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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — 1.1857

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2. Heft
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Bock, Fr.: Technische Erklärung der Beilagen, [2]
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Lewald, August: Jerusalem, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.18467#0036

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th»t.) Zu cincr schmcilern Verzierung kann
man es anch cinfach (in halber Brcite) ge-
brauchcn.

Linnenorrrament, wiel>ra. Z.
F. Fortsetzung des in Heft l. ange-

fangenen Minuskel-Alphabets.

Ierusalem.

Eine Mittheilung von August Lewald.

II.

Es ist oielfach gesprochen worden von der
Trostlostgkeit und dem Todesschrecken, die sich
jetzt über die Wüste von Juda crstrecken. Ein
Jeder empfindet auf seine Wcise; ich muß ge-
stehen, daß sich in mir, bci ihrem Anblicke,
die Jdee der Schönhcit regte, und zwar einer
ernsten, schwermüthigcn Schönhcit, wie sic sich
sür eine zwar gefesselte Königin schickt, die
aber immerhin Königin gcblieben ist.

Jcrusalem ist schön, und ich begreife voll-
kommen den Zauber, welchen cs auf die Be-
dninen ausübt, die cs nicht anders als: „sl
Eoäseb", das Heilige, nennen. Rings um die
Stadt nicht cin bebautes Feld; kein Garten,
kein Baum in ihrer nächsten Nähe, die Wüste
überall. Jerusalem vereinsamt in einer maje-
stätischen Oedc. Nichts zieht ab von den Be-
trachtungen, denen man sich hier überläßt;
nichts zerstreut die Gedanken in der großen
Erinnerung. Hohe, mit Schießscharten ver-
sehene Mauern, von massiven, viereckigen
Thürmen unterbrochen, begrenzen den Um-
kreis der Stadt nnd zeichnen ihre Silhouette
mit scharfen Strichen, anf dem hartabstechen-
den Grund einer unwandelbaren Himmels-
bläue, die nnr durch die spitzen Pfeile der Mi-
narets zerrissen wird. An eincm schönen Som-
mertage kann uns dieser Anblick, durch den
glühenden Widerschein von den Felsen noch
mit erhöhterem Lichteffekte bestrahlt, Schwin-
del erregen.

Als wir das Platcau errcicht hattcn, mach-
ten wtr Halt; ein Jedcr wollte sich sammcln
nnd mit sich allein seyn. Welchen Glauben

man anch bekenne, welche Symbole man auch
veyehre, Alle anerkennen dic Wahrheit, daß
in diesen Mauern daS größte aller mcnschlichen
und göttlichen Dinge sich erfüllt hat, daß dic
Geschichte dieser Stavt, die Geschichte des
Himmcls und der Erde ist, und daß von der
Höhe dieses Golgatha, welche Jerusalem be-
herrscht, Christus — als ihmVlut undWasser
aus der geöffneten Seite rann — dcn Samen
der Liebe ausstrcute, der unter dcr Lohe der
Verfolgungen zur Ernte heranreifte, welche
noch jetzt die Wclt speist und erqickckt.

Der Pater Guardian des heil. Grabes, wel-
cher von der Ankunft der Pilger benachrich-
tigt worden war, kam densclben bts vor die
Manern der Stadt cntgegen. Einige Priester
und eine große Anzahl christlicher Einwohner
schloßen sich ihm an, um uns eine Ehre zu
erweisen und den Zug zu vcrgrößern.

Man weiß, daß früher die Franken — wie
man im Orient alle Europäer zu nenncn pflegt
— nicht zu Pfcrde ihren Einzng in Jcrusalem
halten dnrften. Sie mußten vor den Stadt-
thoren absttzen. Der wicdererlangte Einfluß
und die milderen Sitten befreiten uns von
dieser Schmach. Wir kamen als Verbündete,
nicht als Besiegte. So ritten wir denn durch
das Thor 8ab-eI-LImIi<Z, „das Thor dcr Viel-
geliebten", in dic Stadt, welches tm Westen
derselben liegt, und auch das Thor von Jaffa
oder das Thor der Pilger genannt wird. Die
türkische Wache, in weißen Pantalons, blaucr
Jacke und rothem Fcz, ließ uns friedltch Passi-
ren, und dte Gruppen von Arabern, auf den
Fersen kauernd und den Tschibuk in der Hand,
drehten nicht einmal den Kopf, um nach uns
zu sehen. Rechts ließen wir den Thurm Da-
vids, und dann kletterten wir etne enge Straße
hinan, einen Pfad für Ziegen, zwischen zwei
Reihen fensterloser Häuser, bis wir nach dem
Hosptz der tlasu nuovu kamen, welches die
PP. Franziskaner gebaut haben und in wel-
chem sie den Dienst versehen.

Gasthäuser gibt cs fast keine in Palästina,.
man übt Gastfreundschaft. Klöster aller Art
öffnen den Fremden ihre Pforten. Bei der

Lirchcnschmmk. 18S7. II.

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