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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 13.1915

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Heft 2
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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4714#0108

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schah es, weil ich mich doch lieber dahin wende, wo
Tüchtigkeit, Kraft und Licht ist, als dorthin, wo das
Gegenteil von alledem herrscht."

Die Worte, die Meister Gottfried für die Anklage
seiner beiden Landsleute heute gefunden hätte, sind
unschwer auszudenken.

Die Werke Hodlers - die Werke aller fremden Meister
— bleiben ihrem Kunstwerte nach natürlich was sie vor
dem Kriege waren. Das ist so selbstverständlich, dass
es banal klingt. Aber die Umstände fordern diese Bana-
lität. Wir müssen damit rechnen, dass Kunstchauvinisten
sich jetzt hervorwagen und zeitweise eine Gefolgschaft
finden werden. Sie haben sich schon zu Wort gemelder.
Ihnen ist der Krieg willkommen, um an die Stelle des
Talents die Gesinnung zu setzen.

#
Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" veröffent-
licht den folgenden Bericht über den Zustand der Kunst-
denkmäler in Löwen:

„Der Geheime Regierungsrat v. Falke hat am sieb-
zehnten vorigen Monats die Kunstdenkmäler von Löwen
mit dem derzeitigen Bürgermeister, Professor Dr. Nee-
rier, eingehend besichtigt und über ihren Zustand fol-
gendes amtlich berichtet:

Die als Bibliothek und Universität dienende alte
Tuchhalle ist bis auf die beiden erhalten gebliebenen
Fassaden (Hauptfassade gotisch mit Renaissanceaufbau,
Rückfassade Spätrenaissance) vollständig ausgebrannt,
und damit ist die Bibliothek mit ihrem sehr wertvollen
Schatz an Handschriften verloren gegangen. Beamte
der Bibliothek, die auf die Rettung der gefährdeten
Schätze hätten aufmerksam machen können, waren beim
Brande der an beiden Seiten der Halle angebauten Häu-
ser nicht zur Stelle. Es ist nicht zu hoffen, dass unter
dem Brandschutt noch Bücherreste zum Vorschein kom-
men könnten.

Von diesem schwersten Schaden abgesehen, sind in
Löwen, trotz der Brandbeschädigung der Peterskirche,
Verluste an Kunstdenkmälern von hervorragender Be-
deutung nicht zu beklagen.

Das seit mehreren Jahren zum grossen Teil er-
neuerte und noch in der Restauration begriffene spät-
gotische Rathaus ist unversehrt erhalten worden dadurch,
dass auf Anordnung des Kommandanten, Majors von
Manteuffel, der um die möglichste Beschränkung des
Biandunglücks bemüht war, die nächststehenden bren-
nenden Häuser an der gefährdeten Langseite nieder-
gelegt wurden. Das Militär hat auch aus einem von der
Brandhitze bedrohten Erdgeschossraum des Rathauses
einen Munitionsvorrat in aufopfernder Weise rechtzeitig
entfernt, wobei vier Soldaten schwere Verletzungen er-
litten haben. Das Rathaus hat, dank den Vorkehrungen
des deutschen Militärs, trotz seiner Lage am Brandherd
weder im Innern noch an der reichen Aussenarchitektur
schaden genommen.

Dagegen ist die Peterskirche, deren Dach durch
Flugfeuer in Brand geriet, erheblich beschädigt worden,
jedoch nur so, dass der ursprüngliche Zustand wieder
hergestellt werden kann. Der Dachstuhl ist bis auf die
Deckenwölbung herab weggebrannt; die Gewölbe haben
standgehalten und verhindert, dass das Feuer von oben
in den an Kunstschätzen reichen Innenraum der Kirche
eindrang. Nur über dem Chor ist ein Teil der Gewölbe
eingestürzt, wobei der steinerne Barockaltar (ohne Kunst-
wert) im Giebel beschädigt wurde. Das daneben ste-
hende Sakramentshäuschen, eine sehr feine und reiche
Steinarbeit der Spätgotik von dem Erbauer des Rat-
hauses M. de Layens, ist von Gewölbetrümmern ge-
streift worden, so dass einige der oberen Fialen geknickt
sind. Die abgeknickten Stücke sind ohne Substanzver-
lust an Ort und Stelle geblieben, und eine geringfügige
Reparatur kann die leichte Verletzung des Sakraments-
häuschens vollkommen beseitigen. Nahe der Haupt-
portalseite der Kirche hat die aus dem brennenden
Dachstuhl herabstürzende Glocke das Gewölbe durch-
geschlagen, überhaupt hat hier am Eingang und im süd-
lichen Seitenschiff rechts vom Eingang das Feuer einigen
Schaden am Gemäuer und an steinernen Balustraden
der Seitenkapellen angerichtet. Bemerkenswerte Kunst-
schätze sind indessen nicht in Mitleidenschaft gezogen
worden. Nur der Windfang des Hauptportals, eine
schöne Renaissanceschnitzerei, ist verbrannt; ein altes
Glasgemälde des siebzehnten Jahrhunderts hat sich hier
unbeschädigt erhalten.

Das linke nördliche Seitenschiff mit dem gotischen
Bronze-Taufbecken und dem zugehörigen gotischen
Eisenarm (für den seit langer Zeit fehlenden Taufbecken-
deckel), mit den Rokokoaltären und Kapellenschranken
ist intakt geblieben, ebenso im nördlichen Querschiff
der geschnitzte Renaissancewindfang und die Orgel
von 1556 in einem schönen eichengeschnitzten Renais-
sancegehäuse. Völlig unversehrt ist ferner der spät-
gotische Lettner von reichster Steinarbeit vor dem Chor
mit der daraufstehenden bemalten und vergoldeten
Kreuzigungsgruppe, sowie der ganze Chorumgang mit-
samt seinen (modernen) Glasgemälden, Grabmälern und
der Innen- und Aussenarchitektur. Wie das wertvolle
gotische Chorgestühl aus sechs Bänken ist auch die ge-
schnitzte Kanzel, ein bemerkenswertes Schaustück vom
Jahre 1742, vollständig intakt geblieben.

Die Bilder in den Chorkapellen, zu denen als die
kostbarsten und unersetzlichen Kunstschätze Löwens
die Werke des Dirk Bouts und des Meisters von Fle-
malle gehören, sind nebst allen beweglichen Kunst-
gegenständen der Peterskirche durch den Oberleutnant
der Reserve Thelemann, Regierungsrat im Königlichen
Eisenbahnministerium, gerettet und in einen Saal des
Rathauses getragen worden, wo sie der Obhut des
Bürgermeisters unterstehen. Hier befinden sich völlig
unversehrt geborgen die grosse Tafel mit dem Abend-
mahl von Dirk Bouts und sein Martyrium des heiligen

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