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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 13.1915

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Heft 11
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Voll, Karl: Graf Franz Pocci: ein Illustrator aus dem Biedermeier
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https://doi.org/10.11588/diglit.4714#0538

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FRANZ POCCI, ZIERBUCHSTABE AUS EINEM BILDERBOGEN

Als H. v. Tschudi die Direktion der Pina-
kothek übernommen hatte, kam er einmal zu mir
und wünschte nach dem Abendessen ein bisschen
in meiner Büchersammlung zu stöbern; da fiel
ihm ein Fach ins Auge, wo eine Menge meistens
kleiner Schriften und Hefte standen. Er zog sie
der Reihe nach heraus und fand immer den
Namen Pocci als Verfasser. Da fragte er: „Was
ist das nur für ein Zeichner, von dem Sie so viele
Sachen haben. Ich habe den Namen nie gehört."
Um ihm eine bibliophile Freude zu machen, gab
ich ihm die besten der Hefte zum Ansehen, aber
zunächst war der Erfolg sehr gering. Tschudi
sagte zwar aus Höflichkeit, dass das Werke eines
sehr netten Dilettantismus seien, aber offenbar
konnte er sich nicht viel aus ihnen machen. Je-
doch blätterte er sie mit vieler Gewissenhaftig-
keit durch. Dieses Blättern wurde nun immer
langsamer, sein Gesicht nahm einen immer mehr
interessierten Ausdruck an, er trank wohl auch
einmal ein Glas Sekt voll Behaglichkeit dazwi-
schen, endlich sagte er, dass ich doch recht mit
meiner Wertschätzung des Künstlers hätte, und
als er das letzte Büchlein, die später hier zu be-
sprechenden Schattenspiele, sah, da sagte er, das
wolle er kaufen, ich möchte es ihm doch be-
sorgen: und als ich bemerkte, dass das Heft ziem-
lich teuer im Preise stehe, lachte er: das macht
nichts, es ist gar zu schön.

So ist es mir oft gegangen, wenn ich für
Poccis einfache, aber herzliche Kunst geworben
habe. Möge es mir gelingen, auch in diesem kur-
zen Abriss seinen Namen Klang zu verschaffen.

Pocci i 807 wurde geboren als Sohn einer in

München ansässigen italienischen Familie. Seine
Mutter war eine künstlerisch empfindende Frau, von
deren Hand es Radierungen giebt. Er selbst
wurde zum Juristen bestimmt, was wohl seiner
Natur einigermassen widersprochen haben mag.
Ludwig I. erlöste ihn später von einem Beruf,
der seinem nach ununterbrochener dichterischer
oder künstlerischer Thätigkeit drängenden Cha-
rakter nicht entsprach, und machte diesen freien
Musensohn zum Zeremonienmeister am Münche-
ner Hofe. Pocci fühlte sich durch das Amt
nicht eingeschränkt, und da er ausserdem noch
das Schloss Ammerland am Starnberger See als
Familienlehen erhielt, so konnte er, obschon er
mit Glücksgütern wenig gesegnet war und keine
grossen Honorare bezog, sich doch, seinen sehr
vielseitigen Interessen entsprechend, ausleben. Er
starb 1876 an einem Schlaganfall, der ihn auf
der Strasse betroffen hatte. An seinem Geburts-
hause, das an dem schönen alten Promenadeplatz
in München steht, wurde später seine Büste an-
gebracht, mit einer Inschrift, die ihn als Dichter
und Jugendschriftsteller, Musiker, Zeichner und
Radierer nennt.

Diese Worte zeigen, dass Pocci eine der reich,
vielleicht allzu reich begabten poetischen Naturen
war, die wir in der Zeit der deutschen Romantik
und auch des Biedermeiers so oft finden. ilber-
schwenglichkeit pflegt einer ihrer Hauptcharakter-
züge zu sein, ungemeine Lauterkeit des Emp-
findens ein anderer, nie versiegliche gute Laune
und Freude am lustigen Wort ein weiterer: aber
den trefflichen Eigenschaften steht eine gewisse

FRANZ POCCI, AUS EINEM BILDERBOGEN

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