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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 29.1931

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Heft 1
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Schmidt, Robert: Der Welfenschatz
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https://doi.org/10.11588/diglit.7610#0067

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AUS DEM WELFENSCHATZ. DER GERTRUDEN-TR AG ALTAR. NIEDERSACHSEN (BRAUNSCHWEIG)

MITTE DES Ii. JAHRHUNDERTS

DER WELFENSCHATZ

VON

ROBERT SCHMIDT

Im Jahre 1518 rührte die Stadt ßraunschweig die
Reformation ein; vierzehn Jahre später hob sie
das Blasiusstift als katholisches Kollegiat-Kapitel
auf. Damit hatte der Weifenschatz, der Reliquien-
schatz des Braunschweiger Blasiusdomes, aufgehört
eine aktive Rolle im kirchlichen Leben der Stadt
Heinrichs des Löwen zu spielen. Was bis dahin
Jahrhunderte hindurch in religiöser Ehrfurcht ge-
sammelt und gehütet worden war, wurde nun
als Rarität beiseite gestellt, hin und wieder —
durch Einbruch und fürstliche Laune — dezimiert,
beinahe einmal für den Metallwert von etwa
fünftausend Taler verhökert, schließlich aber dem
weifischen Herzog von Hannover, der zum Katho-
lizismus zurückgekehrt war, als Dank für seine
Beihilfe zur Niederwerfung der Stadt Braunschweig
überlassen. Das war im Jahre 1*571. Abgesehen
von einer kurzen Flucht nach England vor den an-
rückenden Franzosen fand der Schatz in Hannover
für beinahe zwei Jahrhunderte Ruhe. 1867 begann
sein Wanderleben von neuem: der blinde König
Georg nahm ihn zu sich in sein Exil nach Penzing

bei Schönbrunn, überließ ihn dann aber für etwa
zwei Jahrzehnte dem österreichischen Museum in
Wien zur Ausstellung. Sodann wurde er wieder
der öffentlichen Besichtigung entzogen, schlum-
merte in der Silberkammer des Gmundener Schlosses
und wanderte — aus Gründen der Sicherheit —
im Jahre 1918 in den Safe eines Schweizer Bank-
hauses. Nun ist er wiederum, zum letztenmal als
geschlossene Einheit, auf die Wanderschaft ge-
gangen: er stand im Städelschen Institut in Frank-
furt zur Schau, wird jetzt zur Hundertjahrfeier der
Berliner Museen im Schloßmuseum ausgestellt, und
dann wird er aufgehört haben zu existieren. Es ist
bekannt genug, daß der Herzog von Braunschweig
sich gezwungen sah, den insgesamt aus zweiund-
achtzig Kunstwerken bestehenden Schatz zu ver-
kaufen. Die Hoffnung, ihn geschlossen oder wenig-
stens in seinen Hauptstücken für Deutschland zu
retten, hat sich scheinbar zerschlagen. Jetzt ist er
Eigentum eines Konsortiums der drei großen Frank-
furter Antiquitätenhäuser und wird bald in alle Welt
zerstreut sein.

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