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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 13.1915

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Heft 11
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Voll, Karl: Graf Franz Pocci: ein Illustrator aus dem Biedermeier
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https://doi.org/10.11588/diglit.4714#0539

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künstlerische Haltlosigkeit gegen-
über und ein Mangel an aus-
dauernder Kraft: sie bohren, um
einen landläufigen Ausdruck zu
gebrauchen, nicht gern harte
Bretter. Aber interessante Er-
scheinungen in unserer deutschen
Literatur, Kunst und Kultur sind
diese ungefassten Wildwässer
künstlerischer Begabung doch
gewesen, und eine der liebens-
würdigsten war Graf Pocci.

Von ihm kommen für uns
hier nur seine Zeichnungen in
Betracht, die er in Flugblättern
offenen Heften und Büchern er-
scheinen Hess, und die neben den
Originalentwürfen ein unüber-
sehbares Ganze bilden. Es ist als
ob dieHände des rastlosen Mannes
automatisch fortwährend gezeich-
net hätten, und es ist bezeichnend
für den merkwürdigen Künstler,
dass, als er einmal photographiert
wurde und brav still halten musste,
er, ohne auf den Tisch zu sehen,
in der Eile einejener romantischen
Burgen skizzierte, deren es in der
That von seiner Hand viele, viele
hundert giebt.

Diese Leichtigkeit des ge-
wohnheitsmässigen Zeichnens hat
seinem Stil und seinem Ansehen
als Künstler geschadet. Nicht nur
Tschudi hat ihn für einen Dilet-
tanten gehalten, sondern seine Zeitgenossen und und dichterisch. Die bildende Kunst im eigent-
Freunde schätzten ihn auch nicht höher ein. Sie liehen Sinne des Wortes war ihm, wie so vielen
freuten sich an seinen Werken, die in gewinnen- anderen Künstlern jener technisch nicht sehr ent-
der Herzenslust nur gerade zu ihrem persönlichen wickelten Zeit, nicht das Ziel des Lebens. Es
Vergnügen gemacht waren, sie traten ihm als wäre unrecht zu sagen, dass sie ihm eine Spie-
einem goldigen Menschen in freundschaftlicher lerei gewesen sei, aber man kann nicht sagen,
Sympathie nahe, sie machten ihn zu einem Zen- dass er ohne sie nicht hätte sein können. Ihn
trum des scharmanten münchener geselligen We- interessierte das, was er sagte, mehr, als die Form,
sens der Künstler und Schriftsteller; aber für in der er es sagte: aber ein natürlicher Geschmack
voll nahmen sie ihn so wenig, wie der für voll und eine sehr gründliche Schulung des Wissens,
genommen wurde, der in vielen Beziehungen, das heisst mit einem Wort eine ausgezeichnete
aber doch auf ganz andre Weise eine Zeitlang in Kultur, gaben seinen Werken, wenn er sie nur
München sein Nachfolger war und der indirekt ein bisschen sorgfältig ausführte, einen Reiz, den
mancherlei von Pocci angenommen hat: ich meine wir heute sehr hoch bewerten. Wir sind heute
Wilhelm Busch. geneigt das Biedermeier wegen einer gewissen an-

Der Grund von Poccis Natur ist musikalisch geblichen Naivität zu schätzen. Das wird wohl

FRANZ POCCI, ENTWURF ZUM TITELBLATT DES „LUSTIGEN BILDERBUCHS"
FARBIGE ZEICHNUNG

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