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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — 1.1857

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5. Heft
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Historische Notizen über die Kasula
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Sighart, Joachim: Wie ein Damenschmuck die edelste Verwendung findet
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https://doi.org/10.11588/diglit.18467#0091

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74

Zeit des Concils von Tricnt lebte, klagt hier-
über. Die neue Kasel, außcrt er sich, sey so
^nrückgeschnitten nnd derartig in eine andere
Form verunstaltet, daß ste dcn Namen der
Kasula, ans der sie entfland nnd entartete,
kaui» mehr verdiene. (Binterim, Denkwürdig-
keiten Pd.4, Thl. 1, S. 211.)

Aber auch das ist nichl die leyte Verände-
rung. Die reichen Stoffe, die das 16. und 17.
Jahrhundert bci seiner fast ercessiven Pracht-
liebe in ungewohnter Schwere und Sprödig-
keit zu den heil. Gewändern verwendere, ge-
statteten nicht die Lcichtigkeit der Bewegung
der Hände während des heil. Opfers, wie
die, wenn auch dichten, so doch geschmeidigen
Seidenstoffe dcr frühern Zeit. Man schnitt
also die Porderseite der Kasnla zn dem ge-
nannten Behuf noch weiter aus und legte da-
mit den Grund einer Form, welche der Kasula
in nenerer Zeit leider nicht mit Unrccht einen
bekannten Spotinamen eingelragen hat. Jm-
merhin aber mnß zugestanden werden, daß die
lctzten zwei Jahrhunderke noch eine Colidität
und einen Ernst Ler Anschauung bewahrten,
der im laufendcn Jahrhunderte vollends zu
Grunde gegangen ist, soweit die von der Kirche
gauz unabhängige Jndustrie der Fabrikalion
der Stoffe sowohl als der ganzen Ausstattung
und Herrichiung des priesterlichen Gewandes
sich bemächtigt hat. Dieser Zustaud wäre
trostlos, wenn das alte schöne Gewand der
ersten 12 Jahrhundcrte nicht wieder Freunde
gefunden hätte. Aber die Wahrheit zu ge-
stehen, so kann uns dieß nicht befriedigen.
Und warum nicht? Der Klerns soll nicht die
Archäologie studiren, blos um zu wifsen, was
in alter Zeit geschah, sondern um zu prüfen
und das Beste zu behalten. Nicht daS Wissen
wird uns retken, sondern die Wifsenschaft,
welche ein sicherer Leitstern des eigenen Thmis
nnd Lafsens ist. 8.

Wie ein Damenschmuck die cdellie Ver-
mendung f'ndei.

Lln dem glanzstrahlenden Hofe Elisabeths
von England befand stch anch ein Edelknabe
aus einem al.ken deutschen Geschlechte, nämlich
I. Konrad von Gemmingen. Es war ja da-
mals Sitte fnr junge Adelige, an fremden
Höfen Pagendieniie zu übernehineu und so die
Rcgeln des feinen Anstandes und der riiter-
lichen Sitte frühzeiiig sich einzuprägen. Dte
Königin schien an der Unschuld, Naivität und
blühenden Gestalt des deutschen Knaben be-
sonderes Gefallen zu haben. Als ste einstens
bei einem Hoffeste im ganzen Reichthum ihres
königlichen Schmnckes crschien, überschüttet
niit Edelsteinen und Diamanten, schien der
Edelknabe ganz geblendet und beiäubt ob der
hter strahlenden Herrlichkeit. Dieses bemer-
kend, lächelte die Königin und fragte den Pa-
gen: „Ob ste ihm also gefalle." Auf seiue
bejahende Antwort sprach ste weitcr: »Möch-
test Du wohl diesen Schmuck sclbst besitzen?"
Da cr natürlich auch hierauf mit einem naiven
»IaI' antworietc, sagte sie lechelnd: »Nun,
Konrad, wenu Du einmal ein Fürst bist, so
will ich Dir diesen ganzen Schmuck zur Be-
glückwünschung schenken!"

Viele Iahre waren unterdessen verflossen.
Die Königin gedachte wohl nicht mehr des
deutschen Pagen und ihres Versprechcns. —
Konrad von Gemmingen war in sein Vaterland
zurückgekehrt, war in dcn geistlichen Stand
eingetreten und unter die Domherrn des Kapi-
tels Eichstätt aufgenommen worden. Da ge-
schah es,daß er imJ. 1593 zumKoadjutor deS
Bischofs Kaspar von Seckendovs und im Jahr
1595 zum Bischof von Eichstätt erwählt wurde.
Jetzt war die Bedingung der Königin von
England wirklich in Erfüllung gegangen, der
zarte Page war Fürst des heiligen römischen
Reiches deutscher Nation gewordcn. Da ge-
dachte Bischof Konrad jenes Vorfalls seincr
Zngendzeit und beschloß, die stolze Königin,
die bereits in das höhere Altek eingetreten, an
ihr Versprechen zu mahnen. Er zeigte ihr
 
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