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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — 1.1857

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1. Heft
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Sonst und Jetzt
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Bock, Fr.: Zwei Vorbemerkungen zu der nachstehenden technischen Erklärung unseres Musterbogens
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https://doi.org/10.11588/diglit.18467#0016

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dcn blos natürlichen und noch mehr den heid-
nischen Bodcn verlassen nnd zur christlichen
Symbolik zurückkehren, sic muß den unscrn
. ehrwürdigen Domen und Kirchen so fremdar-
tigen Plunder neumodischer Erfindung vom
christlichen Altare verbanncn und ein Werk
^ schaffen, das in die übernatürliche und geheim-
nifivolle Harmonie mit dcu großartigcn und
schönen Bauten der mittelalterlichen Vorzeit
eintreten und ihre Wirkung, statt sie zu stören,
nvch erhöhen kann.

Aber wenn diese Aufgabe glücklich gelöst
werdcn soll, so muß nach der schon angedeu-
teten zweiten Seite hin noch eine weitere Be-
dingung eintreten: die Handarbeit frommer
Frauen und Jnngfraucn muß wieder zu der
alten Technik des Stickens zurückkehren und
die gebefreudige Unterstützung des Altars aus
der nämlichen Quelle schöpsen, aus der das
Mittelalter scine zarte und starke Liebe für die
Zierde des Hauses Gottes geschöpfthat. Zwar
hat es zu keiner Zeit an einzelncn für den
kirchlichen Ornat schaffenden Frauenhänden
gefehlt, aber sie haben in letztcr Zeit fast aus-
nahmslos zu dem für die priesterlichcn Gewän-
der vcrbotenen Wollenstramin ihre Zuflncht
genommen, und ihre Arbeit, ohne es besser zu
wissen, den armseligsten Mustern nachgebildet.
So hat es das Mittelalter nicht gehalten.
Dcnn alle jene heiligen Gcwänder aus der
Blüthezeit dcr Stickkunst, namentlich die unter
dem Namen bautolisss bekannten

Stoffe bezeugen deutlich, daß die bcdeutendsten
Malcr (besonders der niederdeutschen Schule)
mit eigencr Hand in kräftigen Strichen die
Zeichnung zu den bewunderungswürdigcn
Stickereien auf die Leinwand gcbracht haben.
Jn der Ansführung so ausgcdehnter und für
Jahrhunderte bcstimmter Arbeiten scheute man
natürlich keine Kosten, um das dauerhafteste
und solidesteMaterial, ganz besonders farbhal-
tige oricntalische Seide sich zu verschaffen. So-
bald die Gegenwarr sich entschließt, zu der soliden
Technik des Mittelalters zurückzukehren, wird
auch die Wahl ächten und wahren Materials
als eine natürliche Folge von selbst stch ergeben.

Mit welcher Ausdauer aber nicht blos in
der Blüthezeit der Stickkunst, sondern selbst
noch in dcr Zeit des Erlöschens der christlichen
Kunst derartige Stickereien ausgeführt wur-
den, möge dnrch ein Beisptel für viele veran- ^
schaulicht werdcn. Jm Anfange des 16. Jahr-
hunderts ist von den Nonnen des Ursuliner-
Klosters zu Köln einc vollständige Kapelle I
(Mcßgewand, zwei Dalmatiken und Pluviale) !
nebst Antipendium im feinsten Plattstich aus- j
gcführt worden, in einer Weise, daß heute noch ^
die Tradition erzählt, es hätten 12 Nonnen j
viele Jahre lang zur Anfertigung dieses
Prachtwerks verwendet, und die Anstrcngnng
sei so groß gewescn, daß einzelne der Schwe-
stern erblindet seien.

Da und dort, und besonders am Rheine
haben edle Frauen und Jungfrauen den seit
dret Jahrhunderten abgeschnittenen Faden der
Kunsttradition wieder aufgenommen; ihre Lei-
stungen beleben auf's Neue die Hoffnung in
uns, daß für unsern Kunstzweig eine neue
Epoche beginne. Jhre Förderung sei also all-
überall mit Vertrauen in die emstgen Hände
des frommen Geschlechts gelegt.

I)r. 8. i

Zwei Vorbemerkungen

zu der riachstehenden technischen Erklärung
unseres Musterbogens.

Zuvörderst muß man es bedauern, daß
heutzutage die Stickcrei von kirchlichen Orna- ^
ten sich meistens auf die niedrigste und kunst-
loseste Technik beschränkt. Eine Folge davon
tst, daß nicht nur dte vielen Arten von Sti-
chen, die man an mittelalterlichen Gcwändern
noch tn Meuge findet, ganz unbekannt gewor-
den und außer Uebung gekommen sind, son-
derndaßselbstdie Bezeichnung dieser ver-
schiedenen Stickweisen ganz verschwun- '
den ist. Wenn wir nun es in diesen Blättern
versuchen wollen, für die kirchlichen Ornate
fromme Frauenhände wteder zu dcr vielgestal-
tigen und schönen Technik des Mittelalters
nach und nach zurückzuführen, so kommen wir !
wirklich in Verlegenheit, um allgemein ver-
ständliche Namen dafür festzustellen.

Wir fühken nur zu sehr, daß mit dcr früher
 
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