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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — 1.1857

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2. Heft
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Kreuser: Briefe an eine edle Frau, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.18467#0031

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20

Kirche der Zeitlichkeit ntcht geringer dasteht,
denn als der Vertreter des Hcilands selbst, weß-
halb auch ntchts von seinenSöhnen undTöchtern
ohne seinen Willenunternommen werden darf,
die edeln Stickerinnen sich daher zuerst unter
seine Genehmigung, Ueberwachung und seinen
Segen zu stellen die pflichtmcißige Klughett
hatten. Ueber dte Kasel nächstens, damit
das Schreiben nicht über die Gebühr dcs
Blattes sich ausdehne. Also ein Wort über
die Mitra.

Haltm wir an unsern Grundsätzen fest, so
muß auch die Bischofsmütze auf den Grund
der beiden Testamente erbaut werden. Wte
macht man das? Die Mitra giebt selbst durch
ihre Gestalt schon manche Erklärung. Sie
besteht aus zwet Spitzen und dtese bedeuten
die beiden Testamente, die Vorderseite den
neuen, die Rückseite den alten Bund. Erster
Lehrer in beiden ist der Bischof, zugleich
Wächter der ihm untergeordneten Lehrer, er
muß also selbst in beiden wohl bewandert
seyn, namentlich um die Feinde mit den Spitzen
(Hörnern sagt das morgenländtscheBild schon
seit dem Lehrer Moses) abwehren zu können.
Dann hängen über's Schulterblatt, auf denen
das Joch des Herrn nach der Schrift zu tra-
gen ist, zwei Bänder, deutend auf den Geist,
der lebendig macht, und den Buchstaben der
Schrist, welcher tödet. Auch ist die Schrift
als Geschichte und Vordeutung zu unterschei-
den, und die Bänder werdcn auch in dieser
Beziehung auf betde Erklärungsweisen der
Schrift als Geschichte und Geheimniß (My-
stik) gedeutet. Die Bänder enden tn Fim-
brien, dünne seidne Einzelfädchen, oder wie
man am Rheine sagt, in Fläuschen, den Bi-
schof zu mahnen, daß auch die Kenntniß der
unscheinbarsten Kleinigkeiten der Schrift ihm
nicht abgehen darf. Um die Mitra läuft als
Einfassung ein goldener Kreis; denn betde
Testamente, gegenseitig sich ergänzend, bilden
eine Einheit zwischen Altem und Neuem;
und wie es bei Matthäus (XIII, 52) heißt,
soll der Lehrer des christltchen Reiches^aus
seinem Vorrathe Neues und Altes bringen. !

Die vollendete Wissenschaft muß also dem
Bischofe beiwohnen, damit ernicht Blinde als
Blinder führe, und das Wort des Herrn beim
Propheten Osea (IV, 6) ihn treffe: „wcil du
die Wissenschaft von dir gestoßen, will tch
dich verstoßen, daß du nicht mehr mein Prie-
ster seyest."

So viel genüge, obgleich wir weitläufiger seyn
könnten, um zu zeigen, daß die Mitra wiejedes
kirchliche Gewandstück etnen tiefen heiligen
und hetlig machenden Sinn in sich schlteßt.
Da diese allgemeine Form gegeben ist, wie
werden Sie nun die übrige Ausschmückung
halten? Sie nehmen hiezu anerkannte Vor-
bilder ans dem guten Mtttelalter, wie deren
jetzt in Aachen und Köln gestickt werden, oder
bauen sich selbst eines auf Grund des alten
und neuen Bundes. Z. B. auf die Vorder-
seite des neuen Bundes kommt in die Mitte
Christus am (grünen) Holze des Lebens,
der ewige Btschof, oben in der Spitze der
gute Hirte, unten auf der Etnfaffung in
Medatllonform das Lamm der Offenbarung
auf dem Buche mit den sieben Siegeln. Jn die
leeren Stellen zu beidcn Seiten passen ganz gut
die Verkündiger des Herrn, welcher der gute
Hirte und das Lamm tst, die vier Evangelisten
oder ihre Sinnbilder. Dieser Vorderseite
müßte natürlich dte Rückseite des alten Bun-
des entsprechen. Also in der Mitte Moses
betend gegen Amalek und gestützt von Aaron
und Hur, oder Moses mitder erhöhten ehernen
Schlange, Sinnbilde des erhöhten Christus,
in der Spitze Melchisedech, ebenfalls Sinnbild
des Herrn, unten auf der Einfassung das
Medaillon von David dem Messiassänger, tn
den leeren Stellen zu beiden Seiten die vier
großen Propheten, den vier Evangelisten ent-
sprechend. Die Bänder könnten auch nvch ge-
schmückt werden, und zwar das Band rechts
mit dem Bilde des Glaubens, das Band
links mit der Stickerei der Synagoge, wie sie
beide sehr oft an alten Cruzifiren gefunden
werden. Die näheren Beziehungen überlasse
tch Jhrcm eigenen Scharfsinne, damein Schrei-
ben ohnehin lang genug geworden, und hof-
 
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