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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 13.1915

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Heft 7
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Dürer und der Krieg: aus dem Brief eines Münchener Malers
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https://doi.org/10.11588/diglit.4714#0335

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ALBRECHT DÜRER, DER HEILIGE GEORG ZU PFERDE. KUPFERSTICH

DÜRER UND DER KRIEG

AUS DEM BRIEF EINES MÜNCHENER MALERS

30. Dezember 19 14.....Dass nach dem Krieg

so eine Art Nazarenertum kommen wird, habe ich
mir gedacht.... Dass diese „bleichsüchtige Jung-
frau'- durch das vergossene Blut des Krieges plötz-
lich rote Backen bekommt, scheint mir doch recht
fraglich. Aussichtsvoller ist es jedenfalls mit Pinsel
und Farbe zu malen statt mit Andacht und gefalteten
Händen. Dass wir in manchen Dingen ein gutes
Stück zurückgehen müssen, um wieder festen
Boden unter die Füsse zu bekommen, scheint mir
sicher. Ich sah kürzlich ein paar Zeichnungen von
Rethel, die können uns helfen .... Schön ist es, dass
die Maler in Berlin den Krieg zu ihrer Sache
machen .... Durch den Krieg ist alles viel deut-
licher und klarer geworden.

Die Retheitugenden sind auch die von Dürer.
Ich habe eben — von einem Freund geliehen —
die Apokalypse von Dürer in Originalen im Hause,
die behaupten sich am besten gegen den Krieg.

Diese Disziplin! Es ist fabelhaft wie jeder Strich
im Organismus eines solchen Blattes Bedeutung
hat. Das sind ideale Soldaten. Jeder steht und lebt
für sich, und doch dienen sie alle einem besonderen
Willen und werden erst in der Vereinigung wirk-
sam. Das Pathos ist wundervoll. Schiller und
Hölderlin sind darin und doch geben beide zu-
sammengenommen noch nicht entfernt diese Tiefe
und Klarheit. Jeder Strich von ihm macht das
Natürliche heldenhaft; wie lange haben wir nicht
mehr an Helden geglaubt! Vielleicht lehrt uns
der Krieg dieses Heldenhafte zu sehen und dar-
zustellen, das wäre eine wundervolle Lehre, gerade
entgegengesetzt der französischen, die das Helden-
hafte im Drum und Dran, in der Bewegung und
im Schmuck sieht. Cezanne ist eine Ausnahme,
seine Farbe ist besser organisiert als die französischen
Soldaten; ein Glück, dass wir nicht gegen Cezannes
kämpfen müssen......

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