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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 28.1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.6187#0011

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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXVIII. Jahrgang 1916/1917 Nr. 1. 1. Oktober 1916

^ie Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark.
Man abonniert bei jeder Buchhandlung, beim Verlage oder bei der Post. Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden,
'eisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E.A.Seemann, Leipzig, Hospitalstr. 11 a.
Abonnenten der Zeitschrift für bildende Kunst erhalten Kunstchronik und Kunstmarkt kostenfrei. Anzeigen 30 Pf. die Petitzeile; Vorzugsplätze teurer.

MALER ODER KUNSTHISTORIKER?

Zu diesem in den letzten Monaten wieder viel
diskutierten Thema, das auch in unserer Zeitschrift
anläßlich des bekannten Wiener Streitfalles eingehend
erörtert wurde, erhalten wir den folgenden Brief aus
dem anderen Lager«, dem wir leider in so vielen
Punkten recht geben müssen, daß wir seine Ver-
öffentlichung nicht ablehnen zu dürfen meinen.

»Sehr geehrter Herr Redakteur!

Als eifriger Leser Ihrer Zeitschrift bin ich über die
von Ihnen vertretene Anschauung in der Frage, ob
Maler oder Kunsthistoriker für die Stellung als Galerie-
direktoren besser geeignet seien, so wohl unterrichtet,
daß ich nicht wagen würde, Sie mit meiner abweichen-
den Meinung zu behelligen, wenn nicht das Beweis-
material ihrer Gegner in jüngster Zeit in einem selbst
diesen unerwünschten Maße vermehrt worden wäre.
Ich gehöre nämlich keineswegs zu den Fanatikern,
die behaupten, daß nur Künstler etwas von Kunst ver-
stehen können. Ich bin im Gegenteil allen von kunst-
historischer Seite ins Feld geführten Argumenten durch-
aus zugänglich, und ich bin der letzte, der nicht das Genie
eines Bode zu würdigen wüßte, der nicht der erfolg-
reichen Arbeit, die an vielen Stellen von Kunsthistorikern
als Museumsleitern geleistet wurde, alle Anerkennung
zu zollen bereit wäre. Auch bin ich durchaus der
Meinung, daß ein Künstler, der als solcher etwas taugt,
anderes, vielleicht sogar besseres zu tun hat, als sich
mit Museumsverwaltung abzuplagen. Sie sehen also,
daß mein Standpunkt von dem Ihren im Grunde gar
nicht so sehr abweicht. Wogegen ich mich wende,
ist nur das verkehrte Prinzip, der Glaube an den Be-
fähigungsnachweis durch einen leicht erworbenen
Doktorgrad. Ich denke an einen bestimmten Fall.
Wäre einer aus unseren Reihen, wäre ein Maler auf
diesen Direktorposten berufen worden, so wäre ganz
gewiß eine schreckliche »Affäre« entstanden, und auch
Ihre Zeitschrift hätte entrüstete Artikel über solchen
Rückfall in mittelalterliche Sitten gebracht. Wird aber
ein junger Herr berufen, der irgendwann irgendwo
einmal seinen kunsthistorischen Doktor gebaut hat, so
begnügt man sich, die Tatsache zu registrieren. Ich
habe genügend Beziehungen in Kunsthistorikerkreisen,
um zu wissen, was man über den oder jenen denkt.
Aber man hütet sich um Gotteswillen, es laut
werden zu lassen. Und ich wette, ohne meinen
Brief, dem Sie hoffentlich die Veröffentlichung nicht
versagen werden, wäre auch dieser jüngste Fall ohne
jeden Kommentar in der Rubrik »Personalien« als
hocherfreuliche Tatsache mitgeteilt worden. Sie können

mir nicht widersprechen, denn alles, was gegen diese
neueste Ernennung zu sagen wäre, hätte auch be-
reits gegen den Amtsvorgänger des betreffenden Herrn
vorgebracht werden müssen, und es sind, wie Sie
wissen und zugeben werden, auch andere Posten in
letzter Zeit in einer Weise besetzt worden, die zu
Bedenken allen Anlaß gibt. Aber die Kunsthistoriker
schweigen nach dem bekannten Grundsatze, daß eine
Krähe der anderen nicht die Augen aushackt, und
wenn einer von uns Künstlern, die doch auch ein
Interesse an der Sache haben, das Wort zu ergreifen
wagt, dann heißt es natürlich, er rede pro domo. Ich
bin kühn genug, um mich vor diesem Verdachte
nicht zu scheuen, und ich behaupte, daß einer der
Akademieprofessoren, die mit dem Kunstbetrieb an
Ort und Stelle wohl vertraut sind, zehnmal besser für
das Amt geeignet wäre als ein junger Mann, der mit
einem Doktortitel als einzigem Befähigungsnachweis ge-
schmückt ist. Ich betone noch einmal, daß ich die Arbeit
auch der jüngeren kunsthistorischen Museumsdirektoren
in Deutschland keineswegs unterschätze. Ich gehöre
auch nicht zu denen, die jeden Mißgriff bei Ankäufen
tragisch nehmen. Im Gegenteil, ich schätze eine auf-
rechte Überzeugung zu sehr, um sie nicht zu begreifen,
auch wenn sie der meinen zuwider läuft. Ich glaube
auch ohne weiteres, daß unter den jüngeren Kunst-
historikern, die für die Stellung verfügbar waren, so
viele geeignete Persönlichkeiten zu finden wären, daß
eine befriedigende Wahl unschwer hätte getroffen
werden können, ohne einen Maler für den Posten zu
bemühen. Ich habe bisher keinen Namen genannt,
aber Sie wissen längst, wovon ich rede. Wir fragten
uns vergebens, als Dr. Anton Mayer Museunisdirektor
in Weimar wurde, was die Wahl gerade dieses Herrn
veranlaßt haben konnte, der seine Eignung für einen
solchen Posten bisher in keiner Weise gezeigt hatte,
auch keine wissenschaftlichen Leistungen aufzuweisen
hatte, die uns immerhin einigen Respekt abgefordert
hätten. Die Gastrolle, die Dr. Mayer in Weimar gab,
war nur kurz, aber die Zweifler haben recht behalten.
Man sucht vergebens nach den Leistungen dieses
Direktors. Nun erfahren wir von der Ernennung des
Dr. Hanns Schulze aus der Berliner »8 Uhr Abend-
Zeitung«, die stolz die neue Würde ihres Mitarbeiters ver-
kündet, und wir erinnern uns, das Zeichen H.S. gelegent-
lich unter Ausstellungsbesprechungen und Kritiken von
Schauspiel-, Opern- und Operettenaufführungen ge-
funden zu haben. Viel mehr allerdings ist uns über den
Herrn nicht bekannt. Man erzählt uns, er sei in einem
kleineren Berliner Auktionshause tätig gewesen, habe
auch eine Volontärzeit bei den Berliner Museen absol-
viert. Aber was gerade ihn zu derStellung eines Museums-
direktors — immerhin in der Stadt Goethes — befähigen
 
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