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Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — N.F. 18.1938

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Heft 7 (Juli 1938)
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Arbeiter, Bruno: Über naturwissenschaftliche Abbildungswerke
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https://doi.org/10.11588/diglit.28172#0138

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Arbeiter diese trotzdem künstlerisch bedeutsamen Leistun-
gen herstellten. ilZun liegt es im wesen des Holzschnittes
und besonders des Rupferstiches, sozusagen die verborgene
Absicht der guten Illustration ;u begünstrgen.

Es kann hier nicht die phänomenologie des Holzschnitts
und des Rupferstichs eingefügt werden. wir wollen schnell
kennzeichnend Einiges Uber den Rupferstich sagen. (Man
lese in dem Buch nach, dem wir folgen: Handlung und
Gestalt des Rupferstiches und der Radierung, von Alexan.
der Friedrich, Effen io;i.) Der Rupferstecher nähert stch
scharf durchdringend in beobachtender Liebe den Dingen
der sichtbaren welt. Diese führt er aber in einer weise
vor, daß gerade „die generelle Baulichkeit eines Rörpers:
seine Schwergewichtsgesetze, sein Gehalt in geometrischer
Faßbarkeit, seine stoffliche Bedingtheit und Zweckmäßig-
keit, seine typischen Reaktionen auf Einflüffe etwa des
Lichtes, der Faltung, des Bruches, seine anatomischen
Verhältniffe, kurz, die konstruktive Gruppierung des Din-
ges" durch das Bild geoffenbart wird. Seine Dechnik,
seine werkzeuge zwingen ihn dazu, eine Grdnung der
Dinge ;u erzeugen, die fast gesetzhaft genannt werden kann,
fast konstruktiv, gehorcht sie doch den wenigen bestimmten
Bahnen, die der Stichel im Rupfer ;u graben vermag.

Rünstlerische und außerkü

wer weiß in dem verborgenen Fluß geistesgeschicht-
licher Strömungen immer richtig auf dem Grund ;u
gehen; Die Entwicklung der Photographie wird die gra-
phischen Dechniken ebenfalls auf schnelles Arbeiten (wie
lange dauert das Stechen eines Bildes!) auf wiedergabe
von Stimmungen (wie gut vermag dies Litho und Holz-
stich!) getrieben haben. Es verliert sich das handwerkliche
und künstlerische Gefühl für den Sinn der dienenden gra-
phischen Dechnik, nämlich eine Sache „wie gestochen" ab-
zuliefern.

Hier müßte auch noch dec Einfluß der Reproduktions-
techniken auf das problem künstlerischer Gestaltung be-
trachtet werden. wir dürfcn diese Frage aber, ohne un-
genau ;u sein, außen vor laffen. Es besteht kein Zwcifel,
daß diese Verfahren Einfluß auf das iTlachlaffen der Mit-
wirkung des Rünstlers am bebilderten Buch trugen. Aber
dies problem berührt doch nicht direkt unsere Frage-
stellung:. künstlerische — unkünstlerische Bilder. Unsere
Fragestellung läßt sich unabhängig davon durchdenken. <vri-
ginalabdruck oder reproduzierender Abdruck ist erst eine
Frage zweiter Grdnung, die n ach dieser ;u entscheiden ist.
wir denken der Vereinfachung halber nur an originale
Druckverfahren.

Unversehens sind wir damit aber aus dem Entweder-
Gder der gegebenen Fragestellung herausgekommen, wenn
wir das Einwirken der Photographie betrachten. Es be-
steht neben dem Gegensatz: Rünstlerisches — unkünstle-
risches Bild noch der: künstlerisches — außerkünstlerisches
Bild. Das Lichtbild ist ein außerkünstlerisches Darstel-

Der Rupferstich wird daher mehr oder weniger, stcts aber
im hohen Grade, unpersönlichen Lharakter besitzen. Es ist
nicht möglich, nervöse, handschriftliche Linienzüge ;u gra-
ben (wie bei der Radierung), dem widerstrebt das Gerät.
Die platte wird während der ganzen Arbeit gedreht, es
kann also kein „porträt" der Dinge entstehen, nur eine
Uebersetzung, also ein Hinüberheben in den Bereich einer
„Bildidee". Von der Dechnik her wird so stets etwas Un-
persönliches im Bilde stecken, aber, und dies ist sehr be-
deutsam, stets schon das Moment der „Gestaltung".

Radierung, Holzstich, Lithographie geben andere Mög-
lichkeiten, oder genauer gesagt, diese Möglichkeiten wurdcn
als alleinige so vorherrschend, daß man nach ihnen dic
wirkungen dieser graphischen Dechniken beurteilcn muß:
Es kommt „persönliche (individuelle!) Handschrist" in das
Bild und ebenfalls „Stimmung", das also, was ;um im-
pressionistischen Naturalismus hinführt. Daß diese Ent-
wicklung nicht nötig ;u sein brauchte, beweist Bewick mit
seinem Vogelwerk, bewcisen die frühen Lithographiewerke,
beweisen einige Radierungen, die als Illustrationen ;u
wiffenschaftlichen werken entstande». Das „Unbestcchliche"
des Rupferstiches verschwand und damit das Rückgrat dcr
künstlerischen Gestaltung dieser werke.

nstlerische Darstellung.

lungsmittel. Es ist für den Buchhersteller nur eine Ent-
scheidung ob er eben photos als Grundlage für eine Be-
bilderung nimmt oder Handzeichnungen in irgend eine gra-
phische Dechnik übertragen. Es wird davon die Forderung^
nach der künstlerischen Illustration nicht berührt. Aber das
Hereinrücken dieser neuen Alluftrationsmäglichkeit hat
lange die grundsätzliche Frage vcrwischt, die Frage nach
der Illustration durch Rünstlerhand, Photographie ist eine
Sache für sich und Zeichnung ist eine Sache für sich.

wir haben gesehen wie die idealen graphischen 2>llu-
strationstechniken und die künstlerische Zeichnung ver-
schwand. So war in einer weise die Aufnahmc der photo-
graphie eine charaktervolle Entscheidung: Man sah die
wertlosigkeit der unkünstlerischen Illustration ein und
wandte die Technik der Photographie auf dies Gebiet an.

Doch dem „schauenden" Betrachter und wiffenschafter
konnte nicht entgehen, daß trotz der äußerst genauen Lei-
stungen etwas fehlte. Die photos gaben gewiß in mancher
weise meisterliche Abbilder des Naturdinges. Aber es
bleibt beim Abbild! Auch in diesem Zusammenhang ist wie-
der ;u sagen, daß ein Abbild nicht das wesen, die Idee der
pflanze, des Tieres ausdrückt, dies gibt das Bild, das
künstlerische Bild, die Gestaltung.

Dem suchenden Betrachter, dem beim Beschauen eines
noch so guten mit photos bebilderten werkes diese Zwei-
fel kommen und dcm dann eine „Flora Danica" vor die
Augen gerät, wird der unvergleichliche Unterschied auf-
fallen und er wird aussprechen, daß irgendwie der weg
wiedcr hierhin führen muß.

Dic wiedergeburt der kttnstlerischen Abbildungimnaturwissenschaftlichcnwerk.

Nun, wir sind dabei, diesen weg ;u betreten. Die Flens-
burger Ausstellung ist ein Zeichen auf diesem wege. Das
Zustandekommen einer derartigen 2lusstcllung ist kein Zu-
fall. Es ist kein Zufall, daß einige Meister durch Heraus-
gabe von proben ihrer werke (Regenfuß, Maria Sibylla
Merian, Hübner in der Insel-Bücherei) schon cine gewiffe
Volkstümlichkeit errangen.

Den bedcutendsten praktischen Anfang einer wahren
wiedergcburt sehen wir aber in den r5o Holzschnittafcln
von Rudolf Rochs Blumenbuch. Hier arbeitet wieder ein
Rünstler in glcichcr künstlerisch-handwerklichcr Gcsimiung

wie David Randel vor 400 Aahren, wie Roesel vor
roo Iahren, wie Redoutö vor 100 Jahren.

Ein kleines Zeichen, das mich sehr bcglückte, wurde mir
vor kurzcm kund. Bei einem Rupferstecher sah ich die 2lb-
züge des Stiches eines Rristalls, ein phantastischcs Blatt:
was entspräche dcm stereometrischen wcscn des Rristalls
mchr als die gcordnete Darstellungsweise dcs Stiches. Es
läge also nur am Unternehmungssinn eines Verlegcrs,
wcnn wir hundert Iahre nach Redoute und Durpin einc
Rristallographic in Händen hieltcn, die sich den altcn
Büchern ohne Einschränkung ;ur Scite stcllen licße.
 
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