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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — 1.1857

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7. Heft
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Praktische Fragen
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https://doi.org/10.11588/diglit.18467#0120

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ter nicht an einem anstcindigen Gcwand feh-
len lassen. Können sie ihre Mutter i» Lum-
pen einhergehen sehen, so lange sie selbst
Ueberfluß habe»; können sie aus dem Altar
deu Leib des Heilandes auf schmutzigc und
zerrissene Tücher legen sehen, die sie zu Hause
nicht als Tisch- und Tellertuch gebraucheu
möchten, so sind sie keine guten Kinder. Es
ist auch der Fall gar nicht denkbar, daß dte
Pfarrkinder nicht gern und viel beisteucrtcn,
da wo der Pfarrer vorangeht in zarter, ehr-
furchtsvoller Behandlung der heiligen Ge-
heimnisse und ihres Apparates. Man wende
nicht cin, daß viele Gemeinden selbst arm sind.
Die Armen haben ost ein zarteres Gefühl für
würdige Ausstattuug der Kirche als die Rei-
chen. Auch darf man uicht fürchten, daß ihre
Gaben zu klein seyen, um etwas Erklecklichcs
zu Stande zu brtngen. Diese Gaben dürfen
wir nicht nach dem wcltlichen Thaler- oder
Pfemiigfuß, sondern nach dem Zinsfuß jenes
reicheu Herrn berechnen, der sich von armen
Leuten ihr Opfer scheukcn läßt, um es ihnen
hundertfäliig zu lohncn. Eine Gabe, die so
werthvoll ist, daß sie die Vermehrung der
ewigen Seligkeit erwirbt, wird wohl auch in
ihrer Verwendung von dcm Herrn gesegnet
werden. Da kann ich mich nicht enthalten,
den lieben Lesern ein altes gothischcs Ge-
schichichen nachzuerzählen. Wer's »icht glau-
ben mag, daß es sich wörtlich so ereignet habe,
der wird doch den geheimeu verborgenen Sinn,
der darin steckt, auszukuiidschaften wisseu.

Es war ein Köuig, der wollte einen hohcn,
schönen Dom Gott zu Ehren bauen, und zwar
ganz aus seinem Schatz uud sollte kein Mensch
außer ihm auch nur eiuen Heller dazu gebeu.
Also begann der Bau und wuchs hoch auf in
dieLuft uud wurde glücklich volleudet mil un-
säglicher Pracht, und der König hatte so
große Freude an dem Bau, daß der Hochmuth
sein Herz erfaßte, und da lteß er eiue große
Tafel von Marmor von einem Meister be-
hauen und glätten und mit goldcnen Buch-
staben eine Schrifl darauf setzen, dte besagte,
daß er ganz allein und ohne irgend Jeman-

des Hülfe dcn Bau aufgerichtct habe. Die
Tafel aber ward in das Münster gebracht und
in die Mauer befestigt.

Als sie aber einen Tag und eine Nacht ge-
standen hatte, da fand man eines Morgens
die Schrift verändert und staud statt des Na-
meus des Köuigs eiu anderer darauf, das war
der Name einer armeu Frau, also daß die
Tafel nuii besagte, diese arme Frau habe das
prächtige Müuster gcbaut und nicht der Ko-
nig. Das ärgerte den König, und er befahl,
den Nameu sogleich auszulöschen und den sei-
nen an die Slelle zu schreibcn, welches auch
sofort geschah.

Aber als der König am folgenden Morgen
wieder tn das Münster kam, da stand auch des
armen Weibes Nameu wieder auf der großen
Tafel, so daß alle Leute nicht andcrs lascu,
als fie habe von dem Jhrigen dcn Doin gebaur.

Da ging der König in sich u»d erkauute iu
seinem Herzcn, daß dcr liebe Gott da walte.
Er befahl seineu Diencrn, die arme Frau aus-
zuforschen und vor seiueu Thron zu führen.
Sie hatte große Augst als sie das veruahm
uud trat zitternd und bebend vor den Köntg,
welcher sie aber freundlich anredete und fragte:
»Sage mir im Namen Gottes und so lieb
Dir deiu Lcben ist, die volle Wahrheit, dcun
Ich will sie wissen und ein wunderlich Ding
hat sich zugetragen. Hast Du wider mein Ge-
bot, daß Jemand auch nur einen Hcller zu
dcm Bau des Münsters bcisteucrn solle, ge-
handclt, und dennoch dazu gegeben?"

Da stürzte das arme Weib zu den Füßcn
des Königs und rtef: „Ach, Herr uud Köutg,
laß mir Guade für Recht ergehen! Siehe, ich
will Dtr Alles bekennen. Jch bin eiue gar
arme Frau und muß mir durch nietue Sptn-
del mein Stück täglich Brod vcrdiencn, wenn
der Hunger mich nicht lödten soll. Ein Heller-
lein aber hatte ich mir erspart und erübrigt,
das wollte ich gern verwenden zu Gvttes
Ehren uud des Müusters Bau. Aber da ich
Dein Gcbot kannte, so fürchtete ich mich vor
der Strafe, kaufte darum ein Bündclchen Heu
für meiu Hellerleiu und gab eö den Ochsen,
 
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