
ster von dem normalen Zustande aus. Es
widerstreitet demselben nicht, den obern Theil
dcr Letnwand mit Stickerei zu verzieren, wozu
stch der Stielstich am Besten eignet; er müßte
in diescm Falle mit einfachem Zeichnnngs-
faden, in angenehmer Abwechslung von Roth
und Blau, ausgeführt werden.

lVro.4. Kleines gothisches Alpha-
bet (Minnskelschrift). Bet der techni-
schen Ausführung dieser gothischen Charaktere
sei ein für allemal bemerkt, daß dieselben streng
im Style nnd ohne alleAuslassungen oderVcr-
schnörkelung, wie es die Anordnung und Zu-
sanimenstellung der übrigen dazu gehörenden
Ornamente bedingt, mit dünnen Goldfäden,
(Plattstich mit einer vorhertgen Unterlage)
darzustellen sind. Am ciiifachsten und billig-
sten sind dteselben herznstellen, wie das oben
auf Seite 8 bci Erklärung der technischen
Einrichtung dcr Figur nnter Nrv. 1 angege-
ben worden ist. Anch in Plattstich von halb-
gedrehter Seide mit einem seinen Goldkordo-
net nmrandet, lteßen sich dtese Buchstaben in
Stickereiwiedergeben. Dieselbeinfranzösischer
Chenille wiederzugeben, dürfte dann anznra-
then sein, wenn die Buchstaben größer sein
müsscn. Jn Hinsicht dcr Farbenwahl bci Aus-
führung dieser Buchstaben wäre es hier noch
am Platze, hinzuznfügen, daß auf gvldenem
Grund dieselben am geeignetsten roth zu hal-
ten seien. Auch die schwarze und blaue Farbe
ist bet gothischen Schriftstickercien häufiger an-
zutreffen. Die größern AnfangSbuchstaben
(Majuskeln) sind tn der Regel in rother Farbe
gehalten. V o ck.

Ierusalem.

Eine Mittheilung von August Lewald.

I.

Es war tm Jahre 1855 als ich auf dem
Dultplatze in München eine durch zterlichere

Form und Ausschmückung vor den andern
Schaübuden stch auszetchnende gewahrte, dte
nietne Anfmerksamkeit alsbald crregte. Das
Ganze war fremdartig, ungewöhnlich. Die
Malerei am Simse, sowie der Eingang zeig-
ten etwas von orientalischem Geschmack, und
über dem letztern stand die Jnschrift „Jeru-
salem". Jch fühlte mich htevon so ange-
zogen, daß ich über die Schwelle trat, um die
Sehenswürdigkeit, welche sich dahinter barg,
in Augenschetn zu nehmen. Allein ich harrte
wohl mehrere Minuten, ohne daß sich'ein
Mensch zeigte, der mein Eintrittsgeld in Em-
pfang genomiiien oder stch mir als Führer an-
geboten hätte. Endltch rief ich Jeinand her-
bei, und eine Stimme antwortete mir aus der
Höhe: „Treten Sie nur nähcr, ich bin be-
schäftigt." Jch folgte dieser Einladung und
stieg einige Stufen hinauf, indem ich einen
falttgendunkelgrünenVorhang beiSeiteschob,
der vor de,r Treppe herabhtng. Oben stand
ich nun auf dem wohlbekannten, rund um
eincn Pfeiler sich hinziehenden, schmalen Ge-
rüste, die sich.bei allen Panoramen gleich sehen.
Etn paar Frauen waren da und cin junger
Mann, der thnen das Btld, welches sich mci--
nenAugendarstellte,mit eiitsprechenderKennt-
niß und in wohlgesetzten, von Bildung zeu-
genden Worten erklärte. Er wandte sich mit
der höflichsten Entschuldigung gegen mich,
daß ich mich so lange gcdulden möchte, bis daß
er mtt seiner begonnenen Erklärung zu Ende
wäre, um sie sodann für mich auss Neue zu
beginnen. Jch dankte ihm und setzte mich, um
mich zu sammeln, denn derAnblick hatte mich
wunderbar ergriffen.

Jch sah Jerusalem vor mir, täuschend als
wäre es wtrkltch, von Meisterhand gemalt.
Man wetß, welchcn zauberhaften Etndruck
auch nur unbedeutende Gegenstände, tn guter
panoramatischer Behandlung, aufuns zu ma-
chen vermögen; wie wir so freudig überrascht
werden, so plötzlich, wie mit cinem Schlage,
uns in eine fremdc, weit entfernte Umgebung
versetzt zu sehen; wie schwer es uns wird, uns
zu vergegenwärtigen, daß wir ja etgentlich
 
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