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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — 1.1857

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1. Heft
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Lewald, August: Jerusalem, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.18467#0020

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11

nur auf einem kleinen Gerüste stehen, und daß
das Trugbild, welches uns äfft und unsere
Phantasie erregt, nicht den scheinbar so wei-
ten Horizont umfaßt, sondern oon unserem
ausgestreckten Arm erreicht werden kann. Nun
denke man aber, daß diese Wirkung hier von
eincm Bilde ausging, welches mtt besonderer
Stärke unser Gemüth ergreift und ein aus
Andacht und Bewunderung gemischtes Gefühl
in uns hervorruft. Jch konnte nicht des Ge-
dankens mich entschlagen, was derPilger wohl
empfinden müsse, wenn er nach der beschwer-
ltchen Reise endlich den hochhetligen Ort tn
der Wirklichkeit vor sich erblickt; denn bei atter
Macht der Täuschung ermnerten mich Dreh-
orgeln u»d Geschrci, die von draußen herein-
schallten, daß ich Meer und Wüste noch nicht
durchmessen, den Libanon noch nicht über-
schritten hatte, und daß mtch nur eine dünne
Bretterwand von dem wirren Getreibe der
Münchener Jakobidult trennte.

Mein Standpunkt war, nach der auch mir
später zu Theil gewordenen Erklärung, die
Plattsorm des, außerhalb der Stabt liegenden
armenischen Klosters, dessen uralte, von den
Zeitstürmen zerborstene und mit Rissen be-
deckte Kuppel mir zur Seite lag, während ich
in die von hohem Mauerwerk umgebenen
Klosterhöfe blickte, die durch passende Staffage
ihr eigenthümliches Leben crhielten. Gerade
unter mtr lag der Garten Gethsemaneh, von
welchem stch abwärts das dunkle Grün des
Oelbergs senkte, in dessen tiefstem Schatten
das Grab Maria's wahrzunehmen war. Dar-
über hinaus, fast in gerader Linie, erblickte
ich das nunmehr zugemauerte Thor, durch
wclches Christus seinen Einzug hielt, und den
Weg, den ste mit Palmen bestreuten. Atte
Gegenstände, auf welche das Auge fiel, waren
StätteN der heiligsten Erinnerungen, und eine
mit Wehmuth gcpaarte Andächtigkeit durchzog
die Brust und lenkte dte Seele zu frommer
Erhebung. Hier inmitten der Häuser die hohe,
dunkle Masse, das Haus des Ptlatus; dort
vor dcm Thore, die weißltchcn Gebäude, an
der Stelle, wo der Herr mit Seinen Jüngern

das letzte Nachtmahl hielt. Von diesem Orte
bis zumOelberg scheint es weit zu seyn; welch
ein langer Weg der schmerzenvotten Angst!

Das Auge verweilt nur flüchttg bei den an-
dern nralten Denkmälern; die Reste der kkm-
fassungsmauer des Salomonischen Tempels,
die Bnrg Zion, das Grab Samuels, Abra-
hams Opferstätte aufMoria, das Grab Absa-
lons! Der Erklärer zeigt uns das Thal Jo-
saphat, den Jordan, das todte Meer! Wir
folgen ihm kaum. Nur an Einem hängt der
Blick. Dort jenes große, alterthümltche Ge-
bäude, weitleuchtend a»f einem freien, von
Mauern mngebenen Platze, von einer massen-
haften Kuppel überragt, sich erhebend über
attes Andere, dort ist Golgatha und über
ihm wölbt sich die Kirche des heiligen
Grabes, welche alle Stationen der Leiden
nnsers Herrn umschließet.

Reichte glcich der Eindruck, den tch hier em-
pfing, für mich den Beschauer hin, so fühle
ich mich doch zu schwach, ihn durch metne
Schilderung m gletcher Weise bei meine» Le-
sern hervorzurufen. Jch bin aber so glücklich
diesen Mangel durch eine fremde Kraft im
votten Maße auszugleichen. Alles, was ich
beidemAnschauendes Panorama's*vonJeru-
salcm an mir erfuhr, crfahren täglich die from-
men Ptlger, die wirklich in das Heiligthum
einziehen dürfen, und von diesen ist es Einer,
vo» glühender Frömmigkeit erfüllt, mit hoher
Macht zu schildern begabt, den ich hier an
meine Stelle treten lassen will.

Es tst wohl als ein sehr charakteristisches
Zetchen der Zcit zu betrachten, dieser Zug
nach demOsten, nach der Wiege des Menschen-
geschlechts, nach dem Brennpunkte, aus wel-
chem uns das Heil entglomm. Verwirklicht

* Jch kann nicht umhin, den talentvvllen Ma-
ler des Panorama's hier zu nennen. ES ist Herr
Löfflcr in München, der es an Ort und Stclle
aufgenominen hat. Wie ich hörte, haben die PP.
Franziskaner in Mnnchen das Panorama angekauft
nnd es zum Geschcnke für den heil. Vater bestimmt.
Pius IX. hat diese fromme Gabe hnldvollst anzn-
nehmen geruht, und das Bild ist bereits iu Nom
angelangt, nm dort anfgestellt zu werdcn.
 
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