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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — 1.1857

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12. Heft
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Kreuser, ...: Briefe an eine edle Frau, [6]
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Sighart, Joachim: Ein Communiontuch der alten Zeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.18467#0216

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brämtcn Kleide, Don welchcr der vicrund-
vicrzrgste Psalni spricht. Gott stärke Jhre
Aibeitsfreiide und gebe dem Werkc Gclingen!

Xrvusor.

Ein Communiontuch der nltcn Zeit.

Wie erfindcrisch war doch das glaubens-
iiud liebevollc Mittelalter, nm Alles sinnig
und würdig zu zieren, was mit dem hochhei-
ligcn Sakramente in Berühruug kommcn
konnte, was tn seiner Nähe weilcn durfte!
Davon gebcn ein rührendes Zcugniß auch die
wenigen Coiiimiiniontüchcr, die sich ans jenen
Tagen erhalten haben. Während nian jetzr
nur zu oft noch eincn Streifen schlcchtcr
Baumwolle fnr genügcnd hält, uni dcn
Commuliioiitlsch zu dccken, oder währcnd
man cs für eine außerordrntliche Leistung an-
sieht, wcnn das Tuch mit einem geschmack-
losen Filetspitzchen umsänmt wird, hat das
Mittelalter nie vergeffen, daß dieses Tuch
jencn Tisch decken soll, an dcm der König der
Könige das Mahl der Liebe feiert, daß dieseS
Tuch also um so viel herrlicher seyn soll als
das Tischtuch eincs irdischen Fürsten, um wie
viel Gottes Majestät die Größe cines irdi-
schen Königs übertrifft. Man wußte, daß
dieses Stück Leinwand nicht blos das Tisch-
tuch Gottes sey, sondern daß cs auch mit dem
hochheiligen Leibe dcs Herrn in Berührung
komnien könne bei etiiem Unfall odcr wenn
Splitterchen ffch loslöstcn. Daher die Sorg-
falt, dieses Tuch aus der kostbarstcn Leinwand
zu fertigen, es auss Würdigste zu schmücken,
ja cs selbst zum Predigcr umzugcstalken, der
den Communlkanteii das Mysterium des Al-
tarsakramentes vor Augen hielt und ffnnig
erklärte. Dahcr überließ man die Fcrtigung
nicht der nächsten Nähterin, wie man es jetzt
allgemein thut, sondern inan zog einen Künst-
ler bei, und zwar cinen solchen, der nicht blos
Erfindungsgabe, sondern auch umfassende
Kenntniß der heiligen Schrist und der Glau-
benslehre bcsaß. Und gewiß ist die Bethei-

ligung eineS Künstlers an cinem solchen Werke
für ihn ebenso ehrenvoll, als wenn er sctn
Talent zur Aiisführung cines weltlichen Ta-
fclaufsatzes, eines Trtnkbechers oder eincr
Kaffehauszierdc verwendet. So ffnd also die
alten Commuiiiontücher entstanden durch Zu-
sammenwirken der Künstler, des Klerus und
gottgeweihter Frauen, die ihre höchste Kunst-
fertigkeit am Liebsten dem Herrn zum Opfer
brachten. Eincs der interessantesten und kunst-
reichsten Werke dieser Art befindet ffch im
Mntterhause der armen Schulschwestern zu
München, wohin cs aus eiiiem alten Kloster
bei Regensburg gekommen seyn soll. Ueber
diescs Cviiimuniontuch einige Notizen hiermit-
zutheilcn, ist der Zweck dieser Zeilen.

Das Tuch, von feincr Leinwand geftrtigt,
hat eine Länge von sechsFuß, eine Breite von
fünf Fuß. Es koinmt ihm also die Form zu,
die auch in kirchlichen Vorschriften gewünscht
wird, indeni das Tuch an der Vorder- nnd
Rückscite bedeulcnd herabreicht. Ueber das
ganze Tuch sind figurative Darstellungen mit
weißem Leinwandfaden eingefügt, die unsere
Bewunderung im hohen Maße verdicnen.

Jn dcr Mitte des Ganzen erblicken wir ein
großes Medaillon, welches das letzte Abend-
mahl vorstellt. Es ist dcr Moment gewählt,
wo der Hciland dem Verräther Judas, der
den Säckel trägt, den Bisscn reicht. Die Dar-
stellung ist ganz viiginell und zeugt von rei-
cher Erfindungsgabe und vom dramatischen
Talent des MeisterS. Alle Apostel (sonder-
barer Weise 14) sind in Bewegimg dnrch das
Wort des Herrn: Einer von cuch wird mich
verrathcn! Nur Johannes liegt ruhig an der
Brust des Heilands. DieKöpfe entbehren dcS
charakteristischen AusdruckS durchaus nicht,
die Gcwänder, Gefässe und Zicrden des Zim-
mers sind aber in den verschicdensten Arten
der Stickerei höchst geschmackvoll ausgesührt.
Auf dem Rahmen des Medaillons lesen wir
die Worte: Lbristus ist rvorclon g-elwrsaiu
kür uns bis in tot (lurumb liut ^ot in erboliot
mit einom nnm übor :il nnmon. An den vier
Ecken des Tuches sind kleinere Medaillons an-

Lirchcnschmuck. 1857. XII.

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