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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — 1.1857

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4. Heft
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Laib, Friedrich: Praktische Fragen, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.18467#0066

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51

aller Amrkemiung schöner Formen, nie ein
heimisches Gefühl cinflößen. Anf dem Boden
des christlichcn Alterthums dagegen, seh cs in
den dumpfen Grüften dcr Katakomben, oder
anf dem Mosaikboden eineS gothischen Doms,

! oder in den Gewölben einer Gerkamnicr, stnd
wir ln unserem Eigcnthum. Wir sehen hier
nichts Unbekanntes, Unerklärliches, wir ken-
nen die Bestimmung und den Gebrauch aller
dieser Gegenstände, und je höher ihr Altcr ist,
desto freudiger begrüßen wir ste als Zeugnisse
für dic Ehrwürdigkeit nnd Unveränderlichkeit
unseres Glanbens. Jn diesen Ränmen crklan-
gen die herrlichen Gesänge, die wir hente noch
stngen oder stngen sollen; auf diesen Altärcn
wurde das immerwährende Opfer vollbracht,
das heute noch dasselbe ist, wie vor achtzchn
Iahrhnndcrten; diese Kelche nmschlossen das
Blut des Erlösers, diese Gewänder nmfloßen
den opfernden Priester. Und all diese herr-
lichen Gegenstände, die unsern verdorbenen
Geschmack und unsere „fortgeschrittene Tech-
nik" so oft erröthen machen, sie sind erzeugt,
gcformt, vollendet worden durch den Geist,
von welchem dnrchdrungen zu seyn, unser
höchstes Bcstrcbcn und Glück ist, durch den
Geist dcs Christenthums in dcr Kirche. Und
weil dieser Geist unsterblich ist und unser
Glanbe unvergänglich, so wird er auch immer
dieselben Bedürfnisse hervorrufen. Wir be-
trachten daher die christlichen Alkerthümer nicht
blos als Zeugen der Vergangenheit, sondern
als wohlbekannte Freunde, die nns, die Nach-
geborenen, mit den vorangcgangenen Genera-
tionen vereinigen. Wir schließen nicht blos
aus ihrer Gestalt auf den Gebianch, der frü-
her davon gcmacht worden ist, sondern wir
finden keine Hindernisse, sie selbst zu gebran-
chcn. Wir sind nie genöthigt gewesen, eincn
schönen Chor mit Sperrsitzen zu verbaucn,
weil er unsern Gottesdienst störte, cin kost-
bares Gewand wegzuwerfen, weil wir nichts
damit anzufangen wußten, ein Sakrament-
häuschen als uunützes Möbel den Spinucn
znm Wohiiplatz cinzuräumen. Jm Gegcuiheil:
wir wissen nicht blos, wozu diese Gegenstände

so gcformt und ausgestattet worden sind, wir
bedürfen ihrcr heutzutage noch; und sind sie
auch so verdorbeu und verwittert, daß sie uicht
mchr benützt wcrden köiinen, so müssen sie
uns als Muster für Neubildungen dicueii.

Tas ist der wesentlicheUnteischied zwischen
derchristlicheuuiidderindifferentenAlterthlime-
forschung. Diese dient blos dem wissenschast-
lichen Jnteresse, uach Ciner Seite hin, nämlich
zur Aufhellung der Vergang.nheit, jene er-
füllt denselben Zweck in crfieulichster Weise,
aber sie dient zugleich auch dem fiischen, war-
men Leben, ja sie ist fähig, dieses, wo es nicht
mehr frtsch und warm ist, aufs Neue zu cr-
wärnien und zu crfrischen.

Wären alle Alterchumsfreuiide von denscl-
ben Gesinnuiigen geleitet, wie wir, so würde
man keine chriitlichcn Kunstdeiikmäler mehr in
Museeu u»d Sanimlungeu einsi'crreii, son-
dern an dem Orie wären sie aufgestellt, für
welchen ste geschaffen sind, inderKirche — zur
Verherrlichung des zu allen Zeiten unter uns
wohnenden Gottnienschen, oder in solchen
Sammlungen, die, jedem lernbegierigen Künst-
ler und Gewerksmaiine zugänglich, wte das
erzbischöfliche Museum zu Köln, ein geuiein-
nütziges Musterlager des Schönsten ans allen
Bildungszweigcn darbieten. Wenden wir das
Gesagte auf den speziellen Zwcig der Para-
mentik an. Nur Eine Stimme hcrrschc dar-
über, wie jämmerlich dieses Fach darnieder-
liegt. Fast jede Kirche, die reiche noch mehr
als die arme, weist genug Jnvenlaistücke auf,
an welchen theurer PreiS, schlechtcr Stoff uiid
geschmacklose Form unsere bisherige Gleich-
giltigkeit iu Behaiidluug dcr liiurgischen Ge-
wändcr laut anklagen. Tagegeu könncii
wir an dcn wenigen Gewandresteu, die aus
alter Zeit noch vorliegen, nicht genug bewun-
dern, den soliden Stoff, der den surchibarsteii
Mißhandlungen Jahrhunderte lang getrotzt
hat, die cmsige und geduldige Arbeit, die
Schönheit derForm und den feinenGcschmack
der Verzicrung. Unsere bisherigeu Milihci-
lungen, alten Mustern nachgcbildet, werden
diese Behauptung gewiß nicht Lngen strafen.
 
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