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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — 1.1857

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10. Heft
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Kreuser, ...: Briefe an eine edle Frau, [5]
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https://doi.org/10.11588/diglit.18467#0172

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1857. KrckeiiZckmuck. w.M

Driese an eine ckle Frau.

v.

Verehrteste! Heute einige Worte über die
Farben! Jch habe es schon früher angedeu-
tet, daß in den Farben ein Geheimniß liegt,
das jetzt selbst für diejenigen verloren tst, die
am meisten babei bethciligt sind. Der natür-
liche Sinn der Leute aller Zonen nnd Zungen
freut sich, freute sich, wird sich immer an den
Farben freuen, denn ohne Farbe kein Licht,
kein Leben. Farbe ist Jugend, Frühling nnd
alles Schöne, farblos die Nacht und der Tod.
Jndcssen hat auch hier dte sogenannte klassi-
sche Gelehrsamkeit dcn Leuten manchen dum-
men Streich gespiclt, und da diese Herrn nichts
Höheres kennen, als griechische Formen, so
habcn sie sich etngebildet, Liebe an Farben sey
bäurisch, schicke sich nur für den gemetnen
Mann, der gebildete Gricche aber habe sein
Btldwerk gar nicht gefärbt. Hätten dte Wei-
sen, dte vom Klassischen gewöhnlich mehr re-
den als es kennen, nur den einen griechischen
Kunstreisenden, den Touristen Pausanias auf-
mcrksam gelesen, sie würden von selbst gefun-
den haben, was jetzt die Erfahrung bestätigt,
daß auch die Gricchen ihre Bilder bemalten,
und Pheidias seinen bcrühmten olympischen
Zcus eben so gut vergoldete, als Andere an-
deres altes Bildwerk, wclches man Brete
und Xoana (§o«r«) nannte. Wie
weit sie diese Ausschmücknng trieben, zeigen
einige Beispiele. Der Gott Asklepias hatte
etnen goldenen Bart. Wie in neuerer Zeit
goldene und silberne Apostel aus den Kir-
chen gestohlen und mit wohlfeilen Witzen
zu Geld nmgeprägt wurdcu, so stahl auch
Dtonysius den reichen Bart, und machte den
Witz dabei, es schicke sich nicht, daß der
Sohn einen goldenen Bart trage, da sein
Vater Apvllon gar keinen Bart habe.

Nicht allein wurden die Bildsäulen übermalt,
sondern die Römerzeit setzte ihncn, wie auch
die Hindu, sogar Edelsteine ein, um die
Augen zu vertretcn, uud es gab auch bald
aufgcklärte Säkulartsationsliebhaber, die sich
an Göttcraugen reich machten. Es fällt mir
nicht ein, gclehrte Vorurtheile zu bekämpfen;
aber stellen Sie sich einmal vor, in unsern
Gärten und Muscen dcr Großen würde die
Kreide- und Lcinwandsgcsichter der Gyps-,
Marmor- u. s. w. Bilder der Nymphen, Fluß-
und sonstiger Götter, Heldcn und Menschcn
urplötzlich lebcndig, ich meine, unsere klassi-
schcn Helden würdcn cbcn so ängstlich vor
thren Schönheiten sich auf die Lappeu machen,
als die, wahrhaftig »icht bangen, Spartaner
vor Aristomenes und Genofsen, die sich mit
Gyps bestrichen hatten, daher für Gespenster
galten. Gewisse gelehrte Herrn glauben, dcr
Gespensterglaube stamme aus dcm finstern
Norden, gar Mittelalter, keineswegs aus dem
lichtreichen Griechenland; ich weiß nur, daß
Brutus Gespcnster sah, und der Glaube an
unbemalte klassische Kunst gewiß ein Ge-
spenftcrglaube ist, ebeu weil dte Hcidenwelt
zu viel Schönheitssinn hatte, um Uuschönes
zu bilden.

Jch denke, der Christ ist auch ein Mensch
mit gesundcn Sinnen, »nd er liebt nicht nur
die Farben, sondern die geistkgc und be-
deutungsvolle Farbenlehre ist viele Jahr-
hunderte vor Göthe eben !m Christenthume
entstanden. Nur bitte ich, hiebe-t an satte,
ächte, entschiedene Farben zu denkeu , nicht an
dominichinisches Grau in Grau oder ähnliche
Tintenmischungcn, die in allen Nuancen cines
abgetragcnen 61>nn§ea.nt schtllern, o-hne daß
man eine bestimmte Farbe angeben könnte.
Wir sind in unsern Farben, was wir tm Le-
ben sind, eben nichts Vestimmtes, -Festcs,
Entschiedenes. Dic Kirche ist anders ai ich >n

Äirchenschmuck. 18S7. L.

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