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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — 1.1857

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12. Heft
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Kreuser: Briefe an eine edle Frau, [6]
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https://doi.org/10.11588/diglit.18467#0215

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köniite, ohne anxustoßen, denn alS Mutter
Christi ist Maria auch Mutter des Evange-
linms und der Evangelisten; allein ich sage
einfach: von den Füßen habe ich den linken
vcrhüllt, und der rechte zeigt sich nur um etwa
die Hälfte, aber beileibe nicht nackt, sondern
wohlbekleidet. Warumdas? DerSchlange
soll nach der Schrist der Kopf zertreten wer-
den, aber da dicse in den unbewehrten Fuß
stechen würde, so muß der Fuß bewehrt seyn,
denn so nur läßt sich das Wort dcs Psalms
aussühren: 8uxer usxiäem st basilisoum am-
llulg-bis, st couculeabis tsonem et llraoouem,
d. h. „über Schlangen und Basilisken
wirst du einherwandeln nnd zertreten
denLöwen und den Drachen." Aber auf
derSandale bitte ich noch eineandereWaffe
nicht zu übersehen, nämlich das Krcuz, wcl-
ches alles Böse verscheucht und die unreinen
Mächte der Finsterniß bändigt. Jm Kreuze
siegte die christliche Welt, im Kreuze und durch
die Verdienste des zukünftigen Sohnes ist auch
Maria die makellos Empfangene und Bän-
digerin der Hölle. Sie sehen nun, Verehr-
teste,weßhalbichimI.Bd. ödesKirchenschmucks
die Sandale des Papstes Honorius I. habe
abzeichnen lassen, denn Päpste und Bischöfe
haben die schönen Füße als Boten des Evan-
geliums, Verkünder und Träger des Kreuzes.

Ueber den Mvnd unter den Füßen der heil.
Jungfrau alS Sinnbild des Unbestandes und
stets veränderlichen Wcchsels alles Jrdischen
sage ich Nichts, ebenso wenig über die Erd-
kugel, umringelt vvn dcr bösen Schlange,
welche die Sünde in die Welt brachte, denn
daS sind gar zu bekannte Dlngc. Nur Eines.
Gewöhnlich stellt man den Apfel im Munde
der Schlangedar, etwas nnappetitlich sogar für
eine naschhafre Eva; ich meine am Stiele
stände besser.

So hätte ich mein Madonnabild vvm Kvpfe
bis zur Zehe ans der heiligen Schrift aufer-
baut, und es gemacht, wie es die braven alten
Meister zu machen Pflegten, die ncuen machen
sollten, denn anf Einfälle, Genialität und
woraufsonstdieneuernHerrn stolz sind, kommt

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es in der christlichen Kunst nicht an, wohl aber
aus Sinn, Bedcutung und Geist, und zwar
den Getst, der aus der Schrifterforschung
hervorgeht.

Ein Neuer würde sagen, ich wäre fertig,
allein die Alten liebten ihre Bilder in Stein
bunt zu färben, was die Gelehrsamkeit
Polychromiren neniit; denn die spricht gerne
gelehrt, d. h. unverständlich. Eine Kasel muß
auch bunte Farben haben, und namentlich bei
der Gewandung gebranchte die frühere Zeit
iimner farbige Dessins, welche das Kleid gleich-
mäßig abtheilten. Da das ganze Bild auf
die heil. Dreieinigkeit gebaut ist, so scheinen mir
auch nur drei Dessins angeivandt werden zu
dürfen, sowie auch unsere schöne Mariensäule
in Düren dreieckig ist. Welche Dessins aber
passen hier? OhnelangeUmschweise sage ich: dcr
Grund der Gewandung wird am sinnigsten
blau seyn, und die Desstns auf dem Blau sind:

1) Der brennende und nicht verbrennende
Dornbusch des ewigen Vaters, von je-
her auf Maria gedeutet.

2) Die geheimnißreiche Rose der Geburt
des Sohnes, oder das Einhorn, dessen
schöne Legende Sie kennen, daß es nur
von einer makellosen Jungfrau stch fan-
gcn läßt.

3) Das jungfräuliche Glas, durchleuchtet,
ohne verletzt zu werden, vonden Strah-
len des heil. GeisteS.

Wie Sie diese Dessins ordnen und in den
Falten des Gewandes vcrtheilen wollen, muß
ich natürlich Jhnen selbst überlassen. Jm Noth-
salle nehmen Sie einen geschickten Maler zu
Hülfe, einen geschickten, sage ich, keinen
Pinsler oder gar Anstreicher, denn im Mit-
telalter rechneten es die besten Maler sich
zur Ehre, und hielten es für ein Gottcswerk,
die Bilder der hcil. Jungfrau und aller Hei-
ligen an Gesicht, Händen und Gewand ebenso
sorgfältig u»d fein auszumalen, als jetzt bei
dem Abbilde einer fürstlichen Person geschehen
würde. Daß das Gold nicht gespart werden
darf, verstcht sich, denn die heil. Jungfrau ist
ja dic Königin im gold- und buntver-
 
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