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Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — N.F. 9.1929

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Heft 9 (September 1929)
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Arensmeier, August: Zeichenunterricht und Leistungsnote
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Kolb, Gustav: Die Phantasie: das Wesen der Gestaltungskraft - aus den naturwissenschaftlichen Vorlesungen von Prof. Dr. Melchior Palagyi
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.27999#0252

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lel. Ei» c»tzlickeiid b»»tfnebiges Aild habe» wir vor
Auge»! Wir erbe»»e» b»ld scho» Wert»»terschiede:
doch bevor der Zeiche»lehrer die Schliler beurteilt,
s»»;te er bei sich »». Die nesnmte» Arbeite» s»iie»
jh»>, ob die gestellte 2l»sg»be richiig »»sgewnhlt, der
Zeitp»»lü trefte»d wnr, ob die Borberelt»»g n»s-
relchke »»d »lle Hilfcknittel i» mcchvolier Weise a»-
gewn»dk wnrde». Nnch dieser Selbstkritik ist er
ge»»ge»d gertistek, die Arbeite» »nch Leistunge» zu
ördue». Wie i» ei»er Gnllerie stellt er Arbeik gege»
Arbeit, wir sehe» dns gcuize bunte Bild kiudlicher
Gestnltuug vor u»S. Bei dlesem Ordue» werfe» wir
el»e» liefe» Bllck i» die Seele üeS Kiiides, auf die
wir »ls Lehrer doch »Eiiifluf; geivimie» möchte».
Schlieszlich sind nlle Arbeike» i» Gruppe» zusamme»-
gefafzt uud damit ist auch das Werkurteil gefällt: dle
Liiitraguiig der Noke i» das Taschenbuch ist schiiell
gemacht uud bildet eine wertvolle Iliikerlage flir
spnter. Werde» so alle Llrbeike» durch das gauze
Iahr eiuer Beurteiluug uuterzoge», so kaim der
Zeicheiilehrer mlk Fug uud Necht ei» Ilrkell über die

Lelstuiige» seiiier Schüler abgebe», daS de» Schüler»
gerecht wird: ja, er darf vo» diese» auf die Be-
gnbmig schliesze». Die Nole» i» seiiiem Tnschciibuch
siud keiiie tote» Zahle», souder» hochgeladene kiiid-
liche Gestaltuiigsleistuiige»: verfolgt ma» diefe über
2ahre hiiiaus, so findet ma» die Schwankunge» ge-
riiig, meisteiis zum Guteu sich wendeud, und selbst
i» der Oberprima eriebt ma» »och Aeberraschunge».
Dieses Ordue» nach Lelstunge» kaiin auch zur Be-
lebimg des Aiiterrlchks verweudet werde»: vor nlleui
stelle ma» gute Arbeite» aiischeiiiend schwach begab-
ter Schlller aus, lobe nicht »ur die guten, hänge ver-
schiede» gestaltete Lösuiigeii in Wechselrahmen auf
»iid mn» wird dein Unterricht diene».

Dieses nur in grobe» Züge» sliizzierte Gebiet der
Begabung, Leistung uud Wertung im Kunstunterricht
greift tief hinein in unsere Erzieherarbeit überhaupt,
es verdieut unsere gröszke Aufmerksamkeit: auch
diese Llusführungen sind als Anregunge» z» betrach-
ten für eine gröszere, erschöpfende Darstellung, auf
die wir hoffen.

Die Phantaste. Das Wesen der Gestaltungskraft

^lus de» »nliirwisseiischnstliche» Borlesunge» vo» Pros. Dr. Melchior Palagyi
(Berlag 2oh. Ambr. Barth, Leipzig.)

Dns Fmidameiit, nuf dem wir uiiser Ilukerrichts-
gebäude ausbnue», knii» »icht fest, »icht kief und breit,
geimg sei». Diese Ileberzeuguiig treibt uus nu»
scho» seil Iahrzehiike», »ach Forschuiigsergebiiisse» zu
siiche», die u»s die »otweiidige» BaustofjN dazu
liefer» köniie».

Ilnd wir dürfe» rückschaueiid feststellen: Wir sind
»ameiiklich i» de» lehten iöahren vorwärts gekom-
me». Neben erziehiiiigswlssenschnftlichen Forschun-
ge» allgemeiner Llrk, »ebe» einer tlefere» Erkeniitiiis
des Wesens der Kunst, hak unS »ameiitlich die neue
psiichologische Forschung gefördert. Sie geht u»S vor
nllem niu Ausere Arbelt gehört ja »lcht zunächst der
Kimst um ihrer wille», sonder» der Me»sche»bildu»g.

Dem Bestand »euer Erkeniikiiisse füge» slch auch
die Forschungsergebiilsse Palagyis ei», auf die ich
früher scho» i» Kuiist »iid iöugeud hinwies. Dieser
Forscher tritk nls. Mikbegründer einer »euen Seelen-
und Lebenslehre immer heller ins Licht. Ludwig
KlngeS rühiiit vo» ihm i» seiiiem »eiien Werk „Der
Geist nls Widersacher der Scele", er hnbe mit ent-
deckerischem Hellblick die kiefste» Lrkemitiiisse i»
Mathematlk, Blologic, Logik, Erkeiinknislehre.
Philosophiegeschichte i» sich vereinigt. 2n der Psy-
chologie ist er der Aegründer der Lehre vom Gegen-
sal; des zeitlich flieszeiide» Lebens zur lüiitermikkeuz
zeltlich nbgegrenzter puiikkueller Llkke des Geistes.
Mit audere» Worten: er erkaiiute, uuser Erlebe»
luuser Empfiiide» uud Schaue») ist, so lange wir
lebe», ei» uiiuiikerbroche» flleszeuder, uiiwillkiirlicher,
a» sich uiibewustker Lebensvorgnng, währeud uuser
Deuken (z. B. Wahriiehme») u»d »iiser bew»s;kes
Wolle», im Gegensah zu dem Getriehemsei» durch die
Triebe, sich in Akkc», i» Taken vollzieht, die wlr
willkürhnft vornehme», ausführe» und abgrenzen köu-
»eii. „Lrleben läszk sich vieles aiif einmal, geistig voll-
brliige» nur eins." Geistige Akke können aber elnen

geistige» Ziisnmmeiihaiig bilde», trotzdem sle zeiklich
nuseiiiaiiüerfalle» müsse». Dles ist daS bedeutsame
Priuzip der Einheit dcS meiischliche» BewujztseiiiS.

Dndurch hnt Palagyi die Scheiduiig vo» Leben und
Geist streng begrifflich gefaszt, den Gegensah des „Es"
vom „Ich" herausgestellt. Wie Klages auf üieser
Gruudlage aufbaut, aber »och weit ttber P. hiuaus-
geht, köiinen wir hier »ichk weiter verfolge».

Für uiis ist Palagyi vo» besouderer Bedeutuug
durch seine Forschuiigen über das W e s e n der
G e st a l k u » g S k r a f k.

2» de.r Vorrede zu seine» „Nakurwisjeiischaftliche»
Vorlesuiige»" sagt er: „Wemi ich es recht bedenke,
im tiefste» Jimerii hat mich immer nur Lines gleich
sehr interessierk, die erfinderische und schöpferlsche
Kraft im Mensche», diese aber fast i» allen ihre»
Gestaltuiigen. Nachdem ich einmal vo» dem Sinn
des Schöpferische» ergriffe» ward, vermochke ich
mich »icht geiiug dnrüber zu wuiidcr», welche uiier-
meszliche Bedeutuiig dem Schöpferische» »lcht »ur l»
der Eiitwickluiig der Bölker u»d Staaken, sonder»
nuch im Lebe» selbst deS gerliigsten Eliizelne» zu-
komme."

Wori» beruhk die schöpferische Kraft? Auf diese
Frage konnke ihm die sog. „Lrkeniiknistheorie" keine
befriedigende Ankwort gebe», weil sie vlel zu ein-
seitig nuf die theoretische Anlage im Meiische» ein-
geskellt und demzu olge viel zu eiuseitig ratioualistisch
ist. Sie vernachlässigt, wie er feststellt, fast vollständig
die elgentliche Gestaltuiigskraft im Menschen, was
zur Folge hak, dns; sie dniin auch nur den unfruchk-
bare», den token Verstand uiiker ihrer Lupe zurück
behält. Sie versucht auch gar »icht in die lehte»
Tiefe» des meiischliche» Bewuszkseins eiuzudringen
imd die Tokalikät seiner tiineren Äegsamkeiten gleich-
sam a» der Murzel zu fassen.
 
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