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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — 1.1857

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5. Heft
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Historische Notizen über die Kasula
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https://doi.org/10.11588/diglit.18467#0090

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heil. Cäsarius von Arles, dcrcn Erlös er,
wie oben bemerkt wurde, einem Armen be-
stimmte. Unbestritten war diese Form bis
zum Jahr 1011 dem Todesjahre des seligen
Willigis, Erzbischofs von Mainz, ja bis zum
Jahre 1083 im Gebrauche. Denn in jenem
Jahr wurde Willigis mit der glockenförmigen
Kasula bcerdigt, die später wieder ausgegra-
ben wurde und heute noch in der Stephans-
kirche zu Maiuz im Gebrauch ist. AuS dem
Jahr 1083 sahen wir eine Kasula, die nach
der Verstcheruug eines Freundes, ihres jetzi-
gcn Bcsitzers, in dieserZeit zu gleichenZwecken
gebraucht wurde. Jm 11. Iahrhundert aber
scheinen Aenderungen eingetreten zu seyn.
Zwar bemerkt man schon an der Kasel des
heil. Willigis zu beiden Seiten an deu Stellen
des Gewandes, welche auf den Armen ruhen,
einen kurzen Einschnitt, aber er thut der Form
des Gewaudes durchaus kcinen Eintrag. Im
Jahr 1280 starb der selige Albert der Große,
Dominikancr zu Köln; nach Vorschrift wurde
er mit einer Kasel bcgraben, welche in diesem
Jahrhuudert gelegcntlich der Translociruug
der Gebeinedes Seligen wieder erhoben wurde.
Diese zeigt schon einen bedeutenden Ausschnitt
in der Ausdehnung, daß er um wcniges über
die herabhängenden Arme hcrausreicht. Aber
vorn und rückwärts hat ste noch die Länge
der alten glockenförmigen Kasula. Wenn es
wahr ist, daß dcr heil. Bernhard tn dcm im
AchnerMünster unter demNamen der„Bern-
hardskasel" aufbewahrten und von uns im
4. Heft unseres Archivs mitgetheilten Meß-
gewand celebrirt bat, so können wir unsern
Lesern mit dem dort gegebencn Muster das
genaue Bild ftner Kasel bieten, wie sie in der
Mitte des IL.Jahrhundcrts gebräuchlich war.
Die Pfarrkirche Brauweiler bewahrt ein vom
heil. Bernhard 1144 gebrauchtes Gewaud von
ganz Lhnlichen Formen.

Die eben beschriebene Kasula des 12. und
13. Jahrhunderts hat ganz und gar die Form
der ursprüngltchen Kasula, wenn dieselbe
während dcs Opfers auf die Arme des Prie-
sters gelegt war. Angesehen also die bei der

heil. Mefse in die Augcn falleude Form, so ist
unsere Bernhardskasel allerdiugs der muster-
giltige Canon für das Meßgewand aller Zei-
ten. Man thut sehr uurecht, diese Kasula die
deutsche zu ncnueu, und in diesc Bezeichnuug
den Vorwurf zu legen, als ob die Freunde
derselben von nalional-kirchlichen Träumereieu
befangen seyen. Jn Nom sclbst ist in der
Kirche Naria 6el popolo ein Grabstein mit
der Jahrzahl 1400, der das Trd des uiner
ihm ruhenden Priestcrs trägt: er ist mii ebcn
dieser Kasel bekleidct. Aus der glockenförmi-
gen Kasula hat sich die des 12. Jahrhunderts
in aller Welt gebildet. Wo immer sie also
auf die Armc des opferuden Priesters gelegt
wird, so wird ste doch überall dieselben Um-
risse geben, wie sie die schon ausgeschnittciie
Beruhardskasel aufweist, sey es am Straude
des Rheins oder der Douau, in der neuen
oder alten Welt. Baustyl uud Natioualilät
si»d bei der durch den Ausschnitt erzeugten
Neubildung gleich sehr außer Wirkuug ge-
blieben.

Von da an verlor dieseS schöue Gewaud
immer mehr von seiner würdigen Form, bis
es eudlich im 16. Jahrhundert in der Weise
zusammenschrumpsie, wclche wir in den kaiho-
lischen Kirchen Euglauds wieder aufleben
sehen, uud welche auch in Deutschlaud da uud
dort ich dem osfenbar gutgemeinten Willen,
das schöne Mittclalter nachzuahmen, wieder
gebraucht wird. Dtese Form ist gerade noch
so groß, daß sie das Miuimum eincr Kasula,
wie die des heil. Bernhard erscheinen kaun, im
Ganzen genommen die Umrisse der lctztcrn
aufwetst, aber rücksichtlich dcr Fülle der Dra-
perie schon zu ärmlich ist, um eincrseils den
vollen Beifall des Sachkenners zu erutc», an-
derseits spöttischen Bemerkungen ganz zn eut-
gehen. Der ersten Hälfle des I K.Jahrhuuderts
jedoch, vtelleicht schon dem 16. war auch dicser
schwache Ucberrest der alten Form noch uner-
träglich; man gab der Kasula nach vorn und
rückwärts statt des spitzigen einen rmiden Zu-
schnitt, wodurch sic abcrmals bedeuteud ver-
kürzt wurde. Der Bischof Lindanus, der zur

Kirchenschmuck. 1857. IV.

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