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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — 1.1857

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4. Heft
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Laib, Friedrich: Praktische Fragen, [1]
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Fey, André: Die Kasel des heil. Bernhard
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https://doi.org/10.11588/diglit.18467#0067

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52

„Zugestandm," sagt die gencigte Leftrin, >
„die Sachcn siiid recht schön: aber sollcn
wir dieß Muster ausführen?"

Dauüt sind wir bei der crsten praktischen
Frage angelangt. Oder ist sie nicht schon be-
antwortct?

Noch vielcn, vielen Fragen prakiischer Be-
deutung begegnen wir. So Gott will, soll
jede cine Antwort haben.

Die Sasel des heil. Dernhard.

Die AachenerMiinstcrkirche bewahrt in ihrer
Schatzkammernebstvielenkostbarenmittelalter-
lichen Gefäßen eine Sainmlung uralier, zum
Lheil in die vorconstaiilinischeZeit reichender,
gewirkrer Stoffe von der größten Seltenheit,
wie auch manche interessaiite Stickereien, welche
ersprießliche Aufschlüsse übcr das technische
Derfahren bei solchen Arbeiten zu gebc» im
Stande sind. Wir glauben dem verdienst-
vollen Sireben, welchem diese Blälter gewid-
mek sind, Borschub zu leisten, wenn wir auf
ein in dteftr Schatzkammer unter dem Nanien
„Kasel des hcil. Bernhard" aufbewahrtes
Meßgcwand aiifmerksam niachen und eineZcich-
nuiig dessclben vorlegeu. Wenn cs nusere
Absicht nicht sepn kann, den chrwürdigen Tra-
ditioiien der karolingischen Basiliken ihren
Wer.h abzusprechen, so wollen wir noch we-
niger dem schönen Gewande blos dadurch sein
hohes Alter vindiciren, daß wir uns auf den
Namen des heil. Bernhard stützen. Ueber-
haupt wäre eine gründliche Erörlerung über
das Altcr dieses Priesterkleids nicht an ihrer
Stelle tu einem Blatt, welches weniger archäo-
logischen Forschungen als prakiischen Zwecken
gewidmet ist. Wir begnügen uns daher hier
niit der Bemerkung, daß die Kasel des heil.
Bernhard mit ihreu freistehenden (detachirten)
Derzierungeii weit über jene Periode hinauf-
reicht, in welcher (wie im 16. Iahrhnndert)
die brciten, kompakten, mit Fignren auf dop-
pelter Leinwand bestickten S:äbe dem Meß-
gewand schon jene unbeholfene Steifheit ga-

ben, welche dcn freicn Faltenwurf behindcrte
und daher schon eine bedeutende Beschiieidung
des Gewandcsdringend erforderte. Der Schnitt
der Kasel des heil. Bernhard hält die Mirte
zwischen der alten Planeta, welche glocken-
förmig rings um den Körper bis nah zum
Boden deckte, und den Gewändern des 16.
Iahrhundcrs, bei welchen schon die gewand-
liche Bedeutnng dem Druck einer steifen Ver-
zierung wich. Gibt auch diese Renaissance-
form mit ihren noch vielfältig mittelalterlichen
Bildverzierungen ein unvcrgleichllch schöneres
nnd würdigeres Meßgewand, als das heutige
ist, so liegr doch in jenerForm schon der Keim
zn der Ausartung, die heute zumal unter den
i Händen französischer Schneider so weit ge-
diehen ist, daß der Priester ani Altar wie
! zwischen zwei Brettern mit offenen Armen und
^ Schnltern eingepackt stcht, und die vordere
Seite gar die nnanständige Gestalt cines Pio-
linkastens oder Schnürleibchens bietet, so daß
^ die Befürchrung eines geistreichen deuischcn
Malersgerechtftrtigtcrscheint,dieKaftlmöchte
am Ende noch bis zu einem Ordenszeichen im
! Knopsloch ciiischrumpftn, wie in gewissen

> Gegendennoch unlängstKapuziner ihre braune
^ Kaputze in verjüngtem Maßstab auf dem

> schwarzen Frack an einem seidenen Bändchen
^ trugen.

i Wer dagegen das vorliegende Priesterkleid i
^ in seiner vollen Ausdehnung eiblickt, bei dem
könntedieBefürchtungregewerden, daffelbesey
jedenfalls doch zu weit abweichend von der leider
noch gebräuchlichen Form, als daß man wa-
gen sollte, damit beim Gottcsdienst vor das
Volk zurreten. DieseBefürchtung dürftedann
zu der Vorsicht vcrleiten, bei dem unabweis-
lichen Bedüesinß, aus dcr modernen Verschnit-
tenheit um jeden Preis herauszukommen, zu-
erst zu der Form des 16. Jahrhunderts, wie
dieselbe in schier allen katholischen Kirchen
Englands eingeführt ist, überzugehen. Wir
sind nicht dieser Anstcht und können unsere
Meinung aufErfahrungen stützen. Wird das
in seiner ganzen Ausbreitung sehr weit er-
scheinende Gewand angelegt und etwa durch
 
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