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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — 1.1857

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2. Heft
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Bock, Fr.: Ueber Entstehung, Form und ornamentale Ausstattung des Röckleins (Rochet, Chorhemd)
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https://doi.org/10.11588/diglit.18467#0033

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woi'den war, von dcmselbcn nichts mchr zum
Vorschcin kam nnd das Röcklein znletzt nnr
aus einer kostbarm Spitze bestand. Diese nn-
gebürliche Steigerung des Ornaments an dem
frühcr so einfachen Gewande* rief wohl hin
nnd wieder einen scharfen Tadel von Sciten
einzelner Bischöfe hervor, ja in einigen Diö-
cesen wurde das Tragen sämmtlicher Spitzen
an den Rochets nntersagt, wie das hente noch
in der Erzdiöcese Lyon der Fall ist.

Jn neuester Zett sind nun wohl diese kost-
baren sog. Brabanter Spitzen seltener gewor-
den und haben bereits durch ihr Alter nnd
durch ihre kunstreiche Technik einen Anstrich
von Würde und Feierlichkeit erhalten, zu-
mal wenn sie nicht über Gebühr breit sind;
dagegen hat sich die Jndustrie, die keinen
Zweig außer Acht läßt, der ihr nur ir-
gend einige Vortheile einbringen kann, in
einer Weise dieses kirchlichen Ornamentes be-
mächtigt, dte nicht nur dem fraglichen Ge-
wande einen profanen Charakter aufdrückt,
sondern die nicht einmal auf irgend einen
reellen, geschwetge denn Kunstwerth Anspruch
machen kann. Diese Röckleinspitzen werden
massenweise in Baumwolle ** von Fabrikanten
und Spekulanten gewebt, die in der Regel
nicht den entferntesten Begriff haben, wozu
ihr Fabrikat denn eigentlich dtencn soll. Fer-

* Noch iii der crsten Hälfte des 1K. Jahrhnii-
derts wareii die Röcklein der Domherrn meistcns
ohne Spitzen, wie man das auf vielen Bildern der
altdentschen Schule wahrnehmen kann; so sah man
anf der mittelalterlicheu Aiisstellung ini erzbischöf-
lichen Musemn zn Köln im Somnier 185k ein
prachtvolles Gemälde des äitern Hvlbein, aus
der werthvollen Sammlung des Hrn. Kaufmann
Ncven, vorstellend einen Dvmherrn im Rochet,
mit weiten Aermeln, ohne allen Besatz und Gar-
nirung, nur war das weite Röcklein in viele kleine
Faiten beim Bngeln gelegt wvrden, ein Brauch,
der sich heute noch in 8tom und vielen andern
Diöcesen erhalten hat.

** Liturgischen Vorschristen (Rnbrikcn) zufolge,
dürfen an den priestcrlichen Gewändern, svwie
namentlich an denTüchern, die mit dem Altare imd
dem heil. Opfer in Verbindung stehen, keinerlei
Stoffe und Zenge aus Baumwolle angewandt
werden, sondern es soll dazu reines Leinen (linum)
ausschließlich gebraucht werden.

ner ist die Breite dkeser Fabrikspitzen oft über
Gebühr groß imd streist an's Lächerliche, wenu
man bedenkt, daß die Spitze blos als Aus-
müiiduiig uud passende Raudverzierung eincs
ohnehin ntchl sehr langen Gewandcs dienen
soll, und so gewinnt heute cine solche gewebte
Baumwollen- oder Tüllspitze das Ansehen,
als ob der obere Leinenstoff des Gewandcs
Nebeusache wy und das Röcklein umgekehrt
nur der Spitze wegen eristire. * Abgesehen von
der Zweckwidrigkeit, Unsolidität und dem pro-
fanen, kunstlosen Anstrich dteses leichten Fa-
brikerzcugnifses, das bei seiner Billigkeit leider
immer häufiger als Besatz an Röcklein, Alben,
Konimnniontüchern, ja selbst an Puristkatorien
und Korporalten angewandt wird, ist aber auch
das Muster des Dessins, das in der Regel in
diesem Baumwollenfabrikat spielt, so unschön,
fad und geistlos, daß man schon gleich beim
slüchtigen Anbltck begreift: das Muster sowohl
wie die technische Ausführung desselbcn sey
nur leere Effekthascherei und weiter nichls als
eine Spekulation auf den Ungeschmack der
großen Menge.

Eine zweite Art von Spitzen an Röcklein
ist in den letzten 28 Jahren vielfach in Auf-
nahme gekommen, die wohl tu mancher Be-
ziehung besser und empfehlungswerther sind
als jene Spekulationsfabrikate in Baumwollc
der neuesten Zeit; es sind dieß Spitzen in
Tüll mit dartn gestickten Dessins in Baum-
wolle. Zwar werden die meisten dieser Spitzen
in geflicktem Tüll iu der besten und lobenS-
werthesten Absicht angefertigt; indessen muß
man vom Standpunkte einer ernsten, kirch-
lichen Kunst auch bei dtesen Tüll- oder Nessel-
stickercten ein Zweifaches bedauern.

Erstens ist dieses Tüll oder Nessel, das als

* Eine Ausliahmc von diesem leichtfertigeii,
unkirchlichen Spitzenwerk machen nvch immer jcne
Kirchenspitzen in Leinen, wic sie hin und
wieder noch in eüiem ältcrn traditionellen Muster,
in mäßiger Brcite, angefertigt werden; auch die
sächsischen und böhmischen geklöppelten Leinen-
spitzen haben nvch etwas Ernstes, Svlides, und
würden sich noch am ehestcn als Kirchenspitzen
eignen, wenn nur nicht das Dessin daran so konfus
und schwulstig wäre.
 
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