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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — 1.1857

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12. Heft
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Die moderne Kasula: ein Wort an Lyon und seine deutschen Filiale
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https://doi.org/10.11588/diglit.18467#0219

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rungen sich Aos auf die Solidttat der Stoffe,
Correktheit und Einfachheit der Farben nnd
eine würdigere Ornamentiruug erstrecken, so
wäre unsere Freude nur halb. Denn es ist
cine — leider weuig gekannte >—- Thatsache,
daß Lyon und seine deutschen Filiale
im Laufc des gegenwärtigen Jahr-
hunderts uns mit einer ganz neuen,
nochniedagewesenenFormderKasula
beschenkt haben. Jndem sie nämlich die
dazu gehörigcn Kreuze und Stäbe in der be-
kannten dieser Fabrikation eigenen Ausdeh-
nung weben, zwingen sie alle von ihnen ab-
hängigen Paramentenfabrikanten und Detail-
verkäufer, die Kasula in der jetzigcn kleinen
Form zu fertigen uud zu verschließen. Wir
haben ein solches »Lyoner" Meßgewand mit
einem theuren eigens gewobenen Krcuz und
Stab von Goldbrokat vor uus liegen. Es
beträgt die

Länge des Rücktheils 1"/,g würtk. Ellen
oder 102 C"'.,

des Vordertheils 96 C". oder I Vr württ.
Ellen.

Breite, hinten 65 C"'. oder eiue starke
württ. Elle, vorn größte Breite 61 C"'.,
kleiuste 35 C"'. d.h. über eiue halbewürtt. Elle.

Vergleiche» wir diese Forui z. B. mit der
römischen nach dem vou Gavantus angegebe-
nen Maß, so ist sie mn württ. Ellen oder
12—13 C"'. kürzer und nahezu V» Ellc
schmäler als die römische Kasula, vou dem
vordern Ausschnitte gar nicht zu redeu. Die
zu obigem Meßge'waude gehörige Stola ist
wie natürlich auch viel kürzer, als die von
Gavantus angegebene, uud zwar nicht weniger
als °/s württ. Ellen oder 40 C"'. Ein Pricster
von mehr als mittlerer Mannesgröße mit
einer solchen Planeta bekleidet, bietet einen
fast crbarmuugswürdigen Anblick; deun ein
solches Gewand kleidet ihn nicht, vollends,
wenn die steifleinenen Hülfsmittcl oder starkes
Kartenpapier als Zwischenfutter desselben ihm
ein panzerartiges Aussehen verlcihen. Die
Neuernng gelang unvermerkt, und sie ist in
diesem Augenblicke in den derHerrschaft„Lyons"

unterworfenen Gegenden eine so vollendete
Thatsache, daß sie dcs Ansehens des Alther-
gebrachten genießt, und diejenigen, welche die
Neuerung bekämpfen, selbst als Neuerer ge-
scholten werden. Ja der gegenwärtige, von
aller Auktorität emanzipirte Zustand der Para-
meutik ist so sehr in Flcisch und Blut, nicht
blos der Laienwelt, sondern auch der Geist-
lichkeit übergegangen, daß eines der schädlich-
sten und unbefugtesten literarischen Erzeugnisse
auf diesem Gebiet, das bei Wagner in Frei-
burg erschicnenc, von der (akatholischcn) Re-
daktrice dcr Stuttgarter „Allgemeinen Muster-
zeitung" vcrfaßie „Album für kirchlicheHand«
arbeiten", wie wir hören, nach Jahrcsfrist
schon die 2. Auflage erlebcn wird. * Die
neuen Erfindungen dieses Albums haben
also etn willfähriges Publikum gefundeu, und
die Thatsache auf's Neue erhärtet, daß die
Willkür das Gebiet der Paramcntik als eine
einträgliche Domäne sich erkoren hat.

Dieses Archiv hat von Anfang an dieser Cor-
ruPtion den Krieg erklärt. Es wird, hoffeuwir,
auch nie aufhören, dieUnwürdigkeit dieser mo-
dernen Kasula zu bekämpfen, ja es wird eine
seiner Hauptaufgaben erreicht habe», wenn es
etwas dazu beiträgt, daß endlich gegen dieses
modern-deutsche Meßgewand ein eiustimmiges
Verdammungsurtheil gesprochen wird.

Die Forderung also stellen wir an dic
„Lyoner" Fabrikation, daß sie nicht blos solidere
und correktere Stoffe zu Markt bringe, son-
dcrn auch Krcuze und Stäbe, sowie vor-
kommenden Falls auch die Seitenthcile der
Kasula in einerAusdehnung anferiige, wclche
die Rückkehr zu eiuer bessern Form nicht un-
möglich macht.

Der Anfang hiezu ist außcrhalb Lyon's
schon gemacht worden. Die an einigen weni-
gen Orten Deutschlands wieder aiifgenom-
meue Planeta kommt unter allen der römischen
Form am nächsten. Sie hat genau die Länge
derselben, erreicht sie an den beiden untern
Partien nahezu an Breite, — warum sollte

* Bergl. die Kritik deffelben S. 76—78 im
I. Bande nnseres Archivs.
 
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