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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — 1.1857

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4. Heft
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Fey, André: Die Kasel des heil. Bernhard
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https://doi.org/10.11588/diglit.18467#0068

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53

die übcr die Nrme lcmfcnde Schleife geschürzt,
so bedeckt es dcn Körpcr in so schlichter Weise,
daß eine Abweichnng vo» dcr hentigcn Form
rur etwa Demjenigen bemerkbar ist, der zn-
gleich für dic großen Borziige dieses Schnitts
ein Ange hat. Ia die Abweichnng von der
gebränchlichen Form ist bei dieser ältern sogar
minder auffallend als bei der spälern, mehr
beschnittcnen der englischen Kaseln, bei wel-
chen dem Volk eine unglückliche Aehnlichkeit
mit einer Dainenmantitte lcicht auffällt. Darin
ist nnn anch dcr Grnnd zu snchen, warnm die
Kasel des heil. Bernhard sogleich nach dem
ersten Versuch, sie nachzuahmen, tn so großen
Kreisen ihre Verbreitung gefunden hat und
von sehr geübten Augcn als der klassischeKa-
non des Altargewandes angesehen worden ist.

Noch einem andern Grund hat aber die
Bernhards-Kasel die große Anerkcnnung,
welche thr gewordcn, und ihre vielfache Nach-
abmnng zu danken, nnd dieser tst es eben auch,
welcher nns bewogen hat, wo es sich darum
handelte, eine alie Meßgewandstickerei zur
Nachbildung vorzulegen, dicser vor vielen an-
dern glänzenden Musterndcn Vorzug zu geben.
Die ersten Anzeichen einer nahen Wiederge-
- bnrt der echten Stickkunst begrüßen wir crst
heute, nachdem in allen Zweigen mittelalter-
lichcr Kunstthätigkeit schon seit langer Zeit
ernste Versuche mit rcichen Erfolgen gekrönt
wnrden. So sehen wir allerwärts die herr-
lichsten Gefäßc in romanischen nnd gothischen
Formen aus dcn Werkstätien unserer Gold-
arbeiter hcrvorgehen, währcnd stch die Damen-
welt kaum noch von threm straminbespannten
Rahmen crhebl, wo sie ihr Berliner Mustcr,
wcnn auch nicht dnrchwcg selbst ausgeführt,
doch wenigstens im Fond eigcnhändig aus-
gefüllt hat. Von dcm rein mechanischen Thnn
der Slraniinstickerei erhebt man sich abernicht,
um svfort an eine reiche nnd freie Ftgnren-
stickeret in Gold und Plattstich zu gehen; die
hie und da eben erwachte, wenn auch noch so
feurige Vorliebe fnr diese edlere Richkung i
weiblicher Handthä.igkcit befähigt noch nicht
auf der Stelle zur Ueberwindung der unsäg- !

lich vielen technischen Schwierigkciten, welche
dieses Feld bietet. Wer nun diesen ersten Auf-
schwung nichi lähmen will, der muß derSache
Zeit lassen, sich auf sich selbst zu besinnen,
mnß die Aufgabe nicht gleich zu hoch stellen,
mnß also nnr solche Mnster bicten, welche
cinerseits der höchsten Anforderung der bessern
Richtung genügen, ohne von der andern Seite
weder eine zu große Kunstfertigkeit noch eine
zu große Ansdauer und Selbstverläugnung in
Anspruch zu nehmcn. Das ist es aber eben,
was unser Muster nach allen Seitcn hin lei-
stet. Mit wie geringcn Mitteln erzielt man
hier in der kürzesten Frist etwas vollendet
Schöucs. Auf eine dunkelblaue Seide (für
den Fall, wo man die Kasel dem Original
in der Farbc getreu uachbilden wollte. was aber
durchaus nicht einmal nöthig ist),* werden die
zierlichen Verschlingungen in Perlen aufge-
näht, ei»e Thäiigkeit, die durchaus nichts
voraussctzt als deu Willen, dem Altardienst
des Herrn eine schöne Perlenschnur zu opfern.
Man wird uns vielleicht einwcnden, daß wir
hier viel mehr als den guten Willen voraus-
setzcn, und die Opferung der Perlenschnur sey
doch eine starke Zumutbuug. Wenn wtr nun
aber, euch edlen deutschen Frauen gegenüber,
diese Zumuthung durchaus nicht maßlos fin-
den können, so sind wir doch bereit, auch diese
fallen zu lassen und uns mit deni gutcn Willen
allein zu begnügen. Wir sahen nämlich viele
Nachbildungen der Bcrnhark-Kasel, bei denen
man die fehlendeu Perlen in eincr Weise er-
setzt hatte, welche der Totalwirkung durchaus
keinen Abbruch lhat. Die Verzierungen wur-
den auf starkem Leinen in roher Seide einge-
häkelt, mit einem Silberfaden ringsum einge-
faßt uud nachträglich auf die Seidc applizirt.
Ein paar Wochen genügten, um das Ganze,
welches von nobelster Wirkung war, herzu-
richten. Sollte daS nicht zu unmittelbarer
Nachahmung führen, so wäre doch immer
etwas, unserem Zweck sehr Dicnliches, daraus

* Die Farbc der Seide ist bekanntlich durch
kirchlichen Gebrauch und entsprcchende Vorschristen
normirt.
 
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