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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — 1.1857

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2. Heft
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Lewald, August: Jerusalem, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.18467#0037

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26

Ankunft erhält man Atles und beim Abzuge
wird nichts begehrt.

Das Erste, wornach der ankommende Pil-
ger seine Schritte lenkt, ist die Kirche des h.
Grabes. Jn dieser Kirche findet man, gleich-
sam wie absichtlich, die größten Heiligthümer
des Christenthums vereinigt: den Kalvarien-
berg, das h. Grab, den Stein der Salbung,
auf welchem der Leichnam des Herrn mit Spe-
zereien gesalbt wurde, das Gefängniß Christi,
die Säule dcr Geißelnng, endltch alle Leidens-
stätten, die Kapellen der Entkleidung, der
Kreuzigung, der Erscheinung Christi, die sei-
ner Aiutter und Maria Magdalena zu Theil
ward. Dahin sührten uns auch unsere Schritte.

Alle Tage, »ach beendigter Vesper, ziehen
die PP. Franziskaner in Prozessivn, mtt Ker-
zen tn der Hand, nach den Heiligthümern, um
dort im Gebete niederzuknien. Es besteht der
Gebrauch, daß die Pilger am Tage nach ihrer
Ankunft eingeladen werden, sich de» frommen
Vätern anzuschließen. Die heiligen Gesänge,
der mächtige Klang der Orgel, die Düfte des
Weihrauchs, dieß Alles erhebt die Seele und
bereitet sie auf die Eindrücke vor, welche ihrer
an senen hochverehrten Stellen warten.

Wir wollen dieser Prozession folgen; einen
bessern Führer bei dem ersten Besuche der h.
GrabeSkirche können wir nicht finden.

Nachdem die Väter den Chor ihrer Kapelle
verlassen haben, begeben sie sich zu der Säule
der Getßelung. Von ihr befindet sich nur noch
ein Bruchstück in Jerusalem, tndem ein Theil
derselben nach Rom gebracht wurde. Das
Fragment der Säule ist ganz mit Metall be-
kleidet; man hat ihr damit eine besondere Ehr-
furcht bezeugen wollen, allein sicherlich hat
man den religiösen Eindruck geschwächt.

Die zweite Station istdas Gefängntß Christi,
welches eine vier bis sünf Schuh umfassende
Dertiefung im Felsen bildet. Hter wurde,
nach der Tradttion, Christus eine kurze Zeit
bewacht, während man die Vorbercitung zu
seiner Kreuzigung vollendete. Dann verweilt
man an der Stelle, wo sich dte Prophezeiung
erfüllte: „Ste haben meine Kleider unter sich

venheilet und das Loos geworfen über metn
Gewand" (Ps. 21, 9).

Dte beiden hierauf folgenden Stationen sind
die Kapelle dcr h. Helena und der Kreuzes-
erfindung. Sie liegen auf dem Kalvarienfel-
sen, brette und hohe Stufen geleitcn hinan.
Die eine war das Oratorium der h. Helena,
!n der andcrn wurde das Kreuz aufgefunden.
Unweit davon ist ein Säulenstumpf, auf wel-
chen Christus sich setzen mußte, als man ihm
dieDornenkrone aufdrückte und ihm das Rohr
in dcn Arm legte, als Scepter seiner ver-
höhnien königltchen Würde.

Die Prozesston erstetgt hierauf den Kal-
vartenberg und singt dabet jene schöne und
erhabene Passionshymne:

VexillL reZis proäeunt!

(Des Kömgs Fahne.geht hervor!)

Wte ergreifend ist dieser Gcsang, wenn sich
die von feterlichenSchauern durchbebtenStim-
men in diesen heiligen Räumen erbeben. Wir
hören ihn iu der Charwoche, tn unsern Kir-
chcn, mit fromm erhobenem Gemüthe; aber
wie viel schöner und beredter wirkt er hier,
mit halbcr Stimmc gemurmelt, dahinwehend
durch die lange Prozession der Mönche, an
dem Orte selbst, wo jene Mysterien sich er-
füllten, welche die Hymne feiert.

„Hier wurde scine Seite von der Lanzen-
spitze verwundct; hier floß das Blut mit dem
Wasser, um uns von unsern Sünden zu rei-
nigen! O Baum des Kreuzes, schöner Baum,
glänzender Baum, geschmückt mit dem Pur-
pur der Könige, hier trugst du, glücklichcs
Kreuz, den Körper Gottcs! Hier wägtest du,
gleich einer Wage, das Lösegeld einer wieder-
erkauften Welt! Hier — wiederholen nach
einer Pause die Stimmen der Priester—'hier
haben sie meine Hände und Füße durch-
bohrt!..."

Diese Lamentationen an den Orten, wo das
Opfer vollbracht wurde, erreichen einen Grad
von greifbarer Wahrheit, welcher Niemand zu
widerstehen vermag.

Aber jetzt stehcn wir an der Stelle, wo das
Kreuz sich erhob. - Dieß ist der Gipfel des
 
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