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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 13.1915

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Heft 3
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Rösler, Waldemar: Ein Feldpostbrief: mit fünf im Felde angefertigten Zeichnungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4714#0142

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anzuschirren versteht. Und alle so erschöpft, dass nie-
mand sich rühren möchte. Schliesslich gelingt es; aber
es ist auch Zeit, da die französische Artillerie bereits
gefolgt ist und ins Dorf schiesst. Und nun wohin ?
Niemand weiss den Weg und inzwischen ist es Nacht.
Glücklicherweise fanden wir den richtigen Weg und
kamen zu unserm Bataillon, wo wir wie Auferstandene
begrüsst wurden.

Es ist kolossal was der Mensch aushält. Tagsüber
laufen mit Gepäck, nachtsüber Wache, mehrere Tage
hintereinander und dazu fast nichts zu essen. Vor mir
lag auf der letzten Feldwache am Wege ein toter
Franzose auf einem Schiebkarren, den man wohl noch
zum Verbinden hatte fahren wollen, der aber unter-
wegs gestorben und den man mit dem Karren einfach
stehen gelassen hatte. Ein monumentaler Anblick in
der kalten Mondscheinnacht. Andere liegen an den

Häusern entlang wie ein Haufen Lumpen. Verwun-
dete Franzosen kommen in der Nacht an mit hocher-
hobenen Händen, setzen sich bei uns auf die Treppen-
stufen der Wache, und das Blut flies st bei dem einen
jungen Burschen wie das Regenwasser aus der Dach-
rinne. Endlich kann man sie verbinden lassen. Hinten
auf dem Felde auf den Strohhaufen sollen noch mehr
liegen; sie sind aber tot, als wir endlich hinkommen.
Und so weiter, hoffentlich ist bald alles vorbei.

Gezeichnet habe ich nicht viel. Was ich habe sende
ich. Es sind meistens „Mussestunden" und nicht auf-
regend. Ich schreibe dieses auf Feldwache auf der
Strasse nach Lille, beim Gesang der Wache: „Sei
gegrüsst in weiter Ferne, teure Heimat sei gegrüsst!"
An einsamer Bahnstrecke in der Nacht denkt man an
die Heimat und all die alten Volkslieder bekommen neue
Bedeutung für einen ■ ... Waldemar Rösler

BESCHIESSUNG EINES FORTS VON LILLE

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