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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — 1.1857

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11. Heft
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Ibach, Johannes: Einiges über Baldachine
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https://doi.org/10.11588/diglit.18467#0194

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69

vermuthen, sondern wird auch dnrch mauche
historische Notiz zur Gewißheit erhoben. *
Mit dcm Aufgeben der Arcandiscipliu,
(dcr Verschließung des Heiligen vor Aug und
Ohr der Heiden uud Sünder) fielen uach
und nach die verhüllbaren Altäre, die Ci-
borien sammt den Baldachineu, und mit
ihnen ein vorzüglicher Gegeiistand weiblicher
Kunstthäligkeit hinwcg und nur noch tn ganz
alten Kirchen Roms und Jtaliens stnden sich
derartige heilige Ueberreste, die in der That
durch ihre einfache, aber solide Pracht einen
viel besseren Begriff von dcr Heiligkeit der
hier gefeiertcn Geheimnisse gewähren, als die
heutigen mit tausenderlei Flitter aufgeputzten,
profan aussehenden und profan angeseheneu
Altäre in unseren lichtdurchstiömten Kirchen-
chören.

Was noch als Erinnerung au jeue uralte
Sitte übrig geblieben ist, 'sind die hie und da
bei gewlfsen Zeiten üblicheu Behäuge des Al-
tares in Form eines Baldachins vder des
Taberuakelö in Form eines Zeltes, worin
übrigens zur Zeit uoch ein gewaltiger Unge-
schmack und viel Reminiscciiz an dic Zeiten
der Falten- und Reifröcke herrscht.

Dic Baldachine über den bischöflichen
Stühlcn waren schon sehr frühe im Gebrauch,
und scheineu aus dem heidnischcii Alterthum
als eine Auszeichnuiig der Kirchenfürsten in
allgemeinen Brauch gekommen zu seyn. Denn
der Bischof erscheint iu seiner Kathedrale im
eigentlichen Sinne des Wortes als Fürst der

* Z. B. Uie (Papst Sergius) iu circuitu
aitaris Uusilicas supiuseriptae (L. Uetri ilp.) te-
truvelu oeto, guatuor ex albis, et HULtuor ex
coociuo. .s-uLstus. iu vita LerZii. — lu cüuoouia
vero ixsius Oei Aeuitricis, «zuae uppellutur uutigua,
tecit tetravila ulytliillL oruutu iu circuitu äe (zuu-

ärupulo_ In titulo (Pfarrkirche) ixsius Oei

xouitricis,<zui uppellLtur Oulirti, kecit. .. tstruvelu
rubeu ul^tlüuu guatuor krulieutiu cruces cuur
xaruiuuiliis, et iu eircuitu peiiclzrsiu äo txrio.
Luustus. iu vitu l,kouislll. Kölnerausgabc P.204.
Ileber diese Verbrämnng äe guuärnpulo und äe
tyrio, wie übcr dicsc Stoffe übcrhaupt vrgl. „Stu-
dien übcr dic Geschichte des christlichcn Altars^
S. 26, eol. 3 und S. 22 f. und besonders Bock's
Geschichte der liturgischen Gewänder S. 5 ff.

Anm. der Ned.

Ktrche, der innerhalb seines Sprcngcls mit
etgener Gerichtsbarkeit auf dem religiöseu Ge-
biete regiert und wie es im Mittelalter häufig
der Fall war, auch als weltlicher Herrscher
auftrat. Jhm gebührt also, auch ganz unab-
hängig von der zeitlichcn Herrschaft, gleich
jedem Fürstcn ein Thron, wie ihm deun auch
die Kirche eine» solchen nebst Thronassistenten
gegeben hat, und die den Thron umgebcnde
Zierde, zu welcher von Alters her die Bal-
dachine stets gerechnet werden. Die Form
dieser Baldachine ist von der der Altäre
entlehnt, oben viereckig, zuweilen rund
und nur auf den Nebenseiten mit herab-
hängenden und tu der Hälfte aufgeschlagenen
Curtinen verseheu, da dteselben nicht wie am
Altare uach vorn geschlossen zu werdeu brauch-
teu. Stoff uud Farbe waren meist dieselbeu
wie bei den Altar-Baldachincn, und boten
wie diese schöne Gelegenheit zu reichen
Stickereien. *

Leider ist auch dieseZierde an vielen bischöf-
lichen Throneu gauz abhauden gekommen und
begnügt man sich in vielen Kathedralen mit
einem äußerst uüchternen Deckel über dem
bischöflicheu Stuhle, der höchstenfalls einem
Schalldeckel über einem Predigtstuhle gleich
istund kaum an eiuen Baldachin, am weuigsteu
an den Fürstcnthrvn uud seine Pracht im
Mittelalter erinnert.

Die zweite Art der Baldachine ist die der
tragbaren. Diese sclbst zerfällt wicder in
zwei Abarten: in solche, welche über dem
allerheiligsten Sakramente bei Gelegenheit vou
feierlichen Prozessiouen, beim Versehen der
Kranken rc. und in solche, welche über Kirchen-
fürsten bei ihrem öffentlichcn Erscheinen ge-
trageu werden.

Es ist durchaus nicht anzunehmen, daß die

* lleberhaiipt waren dic bischöflichcn Stühle
sehr kostbar. Anastafius berichtet im Lebcn des
Papstes Sergius I. (nnuo 687), er habc die Cathe-
dra in dcr Peterskirche niit silbernen Stufen uin-
gebeu: kosuir .. - supor ssäeui upLlIureiiiu ur-
xeulo-uu pous. siuA. libras ceutuui viZiuti. Das
läßt anf dic ornainentalc Ausführung der übrigeu
Theilc der Cathedra eincn Schluß ziehen.

Anni. der Rcd.
 
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