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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — 1.1857

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9. Heft
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Sighart, Joachim: Alte Paramente in Andechs
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https://doi.org/10.11588/diglit.18467#0166

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45

Hiillm zu lcgcn. Noch jetzt !st dahcr Andcchs
am reichsten in Bayern cm solchcn Hcilig-
tbiimcrn, noch fiillcn dicsclbcn eincn gcinzcn
^ Altar und die nahcn Wcmdc ciner eigens dazu
gcbautcn Kapcllc. llnter dicsen Hciligthuincrn
findcn stch nun auch noch hochstmerkwürdige
llcberrestc altcr Paramcnte und Stoffe, die
iinser Jntcrcsse in Ansyruch nehmcn. Zmar
können und wollcn wir für das traditionelle
und vom Küster erzahlte Alter dicser heiligen
Dingc nicht cinstchcn, da wir dic poetische
Gabe unsrcr Dorcltcrn im Mittclalter und
den Lügengcist der Gricchen kenncn, dic un-
sern frommcn Kreuztabrern so manches Falsche
gegcn schwcrcs Geld abgelassen. Abcr jcden-
falls stnd mebrcrc derselben ohne Zweifel ächt
und andre haben doch ein so hohes Altcr nach
dem Zeugnisse ihres Geprägcs, daß ste unsre
Bcachtung vcrdienen.

1. Ucber allen Zweifel erhaben ist dic Aecht-
heit des Brautklcides der hcil. Elisa-
beth von Thüringen. Es steht historisch
fcst, daß diesc Hciligc als Wittwc dcn heiligen
Bcrg zu Andechs, diese Stiftung ihrcr müt-
tcrlichen Ahnen, aus Frömmigkeit bcsuchte
und dicscs Gcschenk darbrachtc. Montalcmbcrt
sagt: „Sie brachte nach diesem aus der Hand
ihrcs Hauses unter den Schutz Gottes übcr-
gcgangenen Orte ein cdlcs Andcnkcn an ihr
ehelichcs Levcn, das sic in ibrer edlen Einfalt
dem neuen Gatten ihrer Seele opferre. Es
war ihr Hochzeitgewand, das ste am Tage
ihrer Vcrmählung mit ihrem viclgeliebtcn
Ludwig getragcn hatte. Sie lcgtc eS auf den
Nltar niedcr und schcnkte zugleich ein stlberncs
Kreuz, in dcm dic Marterwerkzcuge enthaltcn
warcn, ihr Rcliquicnkästchen und andrc ihr
thcure Gcgcnstände." Von jenem Braut-
kleide der Heiligen, das in eine Kasel soll vcr-
wandelt worden sein, ist noch ein großcr Theil
vorhanden und in cin Tuch von grüner Seide
eingehüllt, am Altarc angcbracht. Zwar be-
trägt es nicht mchr dic Größe eincr Ellc, auch
hat es durch langcs Vergrabenscyn unter der
Erde sehr gelitten. Denn dic Grafen von
Andechs, als sie kindcrlos sterben sollten,

wollten ihren Erben, dcn Schyren, mit dencn
stc in stctcr Zwietracht gelebt, nichts hinter-
lassen, vergruben also alle Hciligthümer und
zündeten Schloß und Kirche an, um sie zu
zerstören. So blicben dic Heiligthümer lange
Jahre untcr der Erde, bis ste durch ein Mäus-
chcn cntdcckt wurden, wic man sagt. Dadurch
ist auch jenes Kleid halb vermodcrt und cr-
stickt, während cin andrer Theil durch fromme
Pilger abgerisscn wurde. Dcnnvch erkennt
man noch Sioff und Tertur vollkommen.
Dcr Swff ist schwercs Seidcngewebe von
weißer Farbc, in welches zwci gegcn einander
aufstchcnde Löwen als Muster abwechselnd
eingewebt sind, ähnlich wie Bock in der Ge-
schichte der liturgischen Gcwändcr Taf. IV.
ein solches Motiv reigt. Es ist also noch ein
Gewebc, das vom Oricnte her bezogcn wor-
den war. Also gewiß auch in dicser Hinsicht
eine merkwürdige Reliquie!

2. Ein andres Stück Scidcngewebe soll ein
TheilvomMcßgewande des heil. Petrus
seyn. Wahrscheinlich hat hier eine Verwechs-
lung stattgefundcn, indem cin spätcrerPetrus,
der auch das Prädikat des Hciligen getragen,
viellcicht jcnes Mcßgewand bescffen, etwa
Petrus dcr Martyr oder Petrus Damianus.
Denn daß der vorliegende Stoff nicht zu den
Apostelzeiten hinaufrciche, ist jedcm Sachver-
ständigen einleuchtcnd. Es ist blauer Seiden-
zeug schwerstcr Qualität, in den gelbc Mu-
ster, nämlich zwci Streifen und eine Palmctte,
romanischcs Laubwerk, mitcinander abwcch-
seln. Der Stoff, gar zicrlich und geschmack-
voll, möchte wohl erst dem drcizehnten Jahr-
hundcrt angehören.

3. Drei Stolen werdcn ebcnfalls hicr
verchrt, denen hohes Altcrthum zukommt.
Während von der einen dic Sage geht, die
heil. Jungfrau Maria habc ste selbst dem
Lieblingsjüngcr Johanncs gewoben, wird
von den andern berichtet, die einc habe der
heil. Illrich, die andre dcr hcil. Pabst Grc-
gvrius, desscn wundcrbar verwandclte Hostie
auch in dcrKircke vorhandcn ist, bcim Dienstc
getragen. Jedenfalls schcinen mir diese Stolen
 
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